Zehntes Capitel.

Das will ich haben!

[152] »Sie sind ja recht lange gewesen!« – sagte sie zärtlich.

»Ich mußte dem Herrn einen andern Zopf machen. Aber!« – fuhr ich fort – »Sie wollten mir ja was sagen?« –

»Ja, aber was krieg' ich dafür?« –

»Nun – sagen Sie's nur – wir wollen schon einig werden!« – wobey ich das Geld klingen ließ.[152]

»Das will ich dafür haben!« – indem sie sich zu mir beugte, und mich küßte. Sie mochte es wohl dreimal gethan haben, ehe ich ihr abwehrte.

»Nun! – so lassen Sie auch hören.« –

»Sehen Sie, Liebchen!« sagte sie äusserst vergnügt – »ich war platten bey Canzlers, nicht bey Vicecanzlers, sondern bey B.« – da waren wir in der großen Stube; denn es ist da viel besser, man hat mehr Platz zur Arbeit – und bey den langen Tagen – Nun da waren die beyden Fräulein, und die Mama auch da. Die Fräulein Gustchen saß am Fenster und guckte beständig hinaus. – »Ey ey!« – sagte die Mutter – »da wird nicht viel fertig werden, Gustchen – sie nähte nämlich an ein paar Manschetten, die der Papa zu Weyhnachten bekommen sollte.« – »Ih!« – sagte die Fräulein Rickchen spöttisch – Sie wird wohl nach gewissen Leuten[153] sehen, es ist gut, daß man's Rothe auch in der Dämmerung erkennen kann. Fräulein Gustchen antwortete nichts, aber sie wurde über und über roth.

»Du brauchst nur nicht so satyrisch zu seyn« – sagte die Mutter zu Fräulein Rickchen. – »So schnell geht's nicht! Nicht wahr, Gustchen?« – denn die Fräulein ist ihre Favorite.

»Gewiß nicht, liebe Mama!«

»Aber vorgestern« – fiel Rickchen ein – »da konntest du doch kaum fortkommen, als Er mit dir sprach.«

»Er war so höflich, und er sprach so gut, daß ich ihm mit Vergnügen zuhörte.« –

»Freylich hübschen Leuten – Und die Uniform sitzt ihm wie angegossen. – Nicht wahr, Gustchen?«[154]

»Rickchen! Rickchen!« – sagte die Mutter – »Deine Zeit wird auch kommen! Warte nur!« –

»Ach nein, liebe Mama!« – gab sie mit einem komisch-satyrischen Tone zur Antwort – »Wenn ich den Herrn Cornet von N. – nicht kriegen kann, so sterbe ich!« –

»Wir mußten alle zu lachen anfangen, denn es klang gar zu kurios. Fräulein Gustchen schien sich indessen darüber zu ärgern, und sagte in demselben Tone: da hast du auch recht, Schwesterchen, denn es ist doch ein allerliebster Junge!« – Indessen trat der alte Papa herein, und sie fuhren bald nachher in die Oper.

»Nun!« – sagte meine freundliche Nachbarin – »Wenn Sie das Ihrem Herrn erzählen, so setzt es gewiß was Schönes. So ein paar Füchschen! Wenn Sie mich einmal besuchen wollen,« – fuhr sie vertraulich[155] fort – »Ich wohne gleich in dem andern Gäßchen von Ihrem Hause! Links das kleine rothe Haus zwey Treppen! Sie müssen aber hübsch zeitig kommen – alle Abende um sechs bin ich wieder zu Hause.«

Mit diesen Worten stand sie auf, drückte mir noch einmal die Hand, und ging fort. – »Du bist mir die rechte!« – sagte ein alter dicker Herr in einem Roquelor – »Es sind verliebte Kröten, die Mädchen.«

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 152-156.
Lizenz:
Kategorien: