Viertes Kapitel.

[89] Zehn Uhr schlug; der Hauptmann kam und brachte den kleinen Freund mit. – Man kann denken, wie sie empfangen wurden.

Die schöne Seilerin räumte ihm ihr niedliches Zimmerchen ein und umarmte ihn tausendmal. Seine Figur, seine Lebhaftigkeit, seine Beredsamkeit, die ihm so gut von den Lippen floß; alles bezauberte sie. Sie selbst gefiel ihm nicht weniger. Ihre Herzlichkeit, ihre Gefälligkeit, ihr zuvorkommendes Wesen, alles entzückte ihn. Sie schienen für einander gemacht zu sein.

Wie viel hatten sie sich nicht zu sagen! Wie viel zärtliche Ergießungen! Wie viel trauliche Geständnisse! Jeder Augenblick brachte sie näher zusammen; sie gaben sich eines dem andern hin und vergaßen die ganze Welt um sich.

Aber auf einmal läßt sich die Stimme des Mannes hören. – Himmel, wir sind verloren! rief das Weibchen, Kaum hatte der Freund Zeit, sich zu retten. – Geschwinde hinter den Ofen! ruft sie athemlos, und der Mann tritt zur Thüre hinein.[89]

Du bist ja so erhitzt, sagte er mürrisch: was hat's denn gegeben?

Sie: Ach lieber Mann! Ach ich habe eine rechte Freude gehabt!

Er: Es wird was rechts gewesen sein. Laß doch hören!

Sie: Da kam der fremde Wundermann – du wirst ihn auch gesehen haben?

Er: Was für ein Wundermann? Ich habe keinen gesehen.

Sie: Der indianische Schaman, oder wie sie hier heißen? Mit der großen spitzigen Mütze, voll lauter goldener Figuren, und dem langen gros de tournen Kaftan.

Er: Nun was war denn mit dem?

Sie: Der kam herein und fragte nach dir, ob wir Kinder hätten und so weiter.

Er: Nun, und was gabst du ihm denn zur Antwort?

Sie (verschämt): Ih nun, daß es dem lieben Gott gefiele – du weißt ja, lieber Mann, wie du immer sagst: der liebe Gott straft uns, daß wir keine kriegen.

Er: Ja wohl straft er uns; denn an mil liegt's wahrhaftig nicht.

Sie: Nun, sagte der Schaman: ich will Ihnen ein Kunststück zeigen, wie Sie den Storch[90] beschwören können. Machen Sie das nach, und ehe ein Jahr vergeht, so müssen Sie ein oder zwei Kinder haben.

Er: Das wäre? Ach wenn mir Gott die Gnade gäbe, auf den Knieen wollte ich ihm dafür danken.

Sie: Das dacht' ich eben, lieber Mann, und darum gab ich ihm acht Groschen mit Vergnügen und ließ mir das Kunststück lernen.

Er: Nun, worinnen besteht es denn?

Sie: Wenn du's sehen willst, lieber Mann, so will ich's einmal probiren, aber du mußt alles thun, was ich dir sage.

Quelle:
Christian Althing: Dosenstücke, Rom; Paris; London [o.J.], S. 89-91.
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