Siebentes Kapitel.

[113] Also wie gestern. Der Freund kommt; er umarmt sie; sie schwimmen in einem Meere von Seligkeit. Auf einmal, da ist auch der Mann wieder. Was war zu thun? Madame weiß den Augenblick Rath. – Gleich, gleich, lieber Mann! Sie eilte selbst hinunter, der Freund hinter ihr drein; sie macht die Thüre auf, und läßt das Licht fallen; der Mann stürzt hinein, der Freund hinaus, und Alles war in Ordnung.

Man hätte den Tanzmeister sehen sollen: er schäumte vor Wuth. Schimpfwörter, Mißhandlungen – das arme Weib mußte Alles ertragen. – Wo ist der Kerl? Du nichtswürdige Hure! Hast du ihn wieder unter die Wäsche versteckt? – Er fängt an zu suchen, das Weibchen sich zu vertheidigen. Sie hatte gut reden, da das Corpus delicti über alle Berge war.[113]

Aber das konnte den Tanzmeister nicht beruhigen, denn er hatte offizielle Nachrichten. Seine Wuth stieg daher immer höher. – Ach, um Gotteswillen! rief endlich die listige Frau, und riß die Fenster auf: Hülfe! Hülfe! Hülfe! Mein Mann ist toll geworden! Er bringt mich um! – Das Mädchen, als ein treues Echo, wiederholte dasselbe, und in wenigen Minuten liefen die Nachbarn zu.

Der Tanzmeister sah wirklich verdächtig aus, und jedermann hielt ihn für wahnsinnig. Madame versprach Geld, und augenblicklich fielen zwei rüstige Knechte über ihn her, und banden ihn. – Ach das Unglück! das Unglück! rief sie, und rang die Hände. Wir müssen ihn in die Stadt schaffen! – Ein Aderlaß! Ein Aderlaß! oder er zersprengt sich. – Man denke, ob das den Wahnsinnigen beruhigen konnte? Aber eben seine Reden und Bewegungen überzeugten die Zuschauer nur desto mehr.

Es wurde endlich Anstalt gemacht, ihn in die Stadt zu bringen, und er mußte sich Alles gefallen lassen. Der Doctor verschrieb Aderlässe, Vomitive, Klystiere und was weiß ich's. Er hätte im Ernste närrisch werden mögen. Madame spielte ihre Rolle vortrefflich, und jeder hatte Mitleid mit ihr. Warte, sagte sie bei sich[114] selbst: die Eifersucht soll dir schon vergehen; ich will dich lehren die Leute überfallen!

Indessen hatte der Baron mit Erstaunen erfahren, daß der arme P– auf einmal toll geworden sei. Er geht zu ihm; der Mann bekommt einen neuen Acceß. Auf einmal tritt Madame herein, und der Baron fällt aus den Wolken. Ein Blick erklärt ihm alles, aber das war zu arg.

Mochte es Ueberdruß, mochte es Mitleid sein, er ließ seine Sachen packen, schickte dem Tanzmeister ein Abschiedsbillet mit fünfzig Dukaten, und reiste den andern Morgen ab, ohne Madame wieder zu sehen.

Wer jetzt genaß, das war der arme P–; dennoch wagte er nie, sein zärtliches Weibchen darüber zur Rede zu setzen.

Quelle:
Christian Althing: Dosenstücke, Rom; Paris; London [o.J.], S. 113-115.
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