XXVI

[727] Amsterdam


In dem entnervenden Klima von Indien gewöhnen sich die Europäischen Eroberer nur gar zu leicht an Asiatische, weichliche Üppigkeit und Pracht. Treibt sie hernach das unruhige Gefühl, womit sie dort vergebens Glück und Zufriedenheit suchten, mit ihrem Golde wieder nach Europa zurück, so verpflanzen sie die Orientalischen Sitten in ihr Vaterland. Man sträubt sich zwar in Republiken eine Zeitlang gegen die Einführung des Luxus; allein der übermäßige Reichthum bringt ihn unfehlbar in seinem Gefolge. Wenn gleich nüchterne Enthaltsamkeit mehrere Generationen hindurch die Ersparnisse des Fleißes vervielfältigte, so kommt doch zuletzt das aufgehäufte Kapital an einen lachenden Erben, der über die Besorgniß hinaus, es nur vermindern zu können, die Forderungen der Gewinnsucht mit der Befriedigung seiner Sinne reimen lernt. Unglücklicherweise pflegt dieser Aufwand selten anders als barbarisch und geschmacklos zu seyn, da der Sinn des Schönen, wodurch der Luxus allein erträglich wird, eine frühzeitige Bildung voraussetzt, die dem Sohn eines kargen Reichen nicht zu Theil werden kann. Von dieser Seite hat die Ämsigkeit, wovon man hier so viele Beispiele sieht, der das Sammeln, statt bloßes Mittel zu bleiben, alleiniger engherziger Zweck geworden ist, etwas Empörendes; man erkennt an ihr zu deutlich den Übergang einer vereinzelten tugendhaften Gewohnheit durch ihr Extrem in das verwandte Laster, die Metamorphose der schönen, edlen Sparsamkeit in niedrigen, verächtlichen Geiz. In dieser traurigen Abgestorbenheit, die alle Verhältnisse des Menschen, bis auf das Eine mit seinem Mammon, gänzlich vernichtet, geht nicht nur die Möglichkeit der individuellen Ausbildung verloren sondern auch die Erziehung des künftigen Besitzers wird so sehr vernachlässigt oder verschroben, daß, wenn Temperament und Beispiel ihn in der Folge zum Prasser machen, sein Mißbrauch der ererbten Schätze genau so unmoralisch bleibt, wie es des Vaters Nichtgebrauch derselben war.

Ich mache diese Betrachtung, indem ich erwäge, welche unzählige Verbindungen von nie vorherzusehenden Ursachen[727] zur Entstehung eines Volkscharakters mitwirken können, und wie sehr man Unrecht hat, den späten Enkeln eine Schuld beizumessen oder auch ein Lob zu ertheilen, wovon der Grund vor Jahrhunderten in einer nothwendigen Verkettung der Umstände gelegt worden ist. Die Widerwärtigkeiten, womit die Holländer in früheren Zeiten zu kämpfen hatten, stärkten in ihnen den hartnäckigen Geist der Unabhängigkeit. Ihre Freiheitsliebe führte sie zu großen Aufopferungen; ihre Enthaltsamkeit ward ihnen zur andern Natur. Indeß alle Nationen Europens bereits einer Üppigkeit fröhnten, die, gleich einer ansteckenden Seuche, weder Geschlecht, noch Alter, noch Stand verschonte, blieben sie allein unangefochten von ihrem verführerischen Reiz, in rauher, unzierlicher, republikanischer Einfalt. Aber ihr Muth, der ihnen das reiche Batavia schenkte, ihr Handelsfleiß, dem alles Gold von Asien und Europa in der Hand zurückblieb, ihre Sparsamkeit selbst, die ihnen wehrte, die gesammelten Schätze wieder zu zerstreuen, bereiteten die jetzige Anwendung derselben vor. Jetzt befinden sich die Holländer in der Lage aller spät reifenden Völker; indem sie aus jenem vegetirenden Leben erwachen, sehen sie ihre Vorgänger in der Laufbahn des Genusses als Muster an, denen sie mit verdoppelten Schritten, oder vielmehr mit einem Sprunge, nacheilen wollen, und diese unglückliche Nachahmung stört sie in dem ruhigen Gange der ihnen angeeigneten Entwicklung.

Dem physischen und klimatischen Naturell der Holländer wie ihrem besonnenen Gemüthscharakter, ziemte die äußerste Simplicität; ihre Kultur durfte sich nie von dieser Grundlage entfernen; sie mußte lediglich darauf gerichtet seyn, dem Einfachen Eleganz und Größe beizugesellen. Der bunte, kleinliche Luxus der Mode, der glatte Firniß herzloser Sitten die wortreiche Leere der Ideen des Tages, stehen ihnen wie erborgte Kleider. Witz, Laune und Geist können unsere Aufmerksamkeit von diesen Mißverhältnissen des Welttons abziehen; ihr munteres Spiel kann wenigstens auf einige Augenblicke ergötzen, wenn schon nicht entschädigen für den Mangel an Schönheit und Harmonie; Französische Leichtigkeit endlich, scheint zu diesem Flitterstaate zu passen, wie Schmetterlingsflügel zum Schmelz der brennendsten Farbenkontraste.[728]

Bei anderen Nationen können zwar diese flüchtigen Blüthen des Französischen Charakters als einzelne Erscheinungen hervorsprossen; sie gehören aber nie zu dem specifischen Gepräge, womit die Natur und das Schiksal sie von einander ausgezeichnet haben. Allen Deutschen und Nordischen Völkern (fast möchte ich auch die Engländer mit einschließen) macht daher ihre Organisation und ihre ganze Geistesanlage einen edleren Ernst und eine überlegte Einheit des Betragens zur natürlichen Pflicht; jede Abweichung von dieser Norm bestraft sich selbst durch die davon unzertrennliche Lächerlichkeit, die niemanden so komisch auffällt, wie dem leichtsinnigen Volke, dessen Tracht und Manieren man ungeschickt nachahmen will. Selten wird ein Franzose sich die Zeit nehmen, den eigenthümlichen Werth des Deutschen, Holländischen und Englischen Nationalcharakters auszuforschen und anzuerkennen; kein Wunder also, wenn ihm auf den ersten Blick die meisten fremden Gesellschaften eine Ähnlichkeit mit einem Abderitischen Maskenball zu verrathen scheinen, wo niemand Talent und Versatilität genug besitzt, um dem gewählten Charakter gemäß seine Rolle zu spielen, sondern jeder treuherzig den ganzen Scherz darin sucht, hinter einer bedeutenden Larve ein Schafsgesicht zu verstecken.

Es ist nicht etwa eine neue Ketzerei, die ich da predige; von allem unserm Beginnen gilt die Regel, daß eigene Empfindung sich damit gleichsam identificiren muß, um es mit einer gewissen Würde zu stempeln. Die Religion selbst ist eben darum so tief herabgesunken, weil sie bei den meisten Menschen als ein bloß überkommenes Erbstück im Gedächtniß haftet und nicht bis ins Herz und aus dem Herzen wieder, als eine schöne Blume der individuellen Menschheit, an das Licht gedrungen ist. Die Wissenschaften werden verächtlich im Munde des Lehrers, der sie mechanisch erlernte, um sie mechanisch herzuleiern. Die Formeln des gesitteten Umganges ekeln uns an, wenn kein Gefühl des Schicklichen, keine wahre Achtung für die eigene und die fremde Moralität sie länger würzt, ob sie gleich ursprünglich daraus entstanden. Der nachgeahmte Luxus, der nicht mit originellem Kunstsinn bezeichnet ist, kann eben so wenig einen angenehmen Eindruck machen, wie jene Papageien- und Pudelkünste; er erscheint nie an seiner[729] rechten Stelle, und bleibt dort immer fremd, wo man ihn nicht erfand. Ich trete nur an den Putztisch des Frauenzimmers, um mir noch einen Belag zu dieser Wahrheit zu holen. Unsere Kleidermoden entlehnen wir von Frankreich, allein wer dieses Land je betreten hat, wird mir bekennen müssen, daß ihre Extravaganz und Unnatürlichkeit dort lange nicht so unerträglich scheinen, wie außerhalb seiner Gränzen. Wie wenig Sinn für das ächte, Einfachschöne der Natur man immer den Französinnen zugestehen mag – einen Sinn für das Passende und Gefällige des Anzuges wird man ihnen schwerlich abstreiten können. Sie sind gleichsam Eins mit ihrem Putz, und die Erfindung des Tages erhält unter ihren Händen das richtige Verhältniß zu ihren pesönlichen Reizen. Wenn hingegen eine fremde Tracht zu ihren Nachbarinnen herüberkommt, bringt sie fast immer das empörende Schauspiel einer unbedingten Nachahmung zuwege; im Theater, in den Assembleen, in den Concert- und Tanzsälen sieht man nur lebendige Puppen, die ohne die mindeste Rücksicht auf ihren verschiedenen Körperbau und ihre Gesichtszüge, mit völlig gleichförmigem Putz behangen sind.

Dieser Kontrast zwischen der erborgten Kleidung und der Gestalt so wie dem Charakter des Frauenzimmers, scheint mir hier noch auffallender als bei uns zu seyn und zuweilen an Karrikatur zu gränzen. Wir haben die schöne Welt von Amsterdam im Französischen Theater versammelt gesehen, welches hier auf Subskription von einigen der vornehmsten Häuser unterhalten wird, und wo niemand Zutritt haben kann, der nicht von den Theilnehmern Billets bekommt. Der Unterschied der Sitten zwischen diesem Publikum und jenem in dem Holländischen Schauspielhause zeigte schon, daß hier die erlesenste Gesellschaft versammelt war. Alle Mannspersonen waren sauber gekleidet, zum Theil reich geputzt, und niemand ließ es sich einfallen, den Hut aufzusetzen. Unter den Damen zeigte sich manches hübsche Gesicht, dem nur etwas von jener allgemeineren Belebung fehlte, die eine zarte, rege Empfänglichkeit verräth. In Amsterdam mag wohl nicht der Geist auf den Wassern schweben; er schwebte nicht einmal in dem Walde von Strauß- und Hahnenfedern, nicht in den Bändern, nicht in den Halstüchern, worin sich diese[730] schöne Nixen, wie in Wolken, hüllten. Ihre Schuld ist es indeß auch nicht, wenn sich überall der Ixion findet, der die Wolke für Juno selbst ansieht.

Zum Abstich laß Dir eine Erscheinung einer andern Art beschreiben: ein Mädchen, jung und schön, mit einem Teint von Lilien und Rosen, Lippen von Korall, gesunden schönen Zähnen und feinen, regelmäßigen Zügen des kleinen Mediceischen Kopfes; kurz, ein Geschöpf, als hätt' es Prometheus geschaffen – und seinen gestohlenen Feuerfunken mocht' es auch schon empfinden. Ihr Haar verbarg sie unter einer dicht anliegenden Kappe von feiner Gaze. Drei längliche, gebogene, goldene Spangen von getriebener Arbeit, die sich durch ihre Elasticität fest anschlossen, schienen diese Kappe am Gesicht fest zu halten; die eine ging über die Stirn hin und drückte sich nicht weit vom linken Schlaf ein; die beiden anderen lagen über den Ohren und knippen die vollen Wangen. In den Ohrläppchen hingen kleine viereckige Zierathen von Metall, wie kleine Vorhängeschlösser, und über beiden Schläfen, an den Augen hinab, spielten feine, spiralförmig gewundene Schlängelchen von Silberdrath. Um den Hals ging eine dicke Schnur von rothen Korallen, vorn mit einem goldenen Schlosse. Eine unförmliche Juppe von Kattun mit langen abstehenden Schößen und an den Ärmeln einem kleinen zusammen genähten Flügel; sodann die häßlichen, bauschigen Unterröcke und ein Paar Pantoffeln ohne Hackenstücke dazu, vollendeten den ganzen Anzug. Nicht wahr? man muß außerordentlich schön seyn, um es in diesem Wildenschmuck noch zu bleiben? Wäre diese Dirne einem Reisenden in Ost- oder Westindien begegnet, so hätte er ihren barbarischen Kopfputz einer Abbildung werth geachtet und über das Ungeheure und Abentheuerliche im Geschmack der ungebildeten Völker lang und breit disserirt; denn wir bedenken nie, wie ähnlich wir den Wilden sind, und geben diesen Namen sehr uneigentlich allem, was in einem anderen Welttheile nicht Parisisch gekleidet ist. In Alkmaar und Enkhuisen, und überhaupt in Nordholland, ist die Tracht dieses Mädchens allgemein üblich. Wir sahen sie in dem durch Peter den Großen so berühmt gewordenen Sardam, wo sonst die Weiber über die gewöhnliche Holländische Kleidung mit schwarz seidenen[731] Nonnenkappen erscheinen, die hinten und vorn den Hals und die Schultern bedecken und wunderhäßlich aussehen.

Sardam oder Zaandam, wie es sonst eigentlich heißt, verdienet so wenig wie der Haag ein Dorf genannt zu werden; es ist ein großer Flecken, der allmälig zur Größe einer Stadt herangewachsen ist und seine eigene Regierung hat. Die Einwohner sind auch nichts weniger als Bauern, wofür man sie gewöhnlich auszugeben pflegt, sondern reiche Kapitalisten, Schiffbaumeister, Handwerker aller Art und Arbeiter in den unzähligen Fabriken, Werften und Mühlen. Der Ort ist überaus niedlich und reinlich; fast ein jedes Haus mit seinem Gärtchen ist eine Insel und wird von einem Kanal umflossen. Da indeß das Wasser in diesen Kanälen jederzeit mehr oder weniger stockt, so halte ich die Luft hier keinesweges für gesund. Die Straßen sind äußerst sauber und regelmäßig mit kleinen Backsteinen gepflastert; es ist aber dessen ungeachtet von der übertriebenen Reinlichkeit keine Spur, worin, wie man uns versichert hatte, Sardam mit dem schönen Dorfe Broek übereinkommen soll. Broek wird von reichen Kaufleuten aus Amsterdam bewohnt, die dort der ländlichen Ruhe genießen und nur – noch täglich auf der Börse erscheinen. So ein Holländischer Alfius hat also, wie Du siehst, noch über den Römischen zu raffiniren gewußt und verbindet das Landleben mit dem Aktienhandel, da Horaz dem seinigen nur die Wahl läßt:


jamjam futurus rusticus,

omnem redegit Idibus pecuniam;

quaerit Calendis ponere.


Dort soll man wirklich die Schuhe ausziehen müssen, ehe man durch die Hinterthür in den Tempel der Holländischen Reinlichkeit eingelassen wird; dort sind die Häuser und die Bäume mit bunten Farben bemalt; die Eigenthümer selbst genießen die altmodigen Herrlichkeiten nicht, die sie dort angehäuft haben, und – sonderbar genug! – sie wissen nicht einmal von jenem Genusse der Ostentation, die so gern mit ihren Schätzen prunkt; das Bewußtseyn, sich einen solchen Raritätenkasten erbaut zu haben, genügt ihnen so vollkommen, daß ein Fremder selten Erlaubniß erhalten kann, seine Neugier[732] darin zu befriedigen. Um sie her herrscht eine Todtenstille; kein lebendiges Geschöpf darf sich dem Dorfe nähern, aus Furcht es zu verunreinigen; alle Thüren sind verschlossen, die kostbaren Vorhänge tief herab gesenkt, und nichts regt sich, außer dem Wucherer, der im verborgensten Kämmerchen in seinem Golde scharrt.

Wir nehmen diese Beschreibung auf Treu' und Glauben; denn es bleibt uns keine Zeit übrig, uns durch eigene Erfahrung von ihrer Richtigkeit zu überzeugen. In Sardam, wie gesagt, geht es mit Menschen und Thieren so natürlich zu, wie in der übrigen Welt. Die Häuser sind nach Maaßgabe der Bewohner sehr verschieden; ich habe sehr ärmliche, hölzerne Hütten und große steinerne Häuser gesehen; breite Straßen und enge Gäßchen; einfache und mit Farben angestrichene Bäume, und einen Wald, oder, mit dem Ritter von la Mancha zu reden, eine Armee von beinahe zweitausend Windmühlen, worin alles, was nur durch diese Vorrichtung bereitet werden kann, bis zur Übersättigung der Wißbegierde fabricirt wird. Der Schiffbau ist noch jetzt ein wichtiger Zweig der hiesigen Betriebsamkeit, wiewohl er seit einiger Zeit sehr abgenommen hat. Die Einwohner, oder eigentlich der Pöbel von Sardam, besteht großentheils aus so genannten Patrioten, die sich während der letzten Unruhen geweigert haben, für die Prinzlichgesinnten zu arbeiten und jetzt, zur Strafe, von diesen keine Arbeit bekommen. Das Häuschen, wo der Schöpfer der Russischen Despotie gewohnt hat, ist winzig klein und mit einem ärmlichen Hausrath versehen. Seine Schlafstelle ist in der Wand angebracht, und ich glaube nicht, daß seine lange Figur darin hat ausgestreckt liegen können. Man zeigt den Fremden sein éloge historique, Französisch gedruckt, sein Bildniß in Kupferstich, das jemand aus Paris hieher geschenkt hat, und eine kleine goldene Denkmünze, etwa funfzehn Dukaten schwer, ein Geschenk der jetzigen Russischen Kaiserin. Es ist merkwürdig genug, daß dieser außerordentliche Mann gerade das aus seinem Staate gemacht hat, was er hat machen können und wollen. Eine andere Frage ist wohl, ob es nicht zu wünschen wäre, er hätte etwas anderes gewollt und gekonnt? Rußland hat nun eine Marine – aber hat es auch Sitten? Damals war vielleicht so etwas zu versuchen; jetzt[733] dürfte selbst Peters große Nachfolgerin die Aufgabe nicht mehr ausführbar finden; denn die feine Verderbniß der neuesten Kultur auf den rohen Stamm der Barbarei geimpft, ist nur ein Hinderniß mehr. –

Wenn auf der einen Seite die Verminderung des Holländischen Handels, die Stockung des Geldumlaufes, die Einführung des Luxus und die Erschlaffung der vaterländischen Sitten ein trauriges Bild der Vergänglichkeit menschlicher Einrichtungen und des unausbleiblichen Verfalles der Reiche im Gemüth des Beobachters zurücklassen; so giebt es doch auch Gegenstände in Amsterdam, die zu erfreulicheren Betrachtungen Anlaß geben und den Zeitpunkt der gänzlichen Auflösung so weit in die dunkle Zukunft hinauszurücken scheinen, daß die Einbildungskraft wieder Feld gewinnt, sich noch ein blühendes Zeitalter der Republik, wenn auch nicht in politischer Hinsicht, so doch mit Beziehung auf die Privatglückseligkeit der Einwohner, als Resultat einer höheren Kultur und eines geläuterten Geschmackes, mit frischen Farben auszumalen. An Mitteln zur Erreichung dieses Endzweckes wird es nicht fehlen, wenn auch der Handel noch ungleich größere Einschränkungen leiden sollte; die Zinsen der bereits angelegten Kapitalien sind fast allein hinreichend, die Einwohner zu ernähren. Im Jahr 1781 hatten sie nicht weniger als achthundert Millionen Gulden in Europa ausgeliehen. Die ungleich größeren Summen, die im Waarenhandel oder in den kostbaren Anlagen unzähliger Fabriken sich verinteressiren die Fonds, womit die Wallfisch- und Heringsfischereien betrieben werden, die der Ost- und Westindischen Compagnien die eigenen Staatsschulden der vereinigten Niederlande, endlich der Ertrag des Erdreiches, wovon ich nur beispielsweise anführen will, daß Nordholland allein auf den drei Märkten von Alkmaar, Hoorn und Purmerend, in einem Durchschnitt von sieben Jahren, jährlich an Käse vierzehn Millionen Pfunde verkauft hat, – machen zusammen eine Masse von Reichthum aus, wobei es den Niederländern, und sollte sich ihre Anzahl auch auf drittehalb Millionen belaufen, um ihre Existenz nicht bange werden kann.

Es fällt aber auch in die Augen, daß seit einigen Jahren die Wissenschaften und Künste in Holland und insbesondere in[734] Amsterdam merkliche Fortschritte gemacht und von den reichen Kaufleuten außerordentliche Unterstützung genossen haben. Die öffentliche Lehranstalt, das so genannte Athenäum, welches seit anderthalb Jahrhunderten mit verdienstvollen Männern besetzt gewesen ist und dem Staate manchen vortreflichen Kopf gezogen hat, zeichnet sich noch gegenwärtig sowohl durch seine nützlichen Institute, als durch geschickte Lehrer in allen Fächern aus. Das schöne anatomische Kabinet, welches Hovius sammelte, steht jetzt unter der Aufsicht des gelehrten Professors Bonn. Der botanische Garten, wo ehedem Commelin die Wissenschaft so sehr bereicherte, ist gegenwärtig dem nicht minder berühmten Burmann anvertraut, der sein thätiges Leben gänzlich der Erhaltung seiner Mitbürger weiht und vom frühen Morgen an, bis in die Nacht, die einzige Stunde des Mittagsessens ausgenommen, seine Kranken besucht. Dies ist das Loos aller hiesigen Ärzte von einigem Ruf und insbesondere des als Physiker so allgemein geschätzten Dr. Deiman, dem man die neuerlichen pneumatisch-elektrischen Experimente verdankt. Die ungesunde Lage von Amsterdam und die starke Bevölkerung kommen zusammen, um die Zahl der Kranken, zumal in den Sommermonaten, hier so stark heranwachsen zu lassen, daß ein Arzt, der sehr en vogue ist, mehrmal im Tage Pferde wechseln muß. Unter den Gelehrten, die wir hier kennen lernten, nenne ich mit wahrer Achtung einen Wyttenbach, dessen philologische Verdienste man auch bei uns und in England zu schätzen weiß, einen Nieuwland, dessen Bescheidenheit noch größer ist, als das auszeichnende Genie, womit er sich selbst zum Mathematiker und Sternkundigen gebildet hat, endlich den würdigen Cras, der mit der Jurisprudenz eine so ausgebreitete als gründliche Belesenheit in vielen anderen Zweigen der Litteratur, eine allgemeine humane Theilnahme an allem, was unserer Gattung frommen kann mit dem gebildetsten Ton, und wahre Gastfreundschaft mit dem Wohlstand, der sie möglich macht, ohne Anmaßung verbindet. Ich könnte Dir noch den wackern Hieronymus de Bos rühmen, dem die ernsthaften Beschäftigungen eines Geheimschreibers (Clerk) der sechs und dreißig Rathsherren den feinen Sinn für Römische Dichtkunst nicht benommen haben; ich könnte[735] lange bei dem wunderschönen Kabinet des Schatzmeisters der Ostindischen Compagnie, Herrn Temminck, verweilen und Dir die unnachahmliche, anderwärts noch nie erreichte Vollkommenheit in der Kunst die Vögel auszustopfen, anschaulich zu machen suchen; ich könnte Dir die Menge und Schönheit der neuen Gattungen von Vögeln rühmen, womit der edle Sonderling, le Vaillant, diese Sammlung seines ersten Wohlthäters und Beschützers bereichert hat; allein es ist Zeit, daß ich noch mit einigen Zeilen eines Instituts erwähne, welches vielleicht nur in Amsterdam so schnell entstehen und zur Reife gedeihen konnte, – ich meine das prachtvolle Felix meritis.14

Vor ein paar Jahren hatten einige der reichsten Einwohner von Amsterdam den Gedanken, für die wissenschaftliche Bildung und die Erweckung des Kunstsinnes unter ihren Mitbürgern zu sorgen. Jene Leere, welche dem Kaufmann, nach vollbrachter Arbeit, in seinen Nebenstunden bleibt, sollte nun ausgefüllt und sein Kopf mit Ideen bereichert werden, die zum Glück des Lebens so viel mehr als todte Schätze beitragen können und um deren Erwerb die vorige Generation sich gleichwohl so wenig bekümmert hatte, daß auch die jetzige ihren Mangel noch nicht hinlänglich fühlte. Die Beschaffenheit des Unterrichtes sollte zu gleicher Zeit für das Bedürfniß des schönen Geschlechtes berechnet seyn, und indem man dieser empfänglicheren Hälfte unserer Gattung die Quellen der Erkenntniß er öffnete, glaubte man mit Recht auf eine dreifache Art für die Männer zu sorgen, theils durch Erweckung eines edlen Wetteifers zwischen beiden Geschlechtern, theils weil man ihrem häuslichen Glück durch die Vervollkommnung ihrer Gattinnen und Töchter zu vernünftigen und wohlunterrichteten Gesellschafterinnen einen wesentlichen Zuwachs verschaffte, theils aber auch, indem man die ersten Erzieherinnen der künftigen Generation mit zweckmäßigen Kenntnissen ausrüstete und ihre Urtheilskraft schärfte und übte. Man umfaßte die ganze Masse der Belehrung, deren man zu bedürfen glaubte, in den fünf Klassen der Philosophie,[736] der Mathematik, der schönen Wissenschaften, der Tonkunst und der Zeichenkunst. Zur Philosophie rechnete man Naturkunde, Physik und Chemie, so wie zur Mathematik noch die Sternkunde. Die Ausführung dieses Planes war dem Umfange und der Bestimmung desselben, so wie der Stadt und des Publikums würdig. Eine Million Gulden – ich sage noch einmal: eine Million Gulden! – wurden zusammengeschossen, und an der Heerengraft, der vornehmsten Straße in der Stadt, erhob sich ein prächtiger Bau, durchaus zu diesem Endzweck eingerichtet, an dessen Fronton der Sinnspruch der Gesellschaft: Felix meritis, in großen goldenen Buchstaben prangt. Jede Klasse hat hier ihre eigenen Säle und Zimmer, ihre Instrumente und anderweitigen Erfordernisse. Der Concertsaal ist eine schöne Rotunde, die beinahe neunhundert Menschen enthalten kann und wo das Orchestra nebst den Öfen und Luftzügen dem Baumeister vorzüglich Ehre macht. Der Saal, wo man nach lebendigen Modellen zeichnet, hat ebenfalls eine zweckmäßige Einrichtung und Beleuchtung. Das physikalische Kabinet und die Sternwarte im obersten Stock waren noch nicht fertig; überall aber herrschte Vollständigkeit, Eleganz und reiner Geschmack. Die gelehrten Mitglieder bezeigen ihren Eifer durch die Vorlesungen, die sie zur Belehrung der anderen halten. Einen schöneren Bund der Menschen als diesen kann man sich nicht denken, wo jeder in die gemeinschaftliche Masse bringt, was er auf seinem Wege fand, es sei nun Gold oder Wissenschaft. Die Anzahl der Interessenten soll sich gegenwärtig beinahe auf eintausend belaufen.

Wie ungeduldig oder wie spöttisch würde man bei dieser Erzählung in vielen Gesellschaften fragen, ob denn dieses Institut gar keine Mängel habe? Es ist so leicht, indem man tadelt, einige Kenntnisse geltend zu machen, daß man gewöhnlich zuerst an allen Dingen das Fehlerhafte hervorsucht und darüber oft ihre wesentlichen Vorzüge vergißt; recensiren und tadeln sind daher im Wörterbuche manches jungen Gelehrten vollkommene Synonymen. Ich gebe zu, daß eine strenge Prüfung auch hier verschiedene Gebrechen entdecken würde; allein ich kann mir jetzt den Genuß nicht schmälern lassen, den ein so lebhafter Enthusiasmus für das Gute gewährt. Man[737] nannte uns einige demokratisch gesinnte Kaufleute als die Hauptstützen dieses Unternehmens. Die heitere Aussicht in die Zukunft, welche diese Anwendung ihrer Kapitalien ihnen eröffnet, sollte ihnen das traurige Andenken an ihre mißlungenen politischen Plane aus dem Sinne schlagen helfen. Es kann nun gleichgelten, welche Partei das Recht auf ihrer Seite hatte: das erste Bedürfniß des Staates ist die Aufhellung der Begriffe und Läuterung des Geschmackes; denn nur auf diesem Wege wird ein richtiges Urtheil über das wahre Interesse des Bürgers möglich. Unwissenheit ist der große allgemeine Unterdrücker aller gesellschaftlichen Verträge, und diesen zu stürzen durch sanfte, wohlthätige Verbreitung des Lichtes der Vernunft, ist fürwahr die edelste Rache.

Reine Vaterlandsliebe kann überall nur das Eigenthum einer geringen Anzahl von Auserwählten seyn und in unseren Zeiten, wo auf der einen Seite blinde Anhänglichkeit an altes Herkommen, auf der andern tiefes Sittenverderbniß und vermessene Neuerungssucht herrschen, wäre es kein Wunder, wenn diese erhabene Tugend beinahe gänzlich ausgestorben schiene. Der Kampf des unvernünftigen Vorurtheils mit aufgeblasenem Halbwissen bringt überall der wahren Bildung der Nationen mehr Schaden als Gewinn, und hält die Menschheit vom Ziele ihrer Vervollkommnung entfernt. Ohne die zarteste Reizbarkeit des moralischen Gefühls kann die Entwickelung der übrigen Geisteskräfte genau so gefährlich werden, als ihre Vernachlässigung es bis dahin gewesen ist, die Ertödtung aber jenes Gefühls, diese unverzeihliche Sünde des religiösen und politischen Despotismus, der die Menschheit in den Ketten der mechanischen Gewöhnung gefangen hält, bereitet jene furchtbaren Zerrüttungen vor, die von der jetzigen Art der Fortschritte im Denken unzertrennlich sind. In Holland hält die Orthodoxie gebunden, was die freiere Staatsverfasung vor weltlicher Übermacht beschützte. Natürlicherweise ging daher das Bestreben der wenigen redlich gesinnten Patrioten auf die Befreiung des Volkes vom schweren Joche der Meinungen; sie wünschten den Einfluß der orthodoxen Geistlichkeit zu vermindern und den Zeloten unter ihnen Schranken zu setzen. Allein diesen uneigennützigen Charakter konnte die Partei nicht beibehalten, sobald sie das Süße[738] der Herrscherrolle gekostet hatte; um die Oberhand, um das Ruder im Staate, galt der Kampf, und eine Aristokratie wollte die andere vertreiben. Im Taumel des Sieges hätte man die Stimme der Mäßigung nicht gehört und manchen willkührlichen Schritt gethan, die Herrschaft der Vernunft zu erweitern, die gleichwohl nur über freiwillige Untergebene gebieten kann. Der Hof kannte die Macht der Geistlichkeit über die Majorität der Gemüther; er wußte sich diese Stütze zu sichern und gab dadurch einen Beweis von Regentenklugheit, den man nur deshalb weniger achtet, weil er nicht ungewöhnlich ist. Thörichter kann in der That kaum eine Forderung seyn, als diese, die man jetzt so oft machen hört, daß in einem Zeitpunkt, wo Eigennutz und Privatinteresse mehr als jemals die Götter des Erdenrundes geworden sind, gerade die Fürsten der Lieblingsneigung des menschlichen Herzens, der Herrschsucht, und den Mitteln, wodurch sie ihrer Befriedigung sicher bleiben, freiwillig entsagen sollen.

Die Vernunft der Wenigen, die ein Herz sie zu wärmen hatten, ist auch hier zu der edlen Reife gediehen, die sich selbst genügt, still und ruhig wirkt, auf Hoffnung säet und mit Vertrauen harrt. In schwächeren Köpfen gährt und braust der Reichthum neuer und heller Begriffe mit den ungezähmten Leidenschaften, und gebiert riesenhafte Entwürfe, wilde Schwärmerei, ungeduldigen Eifer. Das Volk ist nirgends, mithin auch hier nicht, reif zu einer dauerhaften Revolution weder der kirchlichen noch der politischen Verfassung; überall fehlt das Organ, wodurch der Geist der Gährung in dasselbe übergehen, sich mit ihm verbinden und eine gemeinschaftliche, vorbereitende Stimmung bewirken soll; überall scheitern die Versuche, sowohl der namenlosen Ehrgeizigen, als der größten Menschen, eine neue Ordnung der Dinge einzuführen. In Holland herrscht noch die intolerante Synode von Dordrecht, und ein Hofstede darf ungestraft verfolgen, verurtheilen und verfluchen. Selbst in England wagt es die gesetzgebende Macht nicht mehr, seit Gordons Aufruhr zu Gunsten der bedrückten Religionsparteien etwas zu unternehmen. Was Friedrich der Große und Joseph der Zweite in ihren Staaten der Vernunft einräumen wollten, wird entweder von ihren Nachfolgern vorsichtig zurückgenommen[739] oder von ihren Unterthanen ungestüm vernichtet. Hier müssen allmälig Religionsedikte und Katechismusvorschriften erscheinen; dort (in Brabant) wiegelt der Clerus das Volk zur Empörung auf und usurpirt die Rechte des Regenten. In Italien versinkt die Synode von Pistoja in ihr voriges Nichts; am Rhein wird an Josephs Sterbetage die Emser Punktation zerrissen. Spanien und Portugal schlafen noch den Todesschlaf der betäubten Vernunft; und ob in Frankreich die Heiligkeit der Hierarchie versinken wird vor der größern Heiligkeit des Staatskredits, liegt noch vom Schleier der Zukunft tief verhüllt. Diese allgemeine Übereinstimmung ist nicht das Werk des Zufalls: eine allgemeine Ursache bringt sie hervor; und warum wollten wir der Politik den Sinn absprechen, die Zeichen der Zeit zu erkennen? Warum wollten wir von der Weisheit der Kabinette verlangen, daß sie eher das unmündige Menschengeschlecht sich selbst überlassen sollte, als jene unverkennbare Majestät der Wahrheit hervorleuchtet, gegen welche die Willkühr ohnmächtig und ihr Widerstand eitel ist?

Eine ganz andere Frage ist es aber, ob die herrschende Partei in allen Ländern und von allen Sekten weise handelt, ihre Übermacht noch jetzt in ihrem äußersten Umfange geltend zu machen, oder ob es nicht räthlicher wäre, zu einer Zeit, wo sie noch mit guter Art Concessionen machen kann, dem Genius der Vernunft ein Opfer zu bringen? Es sei die Bewegung, die einmal entstanden ist, auch noch so schwach, so ist sie doch durch keine Macht mehr vertilgbar. Vom Druck erhalten Parteien und Sekten ihre Spannkraft; der Widerstand erhärtet ihren Sinn, die Absonderung giebt ihnen Einseitigkeit und Strenge; Mißhandlung macht sie ehrwürdig; ihre Standhaftigkeit im Leiden flößt Enthusiasmus für sie ein; ihre Kräfte, extensiver Wirksamkeit beraubt, wirken in ihnen selbst subjektive, romantische Tugend. Alsdann bricht plötzlich ihr Feuer unaufhaltsam hervor und verzehrt alles, was sich ihm widersetzt. Die Revolutionen, welche gewaltsamer Druck veranlaßt, sind heftige, schnelle, von Grund aus umwälzende Krämpfe, wie in der äußern Natur, so im Menschen. Es ist unmöglich, dem Zeitpunkt einer solchen Veränderung zu entgehen; allein ihn weit hinaus zu rücken, bleibt das Werk[740] menschlicher Klugheit, welche die Gemüther durch Nachgiebigkeit besänftigt und, wo sie nicht überreden kann, wenigstens den Zwist vermeidet, der die unausbleibliche Folge einer unbilligen Behandlung der Andersgesinnten ist.

Die in Holland wieder hergestellte Ruhe hat unläugbare, wohlthätige Folgen für seine innere und äußere Betriebsamkeit hervorgebracht; man hat einem zerrüttenden Bürgerkriege vorgebeugt, dessen Ausgang ungewiß war, der aber in dem jetzigen Zeitpunkt, wo England ohnehin schon allen Aktivhandel an sich reißt, unheilbare Wunden geschlagen hätte. Wie sehr ist es nicht bei dieser guten Wendung der Sache zu bedauern, daß die siegende Partei keine Schonung kannte, sondern sich vielmehr für berechtigt hielt, die beleidigte zu spielen und die Hälfte der Nation für ihre – Meinungen zu bestrafen! Meinungen, in so gleichen Schalen gewogen, daß eine Nation sich ihrentwegen in zwei beinahe gleich starke Hälften theilt, können ohne Ungerechtigkeit keiner von beiden zum Verbrechen gedeutet werden. Man hatte nun einmal auf beiden Seiten das Schwert gezogen für etwas – wie chimärisch es immer sei – was man für Freiheit hielt. Besiegt zu werden und den Irrthum eingestehen zu müssen, ist unter solchen Umständen schon Strafe genug; hier eine desto empfindlichere Strafe, je gewisser die besiegte Partei durch ihre entschiedene Mehrheit ihren Endzweck zu erreichen hoffen durfte, wenn eine fremde Dazwischenkunft nicht der Schale gegen sie den Ausschlag gegeben hätte. Allein die Rachsucht der Sieger hat in Holland dreihundert der angesehensten Familien zu einer freiwilligen Verbannung aus ihrem Vaterlande gezwungen; fünfhundert andere hat die Entsetzung von den Ämtern, die sie bisher bekleideten, zu Grunde gerichtet. In Friesland geht die Verbitterung noch ungleich weiter und die häufigen Confiscationen, wären sie auch nur Wiedervergeltungen für den von den Patrioten zuvor verübten Mißbrauch ihrer Übermacht, erhalten doch dadurch, daß sie nach geschlossenem Frieden, gleichsam mit kaltem Blute vorgenommen werden, einen gehässigeren Anstrich. Auch ist das Feuer, das vorhin aufloderte, noch keinesweges gedämpft; es glimmt überall unter der Asche und wird durch jede neue Mißhandlung der Patrioten genährt. Das[741] Andenken an empfangene Beleidigungen ist im Busen des Niederländers beinahe unvertilgbar; der tiefe, mit ihm alternde Groll ist von seinem Charakter unzertrennlich und, wie schon andere mit Recht erinnert haben, in seiner ganzen Organisation gegründet. So tief wird schwerlich ein anderer Europäer gekränkt, wie man einen Holländer kränken kann. Diese Kränkungen sind die unzerstörbaren Keime einer neuen Revolution, die nach einem Jahrhundert vielleicht erst reifen wird; allein auch alsdann noch wird die Rache den Kindern der Unterdrückten zurufen: »man schonte eurer Väter nicht!«

14

Der Sinnspruch, der die Interessenten dieses Unternehmens vereinigte und womit sie auf das Glück anspielten, welches wissenschaftliche Verdienste gewähren, ist zugleich der Name des Instituts geworden.

Quelle:
Georg Forster: Werke in vier Bänden. Band 2, Leipzig [1971], S. 727-742.
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