Ein und zwanzigstes Capitel.

Ich will zu ihm!

[255] »Ja, ich will zu ihm!« – rief ich- »denn ich kann nicht ohne ihn leben! – Ich will ihm seine Einsamkeit erleichtern, und was ich ihm bringe, soll uns vor Mangel schützen.« – Ich fühlte mich so stark und muthig, als wäre mir alles gelungen. – »Er lebt!« – dachte ich – »Er lebt! und in wenig Stunden wirst du ihn wiedersehen!« – Ich stellte[255] mir seine Freude vor, den Brief des Fräuleins zu erhalten, und meine Schritte verdoppelten sich.

Es schlug neun Uhr, als ich die Stadt verließ, gegen Mitternacht konnte ich bey ihm seyn. Der Weg war mir bekannt, und von dem Wirthshause an, ging ich gerade fort. Ich wickelte mich in meinen Mantel, und war in kurzem im freyen Felde. – »Wohlan!« – rief ich – »Herzhaft! Vorwärts!« – Meine Traurigkeit verließ mich, und ich fing frölich zu singen an.

Es war eine finstere stürmische Nacht, kaum konnte ich das Licht in meiner Laterne erhalten. Regen und Schneegestöber wechselten unaufhörlich ab, und ich wurde völlig durchnäßt. Aber ich verachtete alles, und ging auf der einsamen Straße immer dem Walde zu. Alles war still, nur von Zeit zu Zeit hörte ich in der Ferne einige Pferde wiehern.

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 255-256.
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