3. Rückreise von Paris

[867] Von Paris reisten wir den 6. Julius über Livry und Cloye nach Meaux, welches eine alte, sehr schöne Kathedralkirche hat. Die Straße ging durch eine reiche Gegend, mit schönem Anbau und einer herrlichen Allee von Bäumen längs dem Wege. – La Ferté sous Jouarre ist hübsch gelegen. – Hier giebt es viele Berge, Sandstein; wenig Anbau. Die Marne und ihre Ufer sind sehr schön. Bei La Ferté ist eine Manufaktur von Mühlsteinen. – Chateau Thierri hat eine herrliche Lage. – Ein großes Thal der Marne, in welchem die Stadt und die Masse von Thürmen aus dichtem Gebüsche hervorragen. Das Schloß steht in der Mitte auf einem Hügel. Die besonders schönen Ulmen machen die Aussicht vorzüglich pittoresk und reich. – Der Fleiß und die Arbeitsamkeit des Landvolkes in dieser Gegend geben gute Hoffnungen für die Zukunft, wenn es Früchte seiner Arbeit ernten wird, und sie nicht mehr von Andern verschlungen seyn werden.

Den 7. Jul. Wir fuhren um drei Uhr ab. Die gestrige Diligence von Metz war voll Deputirter, die nach Paris zogen; auch begegneten uns viele Extraposten mit diesen Herren. Ein reitzendes Thal von weitem Umfange öffnete sich vor uns, mit Kalkhügeln umgeben, worauf der Weinbau sehr stark getrieben wird. Die Hügel sind schön gelegen, und haben einen vortheilhaften Abhang; ihr kreidenartiger Boden scheint ebenfalls dem Weinbau zuträglich zu seyn. Im Thale, welches eine große, breite, und mehrere Meilen lang zwischen den Hügeln sich hinziehende Ebene bildet, schlängelte sich die Marne zwischen Sandufern, wie ein Band von Silberstoff, indem die Morgensonne sie beschien. Die Äcker, Wiesen und Triften dieses Thals sind von großem Reichthum und unbeschreiblicher Schönheit; über die Rebenhügel ragt ein höherer, wieder mit Korn bebaueter Rücken hervor, der oben mit Waldung, und zuweilen mit Städten und Dörfern gekrönt ist. Dieses Thal reicht bis Epernay, welches sehr malerisch am Fuße der östlichen Hügel liegt, wo sie sich auf einer unabsehlichen Ebene verlieren. Wir erreichten diesen Ort um 10 Uhr, und setzten uns schon um halb eilf zu Tische, nachdem wir etwa zwölf Lieues zurückgelegt hatten. Nach Chalons flogen[867] wir auf einer acht Lieues langen Ebene von herrlichem Getreidebau, und um vier Uhr kamen wir dort an, um unser Nachtlager zu halten. Chalons hat alte schöne Kirchen; ein prächtiges Hôtel de ville; eine schöne, feste, einfache Brücke über die Marne; schöne, regelmäßig angepflanzte Promenaden; viele gute Gebäude. Aber die Straßen sind todt, und die Einwohner fehlen. Überhaupt giebt es in Frankreich mehr große Städte, als in England. Aber der Schmutz in den Wirthshäusern, die schlechte Bedienung, das grobe Tischzeug machen das Reisen hier ungleich beschwerlicher. Das Volk in dieser Gegend ist im Ganzen phlegmatischer, als in der Picardie. Man findet im Allgemeinen unter den Franzosen vielleicht weniger Naturgaben – Phantasie ausgenommen – als unter den Engländern, aber mehr Kultur durch gesellschaftlichen Umgang: daher mehr Leichtigkeit und Artigkeit, und zugleich mehr Gleichgültigkeit gegen Reinlichkeit, Bequemlichkeit u.s.w., weniger Luxus.

Den 8. Jul. Die Ebene geht gegen sechs bis acht Lieues fort; sie ist überall bebauet, und man sieht fast nirgends einen Baum. Ein, fünf Viertel-Lieues langes Dorf liegt längs dem Wege in einiger Entfernung rechts, an einem Bach, überall mit Pappeln und Weiden umgeben, die denn hier zur Feuerung dienen. Das Erdreich ist hier sehr arm; kaum drei bis vier Zoll tief, so ist man auf der Kreide. Daher wird schnell gepflügt und viel bestreift; es scheint viel brach zu liegen.

Man brennt in der hiesigen Gegend Steinkohlen, die unweit Sainte Ménéhould und bei Troies gegraben werden. Bei Sainte Ménéhould (10 Lieues von Chalons fängt es wieder an hügelig zu werden. Ein Wald von Obstbäumen erstreckt sich fast ein Paar Lieues zwischen Sainte Ménéhould und Clermont; dieser letztere Ort verkauft in guten Jahren für 12000 Livres Kirschen. – Auf den Bergen von Clermont findet man schöne Waldungen, wovon die vielen Glashütten um Clermont guten Gebrauch machen. Das Erdreich ist grauer Kalkmergel.

Von Clermont, wo wir zu Mittag aßen, bis Verdun, fährt man fünf Lieues, und über ein Mergelgebirge, welches aus langgestreckten wogigen Rücken besteht, und wovon das Gestein näher nach Verdun zu immer grauer wird, und in Thonmergel[868] überzugehen scheint. Hier liegt sehr viel Land brach, weil das Erdreich nicht ergiebig ist. Man sieht indeß doch schöne reiche Saaten, welche oft ganze Ebenen oder Rücken, meilenweit ohne etwas das den Anblick unterbricht, bedecken. Bei Verdun liegen einige sehr schöne Rebenhügel, worauf guter Wein wächst. Verdun ist kleiner als Chalons, aber ungleich schöner gelegen und besser gebauet. Die Festungswerke werden nicht mehr unterhalten. Die Stadt liegt auf Hügeln, die Citadelle sehr hoch. Die Maas fließt langsam mitten durch die Stadt. Die Wälle, die mit Linden und Hagebuchen herrlich bepflanzt sind, machen den schönsten Spaziergang; die Citadelle mit ihren hohen Wällen und Gräben, und schönen Gebäuden, der Fluß, die Stadt unter den Füßen – geben ein schönes Gemälde. In Verdun macht man berühmte Dragéen von allerlei Art. Der bischöfliche Pallast, das Hôtel de Ville und einige Kirchen sind in der That nicht übel.

Den 9ten Julius. Bis Mauheule kamen wir über ebenes, wogiges, schön bebautes Land. Die hohe Ebne ist schön gelegen. Hier giebt es keinen Weinbau, aber köstliche Wiesen und Äcker.

Von Mauheule bis zu dem Dorfe, wo wir zu Mittag aßen, hatten wir meistens dieselbe Gegend. Schönen Effekt machen in Lothringen die flachwinkeligen Dächer. Überhaupt sind die Dörfer hübsch, und es scheint Wohlstand unter den Leuten zu seyn. In Mauheule wollte man für ein Butterbrot nichts von uns nehmen.

Wir langten um halb drei Uhr in Metz an. Ungefähr anderthalb Lieues vorher kommt man durch eine tiefe Schlucht, welche zum Theil durch einen zwanzig bis dreißig Schuh hohen Steindamm ausgefüllt ist, über einen Bergrücken, an dessen jenseitigem jähem Absturz sich das weite schöne Moselthal öffnet. Hier zeigten sich viele schöne Dörfer in Gärten gelegen, Nußbäume, köstliche Rebengebirge ringsum: eine herrliche Aussicht auf die Mosel und Metz. In der Schlucht ein fester splittriger hornartiger Sandfels, darüber gelber Sandstein mit Austerschalen, die noch ihr Email hatten. Metz ist eine schöne große und gut gebauete Stadt. Das Gouvernement ist prachtvoll; der bischöfliche Pallast unvollendet. Um die alte Kathedralkirche gehen viele Alleen, Gräben und Wälle. Die Festung wird für die beste in Frankreich gehalten.

Quelle:
Georg Forster: Werke in vier Bänden. Band 2, Leipzig [1971], S. 867-869.
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