3. Theater in Birmingham

[824] Es ist ein herrliches Ding um ein Theater für Reisende, die den langen Abend an einem fremden Orte, ohne Bekanntschaft, nicht besser hinzubringen wissen. Wir waren hier in diesem Falle; denn um 12 Uhr Mitternacht sollten wir abreisen, und der ganze Abend war noch vor uns. Zum Glück ward heute das Theater hier eröffnet. Ein schönes, mit vieler Zierlichkeit erbauetes Schauspielhaus, verkündigte von außen viel Unterhaltung. Wir gingen hinein, und fanden ein sehr artiges Amphitheater, fast ein wenig zu viel mit Zierathen im Geschmack von Wedgwoods terra cotta beladen, und mit einem scheußlichen Plafond-Gemälde verunziert, wo Terpsichore in einer verzerrten Stellung, mit einem Fuß in den Wolken, tanzte, Thalia auf beiden Knieen, und Melpomene, um sich leichter erstechen zu können, auf dem Rücken lag, ein geschundener Apoll, und eine Pallas Shakespeare's Brustbild en medaillon empor hielten, und ein Schiff, der Himmel weiß woher und zu welcher Absicht, in den Lüften segelte. – Als der Vorhang in die Höhe ging, zählten wir vierzehn Personen im Parterre; doch in der Folge erschienen mehrere, und füllten das Haus noch ziemlich. – Lange vorher hatte sich indeß das Krethi und Plethi auf der Gallerie des Privilegiums seine Ungeduld zu äußern, bedient, und uns hatte der Lärm von einer geringen Anzahl Menschen lächerlich geschienen, da der von den Theatern in London nur widrig ist. – Die Stücke, womit man debütirte, waren nicht die glänzendsten des Englischen Theaters: the Country girl und the Romp; jenes ist eine Farce in fünf Akten, dieses in einem Akt. Eine Madam Davis aus Manchester spielte die Rolle des unerzognen Landmädchens mit außerordentlicher Kraft und einer unerschöpflichen Beweglichkeit; sie kam fast nie aus dem Springen und Hüpfen, und ihre Stimme hatte eben so viel Modulation, als[824] ihre Beine und Arme Schwung- und Schnellkraft. Ein wenig chargirt waren ihre Rollen allerdings; allein der Dichter mochte einen Theil der Schuld haben. Von den übrigen Schauspielern mag es hinreichendes Lob seyn, zu sagen, daß sie mich lebhaft an gewisse Truppen in Deutschland erinnerten; zum erstenmal seitdem ich Deutschland verließ!

Quelle:
Georg Forster: Werke in vier Bänden. Band 2, Leipzig [1971], S. 824-825.
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