1. Die Pfaueninsel bis 1685

[187] Pfaueninsel! Wie ein Märchen steigt ein Bild aus meinen Kindertagen vor mir auf: ein Schloß, Palmen und Känguruhs; Papageien kreischen; Pfauen sitzen auf hoher Stange oder schlagen ein Rad, Volieren, Springbrunnen, überschattete Wiesen; Schlängelpfade, die überall hin führen und nirgends; ein rätselvolles Eiland, eine Oase, ein Blumenteppich inmitten der Mark.

Aber so war es nicht immer hier. All das zählt erst nach Jahrzehnten, und noch zu Ende der neunziger Jahre war diese Havelinsel eine bloße romantische Wildnis, die sich aus Eichen, Unterholz und allerhand Schlinggewächs zusammensetzte. An manchen Stellen urwaldartig, undurchdringlich. Um das ganze zweitausend Schritt lange und über fünfhundert Schritt breite Eiland zog sich ein Gürtel von Uferschilf, darin wildes Geflügel zu Tausenden nistete. Dann und wann, wenn im Grunewald die Jagd tobte, schwamm ein geängsteter Hirsch[187] über die Schmalung an der Südwestspitze und suchte Schutz bei der Einsamkeit der Insel.

So war es unter den Joachims, auch noch unter dem Großen Kurfürsten. Wer nicht ein Jäger war, oder das Schilf am Ufer schnitt, der wußte kaum von einer solchen Insel im Havelstrom, die durch alle Jahrhunderte hin namenlos geblieben war.

Erst 1683, also während der letzten Jahre des Großen Kurfürsten, trat die namenlose Insel, die inzwischen ein »Kaninchengehege« empfangen hatte, als Kaninchenwerder in die Geschichte ein, freilich ohne dadurch irgend etwas anderes als einen Namen gewonnen zu haben. Das Eiland blieb vielmehr bis zu der eingangs erwähnten Zeit eine absolute Wildnis, an deren Bestand auch ein der Kaninchenherrschaft unmittelbar folgendes Prospero-Zwischenspiel nicht das geringste zu ändern vermochte. Im Gegenteil, zu dem Wilden gesellte sich noch das Grusliche, ohne daß von einem Caliban berichtet wird.

Der Prospero war Johann Kunckel, der Alchimist. Er erhielt die Insel 1685 aus der Hand des Kurfürsten. Bei diesem Zeitabschnitt verweilen wir zunächst.

Quelle:
Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 11, München 1959–1975, S. 187-188.
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