Viertes Kapitel

[148] Da war es, wo ich sie erwartete! – ach was kostete es, mich bis dahin zu bezähmen!

»Jetzt keine Zeit verloren!« – rief ich – »sonst mögte alles verloren seyn.

Das Schicksal kam mir zu Hülfe.

»Was mag unserm Röschen fehlen?« – sagte meine Tante – »sollte es die Liebe seyn?« –

»Wer weiß!« – antwortete ich – »wohl möglich.« –

»Friedrich« – fuhr sie fort – »hat sich viel Mühe um sie gegeben, sie wollte aber damals nichts davon hören.« – »Wenn ich wüßte, daß es das wäre – nun da könnte man noch wohl helfen!«[148]

»Wenn ich ihm ein hundert Thaler mehr und ihr eine hübsche Ausstattung gäbe; so könnten sie auf dem Lande schon ganz gut davon leben.

Ich. Weiß denn Röschen, liebe Tante, daß Sie so darüber denken.

Die Tante. Freylich! aber wie ich dir sage, sie warf das alles weit von sich weg! und wenn ich nachher wieder davon anfing; so bekam ich eine spitzige Antwort.

Wie wäre es? wenn du einmal mit ihr sprächest? –

Ich. Ich? –

Die Tante. Nun ja! warum nicht? – thue es immer lieber Gustav! ich wette das kleine dumme Ding weiß selbst nicht was sie will.

»Wohl möglich!« – dachte ich; indem ich mich schweigend entfernte und den Weg zu Röschens Kammer nahm.[149]

Leise öffnete ich die Thür – da lag sie und schlummerte. Ein hohes Roth färbte ihre Wangen, ihr Athem war schnell und fieberhaft, und eine lebhafte Phantasie schien ihre Seele zu beschäftigen.

»Sieh dahin hast du sie gebracht!« – rief mein Gewissen. – Eine unbeschreibliche Rührung ergriff mich. Mein Kopf sank auf ihre Hand; und eine brennende Thräne, die darauf fiel, erweckte sie aus ihrem Schlummer.[150]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Gustavs Verirrungen. Leipzig 1801, S. 148-151.
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