Erstes Capitel.

Geständnisse.

[193] Der Junker machte indessen immer mehr Fortschritte bey seiner Geliebten, und ihre Augen fingen an sich zu verstehen. Ich errieth es, denn ich kannte mein eignes Herz. Was war natürlicher? Die Liebe ist eine Erbkrankheit. Jederman muß sie bekommen, und eines steckt das andere damit an.

Allmählich war der Junker auch im Hause des Fräuleins vertrauter geworden; und die Aeltern sahen den Triumph ihrer Tochter mit Vergnügen. Sie kannten die Familie, die Reichthümer und dis glänzenden Aussichten[193] des Junkers zu gut, um diese Verbindung nicht zu wünschen. Er fand daher Gelegenheit genug, die Fräulein von seinen Empfindungen zu unterhalten, und in kurzem seines Glücks versichert zu seyn.

Von nun an konnte ich sie täglich sehen; denn meine Botschaften wurden häufiger. Sie behandelte mich indessen sehr gütig, ihre Zärtlichkeit schien auf alles überzugehen, was dem Junker angehörte. – »Mein lieber Gustel!« – pflegte sie zu sagen, wenn ich in ihr Zimmer trat – »Setzen Sie sich doch!« – Und unzähligemal mußte ich eine Tasse von ihrem Frühstück annehmen. Sie war so entzückt über die Briefe, die ich ihr brachte, daß sie sich oft in ihrer Freude vergaß und mir die Hände drückte.

Nichts hätte mich inniger rühren können. Es war meine Nebenbuhlerin, aber ich fing an, sie weniger zu hassen. Ihre Bescheidenheit,[194] ihre hinreißende Güte, ihre Unbefangenheit gewannen mein Herz, und meine natürliche Großmuth wurde bald geneigt, ihr Glück zu verzeihen.

Indessen war meine Phantasie doch unaufhörlich mit dem Junker beschäftigt. Ich brannte vor Sehnsucht, ihn in meine Arme zu schließen, und meine Wünsche wurden täglich dringender. Ach sie wurden ja unaufhörlich gereizt, und meine Augen konnten das süße Gift jeden Augenblick einsaugen.

So vergingen Tage und Monate, und jedes von uns sehnte sich nach der Entwickelung. Ihr Glück dämmerte schön in die Zukunft, aber ich streckte meine Arme vergebens nach einem Geliebten aus.

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 193-195.
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