Drittes Buch

In einem Gemisch von Bangigkeit und Ueberraschung begrüßte Luise ihren Gast, mehr kalt als würdig; er hingegen maß sie mit einem seltsam lächelnden Blick, der sich gleich darauf unter den schönsten Wimpern senkte, und dem beweglichen Mienenspiel einen Anflug von bescheidner Zurückhaltung gab. Julius Augen ruheten forschend auf Luisen. Er fürchtete jedes störende Gefühl in ihrer Seele und eben deshalb ihr Mißfallen über Fernandos Ankunft. Allein sie verbarg alles was in ihr vorging unter einer scheinbaren Gleichgültigkeit, und beschäftigte sich angelegentlich bei dem Theetisch, den man vor den Kamin gestellt hatte. Fernando setzte sich ihr gegenüber; die Unterhaltung blieb einsilbig. Julius fühlte wohl, daß sein gewandter Freund leise auftrat, um erst den herrschenden Geist seiner Umgebungen aufzufassen; er suchte ihn daher durch die Frage: was ihn so schnell zu einer Reise nach Deutschland bewogen habe? mehr auf sich selbst zurück, und zugleich[91] einen Gegenstand herbeizuführen, über welchen beide öfter schon mit vieler Laune gestritten hatten. Sonst, fuhr er fort, lag Dir solch ein Gedanke sehr fern; Berlin und Novazembla stellten sich Dir ziemlich unter einem Bilde dar. Du hast unmöglich, erwiederte Fernando ernsthaft und mit weicher Stimme, Du kannst keinen Begriff von einem Gemüth haben, was ewig zu suchen und nie zu finden verdammt ist. Luise sah ihn zum erstenmal genauer an. Er hatte sich etwas vorgebeugt, so daß die Flamme aus dem Kamin einen hellen Schein auf sein Gesicht warf und den Glanz seiner Augen erhöhte. Mich, fuhr er fort, schleudert das Schicksal vielleicht noch durch ganz Europa, indeß Dich das schönste Glück gefesselt hält. Ein Loos wie das Deinige könnte mich auf ewig mit mir selbst entzweien, da ohnehin die Täuschungen der Jugend immer schneller und gedrängter an mir vorübergehn! Seit Wien –? fragte Julius lächelnd. O mein Gott! rief jener, aufspringend, solche Erinnerungen können wohl niemand bis hieher begleiten, am wenigsten finden sie in diesem Zimmer Raum. Luise blickte unwillkührlich auf. Dasselbe zweideutige Lächeln schwebte um seinen halbgeöffneten Mund und wandte sie schnell wieder von ihm ab. Ueberall, fuhr er fort, sie scharf ins Auge fassend, möchte ich die Vergangenheit unberührt[92] lassen, sie paßt nicht zur Gegenwart, und ich will in dieser gern ganz und ungetheilt leben.

Luisens Verlegenheit ward jetzt noch vermehrt, da man Julius abrief und sie nun allein mit dem gefürchteten Fremden blieb. Es fiel ihr schwer aufs Herz, daß solche Augenblicke oft wiederkehren und sie der peinlichsten Unruhe aussetzen würden. Sie beschloß daher bei sich, noch diesen Abend die Baronin dringend zu einem Gegenbesuch einzuladen, und die dortige bunte Welt um sich zu versammeln. Fernando weidete sich schweigend an der Verwirrung, die über ihr ganzes Wesen ausgegossen war. Er sah wohl, daß sie auf eine gleichgültige Anrede sann, die das Gespräch anknüpfen sollte; er wußte eben so wohl, daß es ihm ein kleines Wort kostete, um dieses in den Gang zu bringen; allein er sah ruhig zu, wie sie die Tassen hin und her rückte, übermäßig Zucker hineinschüttete, für weit mehr Menschen Thee eingoß, als ihr kleiner Cirkel in sich faßte und endlich höchst trocken fragte: ob er den deutschen Maler schon lange kenne, da er ihn sich zum Reisegefährten gewählt habe? Ich kenne, erwiederte Fernando, die Menschen entweder gar nicht, oder sehr lange. Sie gehn unbemerkt neben mir hin, oder ein unwiderstehlicher Zug reißt mich ihnen nach; dann schließt sich meine ganze Seele auf, und strömt wie[93] eine Feuerfluth in die ihrige über, so daß ich sie plötzlich durchdringe und kenne. – Er hatte sich Luisen genähert und faßte ihre Hand, die spielend das siedende Wasser in den Theetopf tröpfeln ließ. Ich bitte Sie, fuhr er fort, schöne Gräfin, vergessen Sie es nicht, daß ich ein Fremdling in ihrem Norden bin, messen Sie mich nicht mit dem gewohnten Maßstab Ihrer einmal angenommenen Weise. Die deutschen Frauen, sagt man, sind sehr ernst und an einen ruhigen, besonnenen Umgang gewöhnt; übersehen Sie daher die Funken, die bei der leisesten Berührung aus diesem glühenden Innern sprühen, und denken Sie darum nicht nachtheiliger von mir als – Julius trat herein. Ich habe, fuhr er fort, diesem die andre Hand reichend, nur kurze Zeit in einem Familienkreis verlebt und wenige Erinnrungen aus meiner Kindheit von so friedlichen Augenblicken gerettet; allein sie wollen hier wieder erwachen, und ich bitte zwei gute Menschen, mich auf eine Zeitlang in ihre Mitte aufzunehmen. Julius umarmte ihn gerührt; Luise sagte mit unsichrer Stimme; sie wünsche, daß er sich in den einförmigen Umgebungen gefallen könne, und eilte dann in ihr Cabinet, folgende Zeilen an Emilien zu schreiben.

»Sie ahnden schwerlich, daß ich Ihnen aufs neue den Nahmen jenes berüchtigten Fremden nennen,[94] und Sie von dessen plötzlicher Erscheinung benach richtigen will. Er ist wirklich hier, und was noch mehr ist, gesonnen, lange hier zu bleiben. Sein Anblick hat den Eindruck nicht verwischen können, den sein früher aufgefaßtes Bild in mir zurück ließ. Ich weiß es nicht, warum mir alles, auch das Einfachste in ihm, zweideutig und falsch erscheint; allein in dieser Stimmung muß ich befangen und wir alle drei müssen in einem gespannten Verhältniß bleiben. Vielleicht wirkt er auf Andre günstiger, vielleicht sehe ich auch hier in mei ner Einsamkeit zu ängstlich auf ihn und lasse mich von Kleinigkeiten stören, die sonst wohl unbemerkt hingingen. Ich wage es daher, liebe Emilie, Ihre Mutter an die Erfüllung ihres Versprechens zu erinnern, und erwarte Sie mit allen Ihren Gästen in diesen Tagen auf dem Falkenstein. Sagen Sie ihr, daß ich, an die Leitung der besten Mutter gewöhnt, ihrer feinen Gewandtheit und Weltkenntniß bedürfe, um eine schickliche Haltung zu gewinnen, und daß ich sie dringend bitte, mir den Beistand nicht zu versagen, den sie mir so mütterlich zugesichert habe.

Leben Sie wohl, beste Emilie. Empfehlen Sie mich Ihrer gelehrten Welt und dem guten Carl, wenn er noch bei Ihnen ist. Vergessen Sie auch nicht, den Maler mitzubringen, der Fernando vielleicht am besten unter uns allen kennt.«[95]

Als Luise siegelte, hörte sie im Hofe ein italienisches Lied singen; gleichwohl war Julius mit seinem Freunde im Nebenzimmer. Francesca – dachte sie, und sprang zum Fenster. Ein finstres, ältliches Gesicht sah ihr zwischen zwei Mantelsäcken entgegen, die Fernandos Bedienter auf beiden Schultern geladen, dem Hause singend entgegen trug. Sie holte tief Athem. – Warum auch nicht? fragte sie beschämt. Warum? – wiederholte sie heftig – welche Unschicklichkeit! wenn er hier – – Sie mochte den Gedanken nicht festhalten, und eilte zu ihrem kleinen Geschäft zurück. Julius unterbrach sie auf's neue, indem er sie freundlich erinnerte, Fernando nicht so geflissentlich zu meiden, was ihn nothwendig verletzen müsse. Sie machte ihn darauf mit ihrem Vorhaben bekannt, mehrere Menschen um ihren Gast zu versammeln, der ohnehin wohl die deutsche Häuslichkeit sehr todt finden werde. Julius war es gern zufrieden, worauf sie beide in den Saal zurückgingen.

Fernandos lebendiger Sinn durchbrach sehr bald die Schranken überlegter Zurückhaltung, die er sich für den Augenblick selbst gezogen hatte. Er konnte den gewohnten Gang der Unterhaltung, den ruhigen Strom der Worte, die in gegenseitiger Mittheilung still hinfließen, und in ihrem Lauf Gedanken und Gefühle allmählig entwickeln; er[96] konnte das nicht ertragen, ohne wie ein ungeduldiges Kind einen Stein hinein zu werfen, daß die Wellen kreisend über einander schlugen und sich alles verwirrte. Ueberdem wußte er, daß solch plötzliches Unterbrechen, solch gewagter Wurf oft die klarsten Gemüther befängt, und man bei kühnem Vordringen leicht den Platz einnimmt, den man behaupten will. Er ließ sich daher von seiner Phantasie ungestört forttragen, und bemerkte nicht ohne innre Lust Luisens Kampf, mit dem sie gegen das Feuer seiner Unterhaltung anstritt, um sich vor sich selbst in ihrer angenommenen Kälte zu behaupten.

Als sie am folgenden Abend bei dem Wasserfall nicht weit vom Schlosse saßen und sich alle Drei unwillkührlich in das stille Rauschen verloren, ohne die innren Gefühle laut werden zu lassen, sagte Julius endlich: Du hast uns immer noch so wenig von Deinem eignen Leben erzählt, lieber Fernando, und dennoch ist es sicher reich an merkwürdigen Begebenheiten. Mein Leben? erwiederte dieser, wie aus sich selbst erwachend, das besteht aus Fragmenten, aus nichts als Fragmenten! es hat sich mir so unter den Händen zerstückelt; ich finde seit Kurzem selbst keinen Zusammenhang darin. Er sah auf Luisen, zu deren Füßen er auf einem Stein saß, so daß ihr Kleid bei einer kleinen Bewegung seine Locken streifte. Dies luftige Berühren ging wie[97] ein elektrischer Funke durch sein Innres; er bog sich noch mehr zurück und drückte einen leisen Kuß auf den weichen Mußelin. Fragmente? wiederholte Julius – Nun wenn sie rechter Art sind, so enthalten sie dennoch ein Ganzes. Gieb uns nur immer einige derselben zum Besten. Seltsam! rief Fernando aus, daß jetzt, grade jetzt einer der furchtbarsten Momente vor mich hintritt. Er war aufgesprungen, und heftete seine Blicke, wie unwillkührlich angezogen, auf einen Fleck. Luisens Herz klopfte, sie erwartete ängstlich, daß er das Schweigen breche. Du weißst, hub er endlich an, sich zu Julius wendend, daß ich nach dem Tode meiner Eltern, die ich niemals sahe, in Neapel bei einer Verwandten erzogen und späterhin, in Begleitung eines deutschen Gelehrten, auf Reisen geschickt ward. Du hast es so wenig als ich verstanden, warum mich mein Mentor nicht nach seinem Vaterlande, sondern nach Paris führte, womit ich übrigens ganz zufrieden war und mir dabei so wohl gefiel, daß ich meiner Tante sehr mißfiel und nur eilen mußte, sie durch eine baldige Rückkehr zu versöhnen. Die liebe, gütige Frau herrschte mit einer so unwiderstehlich sanften Gewalt über mich, daß ich den Gedanken ihres Unwillens nie ertragen konnte, und es jedesmal herzlich bereute, sie gekränkt zu haben. Meine Bereitwilligkeit, zu ihr zurückzukehren, entzückte[98] sie; jede Spur des Unwillens war bei meiner Ankunft verwischt. Sie betrachtete mich mit rührendem Wohlwollen und führte mich durch tausend theilnehmende Fragen so leicht und gefällig in den Kreis meiner verlassenen Freuden zurück, daß ich sie noch einmal an ihrer Seite heraufführte und mit froherm Sinn genoß. So schwatzten wir die ersten Abende bis tief in die Nacht hinein. An einem derselben, als sie gefällig auf jedes kleine Abentheuer hörte, ward noch ganz spät ein Fremder bei ihr gemeldet, der ihr zugleich ein Blatt überschickte, auf welchem ich griechische Schriftzüge wahrnahm. Sie überflog es schnell, schlug beide Hände in höchster Bewegung zusammen, indem sie wiederholt ausrief: er lebt! – er lebt, Fernando, um Gottes Willen! Ein ältlicher Mann, von hoher, etwas gebeugter, Gestalt trat hier in das Zimmer. Er trug ein langes, graues Oberkleid, das mit einem weißlichen Gürtel zusammengehalten war; sein gebleichtes Haar hing noch voll und lockig über große tiefliegende Augen, die sich unverwandt auf mich hefteten. Es war etwas Fremdes, Auffallendes, in dieser Erscheinung, was mich unwillkührlich anzog. Die Markise schrie laut auf und riß mich zu dem Fremden, der uns Beide fest umschlang, ohne ein Wort zu sagen, als fürchte er, aus einem glücklichen Traum zu erwachen. Ich[99] wußte nicht wie mir war, mein Herz klopfte ungestüm; alles Geheimnißvolle war mir von je her ängstlich. Ich hätte gern das dumpfe Schweigen durch eine dreiste Frage unterbrochen; allein ein Blick auf den Fremden hielt mich gefangen. Meine Tante flüsterte zuerst einige Worte, wir traten auseinander; die Beiden sprachen leise und heftig in einem Fenster, ich ging wie auf glühenden Kohlen auf und nieder. Todt? – rief der Fremde plötzlich. – Großer Gott, ich wußte es, und dennoch –! Der klagende Ton ging mir durch die Seele. Ich näherte mich ihm; er streckte mir beide Arme entgegen und weinte heftig an meiner Brust. Morgen, lieber Fernando, sagte meine Tante, mich sanft wegdrängend, morgen sollst Du – Heute laß uns – Ich ging zur Thür; ein leises Wimmern riß mich noch einmal zurück. Der Fremde lag, das Gesicht mit beiden Händen verdeckt, zusammengesunken in einem Stuhl und klagte in zerreißenden Tönen. Die Markise winkte mir; ich ging still nach meinem Zimmer, ohne etwas Deutliches zu denken, ohne mich selbst einem bestimmten Gefühl zu überlassen. Die Luft ward mir hier zu enge; ich öffnete das Fenster und starrte in die dunkle Nacht hinein. Morgen, dachte ich – Morgen! warum nicht jetzt, nicht diesen Augenblick? Was soll die geheimnißvolle Weise, was will der[100] bekümmerte Alte? Ich hatte große Lust, die ganze Begebenheit zu verspotten und in einigen lustigen Ausfällen die wehmüthige Unruhe von mir zu werfen, die mir fremd und drückend war; allein es ging nicht, meine Brust zog sich ängstlich zusammen, ich fand nirgend Ruhe. Nach einer Weile hörte ich eine Thür öffnen, die aus dem Cabinet meiner Tante in den Garten ging. Ich lehnte mich weit aus dem Fenster, konnte indeß in der Dunkelheit keinen Gegenstand unterscheiden. Ein leises Rauschen, wie ferne menschliche Tritte, ging über den Rasen hin; dann ward alles wieder still. Ich warf mich halb ärgerlich, halb erschöpft, aufs Bett, ohne gleichwohl schlafen zu können. Nach einigen Stunden wiederholte sich dasselbe Geräusch. Thüren knarrten, Fußtritte gingen durch das Haus, alles leise, kaum hörbar. Zu Anfang strengte ich meine Aufmerksamkeit an, etwas Wahres zu unterscheiden; allein es war, als senke sich der Schlaf bleiern auf meine Augen; ich widerstand nicht lange und schlief fest, als mich am Morgen ein furchtbares Angstgeschrei erweckte. Mein erster Blick traf das versammelte Hausgesinde der Markise, das voll Entsetzen zu mir hereinstürzte. Ich sprang wie betäubt unter sie; verworrene, dunkle Worte, Thränen, lautes Jammern umfing mich von allen Seiten und riß mich zu dem Cabinet meiner Tante.[101] Nein, niemals, niemals wird mich das Entsetzen jenes Augenblickes verlassen! – Er faßte Luisens beide Hände und bedeckte sein Gesicht, auf welchem alle Schrecken jener Erinnrung lagen. Ich fand sie todt – sagte er nach einem augenblicklichen Schweigen, mit stockender, verhaltener Stimme, todt – ermordet, die schönen Hände gebunden, alle Zeichen eines gewaltsamen Ueberfalls und der schändlichsten Beraubung ihrer Kostbarkeiten um sie her. Der Fremde, der Fremde, tönte es wie aus einem Munde von den Umstehenden. Ich weiß nicht, warum mich dieser Verdacht mehr als die That empörte. In der höchsten Wuth stritt ich dagegen, sank indeß bald darauf erschöpft und bewußtlos zu den Füßen meiner geliebten Freundin, von der man mich, ohne ein Zeichen des Lebens, den Gefahren einer langen Krankheit entgegenführte. Als ich endlich genas und die Erinnrungen des Vergangnen langsam wieder hervortraten, sagten mir meine Freunde, jene grauenvolle That wiederhole sich auf ähnliche Weise, fast jede Nacht, in den angesehensten Häusern Neapels. Eine ängstigende Scheu liege auf den bleichen Gesichtern der Einwohner, die still auf den Straßen hinschlichen, ohne Lust und Muth, einander anzureden. Niemand traue dem geliebtesten Freunde, die Häuser blieben verschlossen, und gleichwohl glaube man an[102] eine unsichtbare Gewalt, die dem angstvoll Schlafenden überfalle und das frischeste Leben schnell beende. Nöthigen Vorkehrungen gemäß, habe man auf bloßen Verdacht hin, eine Menge Personen in Verhaft gezogen, ohne gleichwohl irgend eine zuverlässige Spur aufzufinden. Ich dachte sogleich an den Unbekannten, und mit einer Angst, die unbeschreiblich ist, forschte ich, ob er sich unter den Beschuldigten befände. Allein niemand wußte etwas von ihm. Die Leute im Hause meinten, er sei gar nicht sichtbar in der Stadt geworden, kein Mensch wolle ihn gesehn haben. Ich ward wieder ruhiger, und ließ in einer Art von Dumpfheit, die wohl noch Folge meiner Krankheit war, alles um mich her geschehen, ohne sonderlichen Antheil zu nehmen, als eines Tages die Haushälterin der Markise im höchsten Unwillen zu mir hereintrat und mit Thränen sagte: das Maaß der Leiden dieser armen Stadt sei gefüllt, da auch die geprüfteste Unschuld nicht mehr vor erniedrigendem Verdacht sicher sei. Sogar der arme Schuster, fuhr sie fort, hier im Nebenhause, dessen stilles, heiliges Leben wohl manchem ein Vorwurf sein mochte, ist diesen Morgen, da er sich zufällig mit mehrern seines Gewerbes in der Herberge befand, aufgegriffen und eingezogen worden. Ich kannte den Mann sehr wohl; er gehörte zu den Frommen Neapels,[103] und war sowohl wegen seines strengen, enthaltsamen, Wandels berühmt, als wegen der erschütternden Reden, die er öfters dem Volke auf den Straßen hielt. Er redete in wahrhafter Verzückung mit einem Feuer und in so phantastischen Bildern, daß man unwillkührlich hingerissen ward, weshalb er denn auch in den vornehmsten Häusern Zutritt fand. Ich tröstete die bekümmerte Frau, der er wohl oft das Herz mochte erweicht haben, mit der allgemeinen Achtung, die Antonio genoß, und versprach ihr, mich noch persönlich wegen seiner Freilassung zu verwenden. Der Gang des Rechts ist indeß langsam, die Anhäufung der Klagen und Fürbitten war so groß, die ganze Verhandlung so dunkel, daß es mir erst nach vierzehn Tagen gelang, Antonio zu befreien. Seine Anhänger erwarteten ihn mit stürmischer Freude an den Thüren des Gefängnisses. Er trat mit ernster Ruhe unter sie, und duldete es nicht, als man ihn im Triumph nach Hause führen wollte; indeß geschahen mehrere Tage hindurch förmliche Wallfahrten nach seiner dunklen, öden Wohnung, in der er sich eingeschlossen hielt. Man nahm allgemeinen Antheil an dieser kleinen Begebenheit, und ward eben so sehr allgemein bestürzt, als es verlauten wollte, daß der Verdacht gegen den Schuster aufs neue erwache, da während der ganzen Zeit seiner[104] Gefangenschaft kein Mord geschehen, die blutige That indeß an einem der vornehmsten Richter in der Nacht nach Antonios Freilassung verübt sei. Ich, wie Mehrere, erklärten dies für einen Zufall. Man ward dennoch aufmerksam, beobachtete ihn, forschte nach seinem Thun und Treiben, ohne jedoch etwas zu entdecken. Ein fremder Rechtsgelehrter hatte den Einfall, den Angeklagten mitten in der Nacht überfallen, aus dem Bett reißen und vor das Gericht führen zu lassen. Halb vom Schlaf befangen, aus den unruhigen Träumen eines bewegten Gemüthes in die fremde Wirklichkeit hinübergezogen, trat Antonio vor die ernste Versammlung der Richter. Sein Gleichmuth verließ ihn, er fand keinen Ausweg, und bekannte, daß er seit zwei Monaten fast jede Nacht, allein, ohne eines Menschen Wissen, in die Häuser der Reichen, deren geheime Zugänge er kenne, gedrungen, sie ermordet und beraubt habe. Eine so ungewohnte Erscheinung veranlaßte tausend Nachforschungen, was diesen Frevel in ihm veranlaßt habe. Er sagte darauf immer dasselbe: vom Guten zum Bösen, wie von der Demuth zum Uebermuth, führe oft nur ein Schritt. Die Eitelkeit habe ihn in des Teufels Arme gelockt. Als er keine Rettung sah, stieß er sich den Kopf an den Mauern seines Gefängnisses ein.[105]

Als Fernando hier endigte, die Eindrücke der Erzählung in eines Jeden Brust hin und her wogten, und niemand ein beruhigendes Bild festhalten und den innern Aufruhr stillen konnte, bemerkte Julius ihnen gegenüber den Mönch, der, mit verschränkten Armen an einem Baumstamme gelehnt, wohl schon lange dort in stiller Beschauung mochte gestanden haben. Er ging ihm, wie gewöhnlich, mit herzlicher Freude entgegen. Fernando achtete nicht viel darauf. Er war um Luisen beschäftigt, die, heftig erschüttert, ihre Thränen nicht zurückhalten konnte. Hätte ich früher, sagte er leise, einen Begriff von dieser zarten Regsamkeit gehabt, wäre es mir überall gegeben, in Ihrer Nähe lange zu überlegen, glauben Sie sicher, ich würde jene grauenvolle Erscheinung nie an Ihnen vorübergeführt haben. Werden Sie mir verzeihen? fragte er schmeichelnd. Luise lächelte freundlich unter ihren Thränen, und nickte wiederholt mit dem Kopfe, ohne ein Wort sagen zu können. Werden Sie mich eben so wenig roh und ungeschickt nennen, fuhr er fort, wenn ich die rührende Beweglichkeit ihres Sinnes nicht ganz verstehe, und Sie frage, was Sie eigentlich so ungewohnt bewegt? Ich weiß es nicht, erwiederte sie, sich fassend, ich weiß es durchaus nicht; allein mir ist, als wären mir einige der erwähnten Personen nicht fremd, als ginge es[106] mich mit an. Als ginge es Sie mit an? unterbrach sie Fernando, ihre Worte falsch deutend; Luise – Sie stand auf und wandte sich zu Julius, der mit dem Mönch auf sie zutrat. Guten Abend, lieber Vater! rief sie dem Letztren zu. Dieser blieb einen Augenblick in sich versunken, dann sagte er mit bewegter Stimme: der Herr segne und behüte Euch! und schlug einen andren Weg zum Kloster ein.

Was war das, rief Fernando! seltsam! wie sich heute alles in mir verwirrt! –

Sie traten Alle jetzt den Rückweg zum Schlosse an, und trennten sich dann alle drei in eignen Vorstellungen befangen.

Luise warf sich geängstet in ihrem Bett hin und her, ohne einen Augenblick Ruhe zu finden. Die Scheu gegen Fernando, und das Mißtrauen, das ihr früher sein Lächeln eingeflößt, kämpften peinlich mit Wohlwollen und Bewundrung. Umsonst suchte sie ihre gestrige Stimmung hervorzurufen, umsonst blieb sie bei jeder zweideutigen Aeußrung stehn, umsonst drängte sie sein Bild von sich weg, es rang sich tief aus der gepreßten Brust herauf, und riß sie in einen Wirbel widersprechender Gefühle fort. Die Nacht dehnte sich in ewig langen Stunden hin, in denen der unsichre Blick, durch nichts Aeußres angezogen, hin und her[107] schweifte, und, wie in Fieberträumen, immer nur das Gefürchtete sah. Am Morgen endlich raffte sie sich aus dem Taumel empor. Mit den ersten Lichtstralen ward es klarer in ihrer Seele, die bangen Vorstellungen wichen immer weiter und weiter zurück. Der junge Tag sah ihr wie ein neues Leben frisch und freudig entgegen. Lieber Gott, sagte sie bewegt, gieb mir einen stillen Sinn, deinen Frieden rein in meiner Brust zu bewahren. So sahe sie, wohl noch etwas schwankend, aber doch mit offner empfänglicher Seele ins Freie, als man ihr folgenden Brief der Baronin überbrachte.

»Erlauben Sie, meine junge Freundin, daß ich Ihre gütige Zeilen in Emiliens Nahmen beantworte. Vieles darin ist ohnehin an mich gerichtet, und ich will sogleich von dem Vorrechte Gebrauch machen, welches Sie mir, mit der liebenswürdigsten Hingebung, einräumen. Man beschuldigt jeden, dessen Wirksamkeit beschränkt ist, und vorzüglich Frauen in meinen Jahren, daß sie gern Rollen in fremden Angelegenheiten übernehmen, und sich sehr wichtig auf dem Platze erscheinen, den ihnen Alter und Erfahrung ganz natürlich anweisen. Die Eitelkeit schleicht sich wohl oft unbemerkt in unsre Herzen, und wirft einen vornehmen Schein über nichtswürdige Motive; dennoch kann ich hier wohl mit Wahrheit versichern,[108] daß mich die allerherzlichste Theilnahme an Ihnen zu der freien Mittheilung meiner Gesinnungen zwingt, zur der Sie mich gewissermaßen auffordern.

Ich kann es Ihnen nicht verhehlen, Ihr Brief hat mich erschreckt. Es ist ein gewisses unsichres Herumfassen nach fremder Hülfe darin sichtbar, eine Angst vor sich selbst, die sich unter unnatürlichem Haß gegen einen Unbekannten verbirgt. Was reizt Sie zu dieser Heftigkeit, die Sie in sich selbst irre macht? Glauben Sie mir, es ist den Frauen selten etwas gefährlicher, als einem ausschließenden Gefühl für irgend einen Mann, der nicht der ihrige ist, Raum zu geben, am wenigsten aber dürfen Sie es sich und Andren so klar und mit dieser Leidenschaftlichkeit aussprechen. Haß und Liebe berühren sich schon darin, daß uns der Gegenstand beider Empfindung niemals gleichgültig ist, und gleichgültig sollte Ihnen der fremde Jüngling billig sein. Was haben Sie mit seinen Fehlern und Tugenden zu schaffen? Lassen Sie ihn ruhig neben sich hingehen, Ihre Wege sind ohnehin von einander geschieden. Und von mir, liebes Kind, von meinem Rath erwarten Sie die schickliche Haltung in Ihrer mißlichen Lage? Fühlen Sie wirklich diese schon in irgend einem Augenblick verloren zu haben? Welch Gefühl, ich bitte Sie, ist so mächtig in Ihre Brust, daß es[109] die große Ehrfurcht vor dem äußren Anstand, vor Ihrer ganzen Lage und Ihren Verhältnissen, nur in mindesten schwächen könnte? Bewahren Sie doch um Alles das ruhige Gleichgewicht Ihres Seyns und Wirkens, ohne welches Sie die strenge vorgezeichnete Bahn leicht übertreten könnten. Ich sollte vielleicht schweigen, und Sie ruhig neben dem Abgrund fortgehen lassen. Vielleicht sicherte Sie eigne angeborne Kraft, vielleicht sähen Sie selbst noch klarer die Gefahr. Ich würde es darauf ankommen lassen, wenn Ihre freundliche Einladung und das Drängen meiner Hausgenossen, sie anzunehmen, mich nicht zu reden zwänge. Sie wissen, wen ich Ihnen zuführe. Sein Sie auf Ihrer Hut. Morgen Abend umarme ich Sie, und hoffe im voraus Verzeihung für meinen treuherzig mütterlichen Rath, den meine Liebe und Theilnahme allein entschuldigen können.« –

Luise ward unangenehm durch den Inhalt dieser Zeilen ergriffen, so als wenn man unversehens eine wunde Stelle berührt und den ungeahndeten Schmerz hervorruft. Was ist denn geschehen, fragte sie sich selbst, das diese ernste, eindringliche Worte veranlaßt. Schicklichkeit – äußrer Anstand! nein, nein, das nicht! Dein heiliger Wille, mein Gott, der ist es, den ich nicht verletzen darf, und der zum Glück noch laut und vernehmlich genug[110] in meiner Seele spricht, um ihn nie zu überhören.

Guten Morgen, liebe Luise! rief hier Julius, der eben unter ihrem Fenster, an welches sie sich gedankenvoll lehnte, vorüberging. Sie fuhr unwillkührlich zusammen. Seine Stimme traf sie wie ein innrer Vorwurf. Er sah so gut, so herzensgut, aus, die Thränen traten ihr in die Augen. Guten Morgen! rief sie aus voller Seele, als er in dem Augenblick zu ihr hereintrat. Er hatte ihr heut tausend Dinge zu sagen. Sein Herz öffnete sich wie unter freundlicher Berührung; es war klar, irgend etwas Aeußres regte ihn ungewöhnt an. Luise lenkte das Gespräch auf den gestrigen Abend, und bemerkte bald, daß er auch in ihm einen Eindruck zurückgelassen, der noch jetzt fortwirkte. Es ist nicht jene Geschichte, sagte Julius, ihre Fragen beantwortend, was mich bewegt. Ich möchte ihren Inhalt vergessen können, der die Möglichkeit des plötzlichen Sündenfalls in einer bis dahin frommen und reinen Seele, so schauderhaft, in dieser blutigen Verzerrung hinstellt. Nein, es ist der Mönch, den ich nicht vergessen kann. Wie verzückt sah er auf eine Stelle, als ich zu ihm hintrat, und ohne meinen Gruß zu beachten, sagte er vor sich hinredend: unbegreifliches, unbegreifliches Schicksal! dann fragte er mit einer Heftigkeit, die ich ihm[111] niemals kannte, seit wie lange der fremde Jüngling bei mir sei? Ich gab ihm in einigen Worten Auskunft über unsre Bekanntschaft und Fernandos unstätem Herumstreifen. Er machte eine schnelle Bewegung zu diesem hin, wandte sich aber wie von deiner Stimme aufgeschreckt, von uns ab, und ging still dem Walde zu. Beide fanden das höchst sonderbar, und Luise erschöpfte sich, nach Frauenart, in tausend Muthmaßungen, als Fernando zum Frühstück hereintrat. Er war ernst und einsilbig, allein so, daß man nicht recht wußte, ob ihn Kummer oder Mißmuth verstimme.

Als er späterhin mit Luisen allein war, bemerkte er theilnehmend, daß sie bleich aussähe, und in ihren Augen Spuren vergossener Thränen. Sie lehnte seine Fragen ziemlich unbefangen ab, und erzählte ihm von den Gästen, die sie morgen erwarte, unter denen sie Emilien sehr anziehend heraushob. Er schien nicht viel darauf zu merken, als sie aber fortfuhr, die Vortrefflichkeit einiger Mitglieder der Gesellschaft zu schildern, und der Baronin einfaches, würdiges Wesen rühmte, sagte er höhnisch, sie wollten wohl den Teufel durch fromme Geister bannen. Luise entfärbte sich und fühlte mit Unmuth, daß sie, wie sie es auch anfangen möchte, ihm gegenüber immer auf irgend eine Weise in Verlegenheit gerathen müsse. Gestehn[112] Sie es nur, fuhr er fort, die Bekannten und Freunde sollen doch den lästigen Fremdling nur übertragen helfen; Luise, was habe ich Ihnen gethan, daß Sie mich hassen. Jenes Berühren von Haß und Liebe, in dem Briefe der Baronin, fiel ihr plötzlich ein. Mein Gott, sagte sie schnell, nein, ich hasse Sie nicht, gewiß nicht! Warum fürchten Sie mich denn? fragte er ernst. Mit vollen Schwingen hob sich bei diesen Worten die eingeborne Würde der Weiblichkeit in Luisens Seele. Sie sah ihn ruhig an, und sagte fester, als sie es vor einem Augenblick noch gekonnt hätte, wie sollten Sie mir furchtbar sein, ich kenne Sie weder im Guten noch Bösen. Fernando wollte einlenken, allein Luise blieb für jetzt gefaßt und sicher, weshalb er sich denn auch verletzt zurückzog, und gedankenlos am nächsten Fenster in einem Buche blätterte. Einige Anordnungen nöthigten sie, sich zu entfernen; als sie wieder hereintrat, fand sie das Zimmer leer; allein, zu ihrem großen Schreck, den Brief der Baronin, den sie bei Julius Eintritt in ein Buch gelegt hatte, offen auf demselben Fenster, an dem sie Fernando verlassen. Ich bin verloren, sagte sie, das Blatt in tausend Stücke reißend, wenn er ihn gelesen hat. O über meine Thorheit, jedem Gefühl, das flüchtig durch meine Seele hinzieht, Worte zu leihen, und dadurch so[113] unnütze, so verderbliche Erklärungen zu veranlassen! Und nun noch diese Unachtsamkeit! – Sie blieb den ganzen Tag in der peinlichsten Unruhe, die Fernandos zweideutiges Wesen noch vermehrte. Recht von Herzen fühlte sie sich daher am folgenden Abend erleichtert, als nun endlich die ersehnte Gesellschaft eintraf. Sie begrüßte jeden der Angekommenen mit sichtlicher Freude, und hatte selbst denjenigen, die ihr bis dahin gleichgültig geblieben waren, etwas Verbindliches zu sagen. Emilie sah sehr reizend in einem kleinen Strohhut aus, der zwar das schöne Haar verbarg, allein übrigens zu der zierlichen Gestalt sehr wohl stand. Es mußten sie schon häufige Neckereien über Fernando getroffen haben, denn sie konnte sich eines kleinen Lächelns nicht erwehren, als sie diesen begrüßte und ihre Blicke zufällig denen ihrer Reisegefährten begegneten.

Zu Anfang blieb man einander fremd, ohnerachtet der Cirkel nur klein war, da der Baron mit dem Professor und dessen beiden Anhängern, dem Engländer und Herrn Aaron, die Uebrigen nicht begleitet hatten. Fernando beschäftigte sich ausschließend mit dem Maler, und andrer Seits hatte man das Ansehen, auch nicht viel auf ihn zu merken. Doch nach und nach ward die Unterhaltung allgemeiner, wenigstens verschmähete es keiner, in das Gespräch des Andern einzugehn. Stein konnte[114] sich nicht genugsam über die Herrlichkeit des altväterlichen Gebäudes und dessen romantische Umgebungen auslassen. Nur blickte er mit einer Art von Unmuth auf den modernen Glanz, der ihn umgab. Das ist deutsche Sitte heutiger Zeit, sagte der Maler, das sollte Sie nicht mehr befremden. Warum, fragte Fernando, machen Sie den Deutschen allein diesen Vorwurf, da er jede Europäische Nation fast in gleichem Maaße trifft? Finden Sie in Italien nicht auch das Alte mit dem Neuen gepaart, ohne daß es unangenehm auffällt? Das ist ganz etwas andres, unterbrach ihn Stein. Dort ist Vegetation, Kultur, Kunstsinn, ja der Charakter der Kunst, durch viele Jahrhunderte gleich geblieben, keine der heutigen Erscheinungen ist in sich widersprechend mit ihren Umgebungen; aber wenn wir zu unsern alten, auf rauhem Boden erwachsnen, Eichen, zwischen den Steinmassen, die ein Riesengeist aufthürmte, die Griechheit hinüberziehn und diese noch mit französischem Schimmer bedecken wollen, so ist das wohl ein Uebelstand zu nennen. Dann werden wir nur die ehrenwerthen Denkmäler schleifen müssen, sagte Werner, denn in der Nachbarschaft wird sich bald ein Häuschen finden, das, nach modernem Maßstab erbauet, nicht zu ihm paßt. Niemand darf sich einfallen lassen, es bewohnen zu wollen, denn niemand schickt sich[115] dort hinein, nicht der Hausherr, nicht die Frau, nicht die Gäste. Was hülfe es Ihnen, wenn hier alles nach alter Weise, derb und tüchtig zugeschnitten wäre, und wir mit den französischen Kleidern und den Pigmäengestalten herumliefen, die Damen mit griechischem Kopfputz und üppigen Gewändern am Arm. Julius sagte hierauf, daß er sie alle mit Rüstungen und Waffen versehen könne, da sich noch eine vollständige Rüstkammer im Schlosse befinde, worüber Stein eine große Freude hatte, die noch erhöht ward, als er auch von einem künstlich ausgelegten Schrein hörte, welcher theils alte Handschriften, theils schon gedruckte Erzählungen und Legenden enthalte. Er versprach sich davon eine reiche Ausbeute für den folgenden Tag, welche Aeußerung Carl mit einem mitleidigen Achselzucken begleitete, und sich ordentlich mit einer Art von Geringschätzung von ihm abwandte.

Die Baronin fand bald Geschmack an Fernandos Unterhaltung, der sich sehr eifrig um sie und Emilien bemühte. Je länger sie ihn ansah und sein Lächeln und Mienenspiel beachtete, desto auffallender fand sie eine Aehnlichkeit zwischen ihm und der verstorbenen Gräfin Falkenstein, was sie auch Luisen sogleich mittheilte. Mit Viola, dachte diese – ihre Augen hefteten sich unwillkührlich auf die seinigen, und das kleine Bild aus der Kapsel schien wachsend[116] und belebt vor sie hinzutreten, so daß die beiden Gestalten sich auf eine ängstende Weise in ihrer Phantasie verschmolzen. Die Worte der Baronin sollten nun einmal auf alle Weise ihre Unruhe vermehren. Alles was sie von Julius Mutter hörte, ihre Liebe und ihre Leiden, der ganze herbe Kampf ihres Lebens, alles erwachte in ihr. Als sie allein war, warf sie sich auf ein Ruhebett, das Viola besonders liebte, und den Kopf in die Kissen verbergend, dachte sie, wie viel tausend Thränen mögen hier geflossen sein, wie oft mag das arme Herz hier umsonst Ruhe gesucht haben. Sie bemühete sich, das Bild der Gräfin festzuhalten; allein Fernando trat unaufhörlich dazwischen. O warum, warum! rief sie aufspringend, warum diese unglückliche Aehnlichkeit! bedurfte es dieser Täuschung noch? Sie wollte sich so gern überreden, daß die Baronin falsch gesehen und sie mit in den Irrthum befangen habe, daher eilte sie, nach dem elfenbeinernen Kästchen zu fragen, das sie bis dahin vergessen hatte; allein es fand sich, daß es in den Zimmern ihrer Mutter stehn geblieben war, welche niemand wieder nach deren Tode betreten hatte. Diese Erinnrungen, das Andenken an den ernsten, furchtbarsten Moment ihres Lebens, weckten andre Vorstellungen in Luisens Seele. Sie weinte still vor sich hin, weich und hingebend, ohne eigentlichen[117] Vorsatz und Willen, aber doch in reinem, heiligem Gefühl.

Am andren Morgen war Carl der Erste, welcher sich von den angekommnen Fremden sehen ließ. Mit großen Schritten ging er im Vorhofe auf und nieder, bis ihn Julius nöthigte, herauf zu kommen. Nein, sagte er im Hereintreten, lieber will ich in einer Synagoge schlafen, als neben solchem welschen Teufel; hat er nicht gestern Abend mit seinem Schurken von Bedienten geschabbert, daß mir noch die Ohren gellen, so will ich nicht selig werden. Zu Anfang ließ ich mirs gefallen; wie aber das ausländsche Geleiere nicht aufhörte, warf ich meinen Pantoffel gegen die Thür, daß alles so krachte; glauben Sie, daß sie sich stören ließen? recht wie die Mäuse, waren sie einen Augenblick still, und dann ging es wieder, hast du nicht, so siehst du nicht. Luise mußte trotz ihrer innren Verstimmung über diesen komischen Zorn lachen. Na, fuhr er fort, und wie der Bediente heraus war, kam der Maler hinein, da wisperten sie eine Weile leise, nachher ging es aber wieder lustig zu, doch sprachen sie deutsch, denn ich hörte die Baronin nennen, und den Italiener sagen, ich bin der Frau größere Verbindlichkeiten schuldig als irgend jemand ahndet; dann kam was von Aufruhr in der Seele, und Kampf und Sieg, das[118] war mir zu gelehrt, ich zog die Bettdecke über den Kopf und schlief über dem Gesumse ein.

Luisens Wangen glühten bei diesen letzten Worten, die recht wie ein unerwarteter Schlag ihr Innres trafen. Da erschien Emilie an Fernandos Arm, der ihr zufällig auf der Treppe begegnet war, und sie frisch und freudig in das Zimmer führte. Die kleine hingebende Blondine nahm sich recht wohl an der Seite des schönen Jünglings aus. Beider Anblick machte einen angenehmen Eindruck, das konnte sich auch Luise nicht verhehlen, ohnerachtet sie ein peinliches Gefühl dabei ergriff.

Nach und nach versammelte sich die übrige Gesellschaft. Stein hatte die ganze Nacht von den alten Helden und Geistern des Schlosses geträumt, und viel wunderliche Gestalten gesehn. Er erzählte, daß ihm vorzüglich ein kleiner grauer Mann auf einem weißlichen Pferde einen seltsamen Schauer eingeflößt habe. Dieser sei unaufhörlich um den Felsen umhergeritten, ohne dem Pferde Ruhe zu gönnen, welches dabei stark gehinkt, als habe es ein Eisen verloren. Werner schlug vor, ein jeder solle die Träume, Eingebungen und Begebenheiten dieser Nacht erzählen, wobei sicher recht seltsame Bilder ans Licht treten würden. Nun, sagte Carl, ich bin bald fertig damit, denn ich habe die ganze Nacht eine Wassermühle gehört, die so brummte[119] und sauste, daß mir noch der Kopf wehe thut. Alle lachten über den seltsamen Contrast mit Reinholds Erscheinungen, ohnerachtet nur Luise und Julius den eigentlichen Sinn dieser Worte verstanden.

Fernando hatte indeß nicht so bald von Emilien gehört, daß Stein Dichter und musikalisch sei, als er ihn bat, die Gesellschaft mit einem Liede zu erfreuen, worauf dieser, durch einen Blick von Emilien bestimmt, folgende Worte zur Guitarre sang, auf welcher ihn Fernando sogleich accompagnirte.


Der Sklave singt am Ruder,

Auf wogender Galeere,

Ein Spiel empörter Meere,

Vom Vaterlande fern.

Sein Leiden hört kein Bruder,

Er folgt dem strengen Herrn,

Oft rinnt die heiße Zähre!


Doch auf Gesanges Wogen,

Schwebt süße Täuschung nieder,

Schafft ihm die Heimath wieder,

Und trautes, festes Land,

Wo er, noch nie betrogen,

Die Welt so freundlich fand;

O holder Geist der Lieder!
[120]

So tanzt um mich Gesänge,

Ihr immer neu erglühten,

Und treibt empor zu Blüthen,

Die Bilder meiner Brust.

Stürm' nur du Weltgedränge!

Lock' nur du Sinnenlust!

Mich soll das Lied behüten.


Man drang darauf in Fernando, ebenfalls zu singen. Er meinte, er wisse kein passendes Lied auswendig, wenn man ihm indeß erlauben wollte, seinem Gefühle in seiner Muttersprache Worte zu leihen, so werde er wohl eine angemessene Musik dazu auffinden. Man war das gern zufrieden. Er stimmte daher einen Gesang an, den Werner nachher also übersetzte:


Lang auf fremden Seen geschwommen,

Lang durchzogen fremde Nacht,

War der Sänger heimgekommen,

Wo Italiens Sonne lacht.


Wie er von den Alpenzinnen,

Froh ins Land hinunterschaut,

Lehnt an ihn, in süßes Sinnen

Ganz verloren, seine Braut.
[121]

Aus des hohen Nordens Pforten,

Hat er mit sie hergeführt,

Und sie spricht mit leisen Worten,

Von des Südens Hauch berührt.


»Lieber, welch ein großer Garten,

Welch erquicklich Blumenspiel,

Ihn zu hüten und zu warten,

Braucht es wohl der Gärtner viel?«


»Schöne, nur der Sonne Lächeln,

Hütet unsre Blumenflor.

Gärtner ist der Lüfte Fächeln,

Lockt sie überall hervor.«


»Und die Häuserchen dahinter,

Hell mit Farb und Gold geschmückt!

Doch was birgt Euch, wenn nun Winter,

Hart auf Eure Fluren drückt?«


»Nie so grämlichen Bekannten,

Triffst du an auf dieser Flur,

Denn wir spotten des Verbannten

Lieblingskinder der Natur.«


»Wie viel schön umkränzte Bräute,

Wie Musik sich hören läßt!

Dort im lust'gen Tanz die Leute!

Sicher giebt's ein hohes Fest.«
[122]

»Kränze, Lieder, lustge Reigen,

Sind uns immer frisch und wach.

Vor der heitren Sonne Steigen,

Wird zum Fest ein jeder Tag.«


»Oft ist mir dein Lied erklungen,

Von Elysiums Lorbeerwald,

Hast uns wohl emporgeschwungen,

Zu der Sel'gen Aufenthalt?«


»Schöne, nein, wir sind auf Erden,

Ziehn in unsre Heimath ein;

Doch Elysium ganz zu werden,

Braucht sie nur der Liebe Schein.«


Die Baronin hatte indeß leise mit Luisen geredet, welche halb auf sie, halb auf die Musik hörte, dennoch zuletzt, durch die Wendung des Gesprächs, gezwungen ward zu antworten. Sie verzeihen mir also, sagte die warnende Freundin, wenn meine Besorgnisse ungegründet waren? O gewiß, von ganzem Herzen, erwiederte Luise. Und sind nun ganz in der ruhigen Stimmung, fuhr die Erstre fort, in der ich Sie wünschte? Luisen fiel eine Stricknadel aus der Hand, welche sie langsam aufhob, während sie die schönen Locken über das glühende Gesicht fallen ließ, in der ruhigsten von[123] der Welt, erwiederte sie kaum hörbar. So – sagte die Baronin etwas trocken. Gleichwohl scheint eine Art von Mißverständniß zwischen Ihnen und Ihrem Gast obzuwalten, er meidet Sie auf eine seltsame Weise. O, fiel Luise halb verletzt, halb geängstigt, ein, das ist so seine Art, er ist heftigen Gemüthes und ergreift alles Neue mit ausschließender Aufmerksamkeit. Liebes Kind, sagte die erfahrne Frau, woher kennen Sie ihn denn so genau? Sein Sie doch unbefangen im Gefühl Ihres eignen Werthes mit mir, wie mit der ganzen Welt. Glauben Sie nur, Ihre kleine Verlegenheiten entgehen ihm nicht, er treibt ein leichtfertiges Spiel damit.

Die Musik schwieg hier. Die Baronin erinnerte, daß es Zeit sei, Toilette zu machen, und führte die von Myrtenhainen und Kränzen träumende Emilie mit sich fort.

Luise empfand eine Art Scheu vor dem kalten Blick dieser Frau, der wie ein Senkblei in ihr Herz fiel. Sie schrak vor ihr zusammen, so oft sie sie jene Ueberlegenheit und die Entfernung des Platzes fühlen ließ, auf welchem sie eigentlich stehn sollte. Die Aufforderung, unbefangen zu sein, konnte sie am wenigsten erfüllen, da sie die ernste Beobachterin fürchtete, und nur noch unsichrer in ihrem Betragen ward.[124]

Die Zeit verfloß indeß fast auf ähnliche Weise. Fernando hatte nur Augen und Sinn für Emilien, wodurch er wechselsweise Luisens Stolz hob, und ihr Gefühl zerriß.

An einem Nachmittage, als eine zahlreiche Gesellschaft aus der Nachbarschaft sich noch zu der des Schlosses gesellte, und alle im Freien versammelt waren, zog ein Trupp Bergleute singend den Harz hinunter. Sie trugen vielfache musikalische Instrumente und schienen bereit, sie in Bewegung zu setzen, als Fernando vorschlug, ob man, da es schon spät und dunkel werde, nicht nach dem Schlosse zurückkehren und dort einige Stunden nach der lustigen Musik dieser Leute tanzen wolle. Alle stimmten freudig ein. Man machte sich sogleich auf den Weg. Die Bergleute gingen spielend voran, und das bunte Gemisch von Frauen und Männern zog, durch eine dunkle Tannenallee, dem lustigen Saale zu, der Luisen bei ihrem Eintritt zuerst mit ihrer neuen Wohnung versöhnt hatte. Fernando walzte sogleich mit Emilien. Die Kleine schmiegte sich mit einer anmuthigen Bewegung des Kopfes lächelnd in seine Arme, und schien sich und die ganze Welt zu vergessen. Stein sah an einem Pfeiler gelehnt, dem Spiele wehmüthig zu; er war im Begriff, Luisen seine Hand zu reichen, und im allgemeinen Taumel die Schmerzen seiner[125] Brust zu betäuben, als sich dieser einer der neuangekommnen Gäste, ein schon längst bemerkter und bewunderter Fremder, nahete, und sie auf eine feine, sittige Weise zum Tanze führte. Er war russischer Obrist, von hohem, edlem Wuchs, und jener Gewandheit, welche die höhern Stände seiner Nation auszeichnet. Eine Sendung seines Hofes nach einer nahen Residenz führte ihn in diese Gegend, zu einem Theil seiner Familie, der sich in Deutschland niedergelassen hatte, und auf die Weise kam er heute nach dem Falkenstein. Es sah schön, ja königlich aus, wie sich die beiden herrlichen Gestalten langsam, nach Norddeutscher Sitte, durch den Saal bewegten. Die dunkelgrüne, geschmackvoll verzierte, Uniform paßte wohl zu Luisens einfachem weißen Kleide und dem grünen Zweige, der sich durch ihre Locken wand. Fernando betrachtete sie mit einem tiefen, düstren Blick, der dann, wild auflodernd, ihre Brust wie zwei Flammen traf. Sie hatte kaum geendet und sich gegen ihren schönen Tänzer verneigt, als Fernando auf sie zutrat und sie, nach einigen flüchtigen Worten, umschlingend, in raschem kreisendem Wirbel mit sich fortriß. Die rauschende Musik, das dunkle, in sich zurückgezogne Feuer seiner Augen, die ganz eigne, unruhige Heftigkeit in Mienen und Bewegungen ergriff sie so sehr, daß sie[126] sich nach einigen Augenblicken halb ohnmächtig an ihn lehnen und ihn bitten mußte, aufzuhören. Er drückte sie leise an die glühende Brust und ließ sie dann schweigend aus seinen Armen. Sich kaum noch besinnend, trat sie in die offne Gartenthür, und eilte von da weiter den Felsengang hinauf, zu einem Sitz, der in dem Stein gehauen und von einer überhangenden Buche versteckt war. Nicht lange darauf hörte sie neben sich reden; die Stimmen kamen näher, und sie erkannte bald Stein und Werner, die, sich an den Baum lehnend, mit einander sprachen. Also wirklich, wirklich, sagte der Erstre, Sie glauben nicht, daß er Emilien liebt? Mein Gott, erwiederte Werner, das liegt ja so klar am Tage, wie der Zweck des ganzen Spieles! Nein, nein! fiel jener heftig ein, das nicht, das gewiß nicht! Werner lachte laut. Nun wahrhaftig, sagte er, Sie sind von einer seltnen Unschuld des Sinnes. Was liegt denn darin so Unerhörtes? Es könnte in der That interessant werden, wie der ganze Mensch, der große Anlagen hat, wenn er sich nicht selbst zur abgerichteten Puppe wie sein Unternehmen zu einer auswendig gelernten Posse machte. Auch will ich wohl wetten, daß er den bekannten Weg hier nicht zum letztenmal einschlägt! Reizend ist bei allem dem dies Ringen einer schuldlosen Seele, in der die Welt und Sinnenlust[127] plötzlich hervorbricht und sie hin und her treibt, daß sie nach allen Seiten faßt und greift und zwischen Himmel und Hölle schwebt. Hier zwar wird nun der Kampf nicht lange unentschieden sein, denn die ganze Richtung des Gemüthes spricht sich bei der schönen Frau in Gestalt und Wesen aus. Sie erscheint recht wie eine erhabene Sünderin, die im stolzen, kühnen Fluge hinaufstrebt und durch die Eigenthümlichkeit ihrer Natur alle Augenblicke einmal das edle Haupt senkt und sich von den irdischen Banden umstricken läßt. Daher ist auch ein eigner Streit von Stolz und Hingebung in ihrem äußren Erscheinen, und ich bin sehr überzeugt, daß in diesem Streit ihr ganzes Leben hinfließen wird. Sie haben eine ordentliche Freude, sagte Stein, an solcher innren Verwirrung. Nein, entgegnete Werner; allein ich muß so lange forschen und beobachten, bis ich einen jeden auf den Platz gestellt habe, wo er eigentlich stehen muß, sonst bin ich in mir selbst unsicher. Beide gingen hierauf weiter. Luise saß lange Zeit in dumpfer Betäubung da. Endlich raffte sie sich auf, und eilte, ohne den Saal zu betreten, durch einen Umweg dem Schlosse zu. Sie mußte, um zu ihren Zimmern zu gelangen, durch einen langen, schmalen Gang, an dessen Wänden mehrere Familiengemälde hingen. Der Mond schien hell[128] durch die hohen Fenster und beleuchtete vorzüglich das Bild einer Dame, die als Leiche gemalt war, und aus einem reichen Schmuck dunkler, mit Perlen durchflochtener Haare, bleich und etwas verzerrt hervorsah. Man glaubte allgemein im Schlosse, es sei das Bild der Ahnfrau, was auch eine Vergleichung der Züge mit dem im Kloster wahrscheinlich machte. Eine Bewegung der Bäume vor den Fenstern bewegte auch itzt den Schein auf dem Bilde so, als rege sich das Gesicht und öffne den ohnehin verzognen Mund. Luise verhüllte die Augen und stürzte laut schreiend in ihr Cabinet. Hier lag sie, heftig weinend, ohne klares Bewußtsein, mit einem tiefen, schneidenden Schmerz im Innern, lange Zeit auf ihren Knieen, als eine warme Hand leise die ihrige berührte. Jesus! rief sie, aufspringend. Fernando stand vor ihr. Luise, sagte er mit einem wehmüthigen Ton, verdiene ich denn wirklich nur Ihren Abscheu? – Ich weiß es nicht, stammelte sie, Gott allein weiß es; allein jetzt bitte ich Sie, verlassen Sie mich. O bei allem was Ihnen heilig ist, verlassen Sie mich! Sie stoßen mich also ganz und auf immer von sich? fragte er, ihre Hand an sein Herz drückend. Auf ein Vorurtheil hin verdammen Sie mich, zwingen Sie sich selbst, mich zu hassen! Luise versuchte, sich zu entfernen. Nein, nein! rief er, ich lasse Sie nicht, jetzt nicht,[129] ich will einmal in meinem Leben wenigstens zu Ihnen reden; rechnen Sie es dem glühenden, heftigen Jüngling nicht zu gering an, daß er die ganze Zeit über schwieg, daß er ein Feuer in sich zurückdrängte, was Sie erschrecken würde, wenn es einmal ungehindert aufflammte. Beide schwiegen einen Augenblick. Was that ich Ihnen, sagte er darauf, um dies abstoßende, geringschätzige Betragen zu verdienen? Mußten Sie mich niedertreten, um sich zu heben? Fand Ihr Stolz Nahrung in den lauten Aeußerungen eines ungerechten Hasses? Jener Brief – O Gott! o Gott! rief Luise ganz erschöpft; ihr Kopf senkte sich und heiße Thränen flossen auf die schönen Hände, die sich kreuzend auf der Brust falteten. Wer hat Sie, rief Fernando, so in sich selbst aufgeschreckt, daß Sie aufhörten, der einfachen Richtung Ihres Gefühls nachzugehn? Warum strafen Sie mich, so oft eine mildere Regung aus Ihren Augen spricht; warum reizen Sie sich zu einem unnatürlichen Kampf, der Sie und mich zerstört? Luise, ich habe seit dem Tode jener Frau, die meine Jugend bildete, niemand auf Erden, der mit einem reinen heiligen Gefühl an mir hinge; ich habe auch niemand gefunden, dem ich mein ganzes Dasein so ungetheilt hingegeben hätte. In Ihre Hände allein lege ich es, wenn Sie meine Freundin, meine Schutzheilige sein wollen![130] Ich bin nicht schlecht! bei dem ewigen Gott, ich bin nicht schlecht! Wollen Sie? fragte er weich und schmeichelnd. Auf Luisens Augen schwebte ein zitterndes Ja. Ihre Augen schlossen sich an seine Brust, indem er sie leise auf die Stirn küßte.

Wie die ewige Versöhnung tönte das Wort Freundin in ihre Seele. Der schwere Kampf schien geschlichtet, Gott und Menschen versöhnt. Ist es denn wahr, sagte sie aufblickend, ich soll das nicht scheuen und verdammen, was ich mit unsäglicher Angst – Meine Luise, unterbrach sie Fernando, wie glücklich konnten wir lange sein, wenn Sie sich früher selbst verstanden! Ein Geräusch im Nebenzimmer machte ihn aufmerksam. Er führte Luisen zu einem Stuhl und stand ihr gegenüber, am Clavier gelehnt, als die Thür aufging, und Georg, mit zwei Lichten in der Hand, hereintrat. Immer aufmerksam auf alles, was seinem Dienst anging, hatte er sich erinnert, daß diese Zimmer noch nicht erleuchtet waren und daß sich die Gräfin, da er sie nicht in der Gesellschaft fand, wohl hieher könne begeben haben. Auf Fernandos Stirn lag der tiefste Unmuth über die unwillkommne Störung; er ging heftig auf und nieder, während der alte Diener alles gehörig ordnete, die Fensterladen schloß, und sich bei manchem kleinen Geschäft verweilte. Luise schien von allem[131] nichts zu bemerken; in der seligsten innern Stille ließ sie ihre Thränen ungehindert fließen. Georg betrachtete Beide kopfschüttelnd, und ging in der Ueberzeugung hinaus, daß der wüste Fremde seiner jungen Herrschaft recht zur Qual und Aergerniß hier sei. Bei dem Oeffnen der Thür schallte die Musik hell aus den Nebenzimmern herüber. Luise ward durch die Töne aufgeschreckt. Gehn Sie, lieber Fernando! rief sie eilig, gehn Sie zur Gesellschaft, ich folge Ihnen sogleich! Ist das die erste Bitte, Luise, fragte er verletzt, die Sie dem neuen Freunde zu thun hatten? Werde ich nie andre Worte aus Ihrem Munde hören? Gilt es denn immer nur, mich zu entfernen? Mein lieber Fernando, erwiederte sie, wenn Sie wüßten – Aber Sie sollen sehn, fiel er rasch ein, selbst einen neuen Ueberfall fürchtend, Sie sollen sehn, daß mir Ihr Wille in jedem Augenblick heilig ist, ich gehe; allein, Luise, wenn ich Sie jetzt ruhiger verlasse, wenn die Rührung Ihrer Engelseele mich entzückte, wenn ich mich einen Augenblick einer glücklichen Zukunft überließ, werden Sie fest bleiben? werden Sie nicht auf's neue, durch tausend Grillen erschreckt, wanken, und ein flüchtiges Wohlwollen bereuen, was mich auf ewig an Sie kettet? Nein, nein! rief sie aus vollem Herzen, ach nein, ich kann ja nicht anders als Ihnen vertrauen! Werden[132] Sie das immer? fragte er, auch wenn Zweifel Sie ängsten, auch wenn weise Rathgeberinn – O still, still! unterbrach ihn Luise, und drängte ihn bittend zur Thür.

Als sie zur Gesellschaft zurückkam, fand sie Emilien zwischen Carl und dem Maler, nachlässig auf einen Stuhl geworfen und ziemlich unwillig über den allzuoffnen Vetter, der sie, ohne Rücksicht auf ihren Nachbar, mit Fernandos Vernachlässigung und scheinbarer Erkaltung neckte. Sehn Sie! rief er, da sitzt er wahrhaftigen Gotts, tiefsinnig wie ein Engländer! er sieht nicht, er hört nicht. Wissen Sie was, wir wollen einmal mit einander walzen, vielleicht sieht er das, er wird eifersüchtig – Auf Sie? fragte Emilie spöttisch. Cousinchen, erwiederte Carl, werfen Sie die deutschen Männer nicht weg, es ist Verlaß auf sie; die Fremden sind Zugvögel, sie bauen sich hier keine Nester. Der Maler wollte sticken vor Lachen. Emilie stand endlich auf und ging zu ihrer Mutter, die sehr eifrig mit Stein redete. Der ernste Russe hatte sich zu Luisen gesetzt, und sprach verbindlich und mit vieler Einsicht über das Charakteristische deutscher Geselligkeit. Bei der unvermeidlichen Annahme und nothwendigen Verschmelzung fremder Sitten, meinte er, sei eine eingeborne Würde, ein gewisses häusliches Zusammenhalten[133] und meistentheils größere Tiefe des Gefühls ganz unverkennbar, was vorzüglich die Frauen sehr anmuthig zwischen die Engländerinnen und Französinnen stelle, und auch den Umgang der Männer, ohnerachtet ihres frühen Zurückziehens von aller geselligen Mittheilung, dennoch interessant mache. Sie war genöthigt, so verbindliche Worte aufmerksam anzuhören, und, indem sie sie schicklich erwiederte, das Gespräch länger als sie wünschte fortzusetzen. Fernando hatte sich ihr indeß genähert, und flüsterte, über ihren Stuhl gebeugt: Sie ahnden nicht, wie wehe Sie mir thun; müssen Ihre Freunde so schnell zurückstehn? Sie ward höchst verlegen, antwortete höchst einsilbig und unpassend, worauf der Obrist auch geschickt abbrach und sich zurückzog.

Mehrere der Fremden hatten noch einen weiten Weg zu machen; man trennte sich daher nach und nach, und die Baronin, die durch ihr Gespräch verstimmt schien, erklärte, daß es überall Zeit sei, der Ruhe zu genießen, worauf alles für heute auseinander ging.

Fernando hatte mit Recht neue Erschütterungen in Luisens Seele vorausgesehn. Sie war nicht sobald allein, als sie eine Bangigkeit befiel, die Hand in Hand mit der eingebornen Scheu vor dem Unrecht geht. Es regte sich jenes Zagen in ihr,[134] was zuerst die Bilder lockender Erinnrung unruhig hin und her wirft, bis das verlangende Auge nicht mehr darauf haften kann. Und wie dann alles so innerlich erzittert, so fliehen die Ahndungen höherer Liebe, die ein Gott uns einhaucht, die Erde öffnet ihren Schoos und zeigt uns alle Schrecken, die unsrer warten. Dazwischen hörte Luise Werners zernichtende Worte. Alles fiel ihr plötzlich zusammen. Sie erschien sich strafbarer, verlorner, als sie war; sie wußte nicht, wie sie sich selbst entfliehen sollte. Ach es war ja so wahr, so unwidersprechlich wahr; sie liebte ihn mit allen Kräften ihres empörten Herzens. Unter tausend Qualen war sie spät am Morgen eingeschlafen, als Julius vor ihr Bett trat. Sie schreckte bei dem leisen Geräusch auf. Ich wollte Dich nicht stören, sagte er, gutmüthig besorgt, aber ich bin Deinetwegen beunruhigt, liebe Luise, und muß Dich endlich fragen, was so schwer auf Deiner Seele drückt? was Dich so ausschließend beschäftigt, daß Du fast für nichts außer dem Sinn hast? Liebe, liebe Luise, verhehle mir doch nichts; glaube nur, ich habe Deine Schmerzen, ohne sie zu kennen, zerreißend gefühlt. Ach ich trage ja kein andres Leben in mir, als Dein Glück, Deine Ruhe. Sie sank weinend in seine Arme. O wäre er mein Bruder, dachte sie. Erinnerst Du Dich, fuhr er[135] fort, was die Mutter sagte: Luise hat nun niemand auf Erden als dich, verlasse sie nie, stehe ihr im entscheidenden Augenblick zur Seite. Meine Luise, sei offen. – Wie Himmelsthau fielen diese Worte in ihr Herz; sie rang noch einen Augenblick mit der Furcht, Julius durch ein freimüthiges Geständniß wehe zu thun; dann aber siegte die Wahrheit, ihr Innres schloß sich auf, die Worte schwebten auf ihren Lippen; da stürzte Mariane herein und sagte eilig, der Herr Jagdjunker und Herr Werner seien im Vorzimmer in heftigem Wortwechsel und sie habe von Schießen und Schlagen gehört. Julius sprang auf; er fürchtete Carls Ungestüm, und eilte, einem Unglück vorzubeugen. Nach einer Weile kam er sehr bleich und erschüttert zurück. Es ist nichts, sagte er angestrengt; ein Mißverständniß, das sich schon wieder aufgeklärt hat. Sonst nichts? fragte Luise, wirklich nichts? Nein, nein, wirklich nicht, erwiederte er und ging dann schweigend auf und nieder. Luise erwartete mit klopfendem Herzen, daß er das vorige Gespräch wieder anknüpfen und auf's neue in sie dringen sollte. Allein Julius sagte kein Wort. Sie selbst hatte nicht den Muth, wieder anzufangen. Ueberdem war der rechte Augenblick vorüber, und so blieb es zwischen Beiden still, bis Mehrere hinzukamen und im Allgemeinen ein leidliches Gespräch[136] in den Gang brachten. Ein flüchtiger Blick zeigte Fernando die Wolken auf Julius Stirn und Luisens trübe, gesenkte Augen. Er neigte sich daher zu Emilien und redete auf's neue angelegentlich mit ihr. Werner trat zu Stein, der in einem alten Buche, das er in jenem Schreine fand, verblichene, kaum noch kenntliche, Holzschnitte betrachtete. Die Worte darunter schienen häufig gelesen, denn zwischen den feinen Blättern lagen mehrere Zeichen, Goldfäden, auch Stückchen farbiger Stoffe, die wohl eine längst vertrocknete Hand da hinein gelegt hatte. O lassen Sie sehn! rief er, als Reinhold eben ein Blatt umschlagen wollte und er die Worte in kunstreich gezirkelten Buchstaben las: Von getreuer und sittsamer Minne. Die Andren näherten sich nach und nach auch. Man ward begierig, die Bedeutung der Bilder zu wissen. Eine innre Ehrfurcht vor den alten, ehrenwerthen Gestalten, ja vor dem Buche selbst, das wie ein edler, fremder Geist mitten unter ihre neue Ansichten und Gefühle trat, verscheuchte jede Spötterei. Man drang in Stein, die kleine Geschichte vorzutragen, und er, ohne sich lange bitten zu lassen, fing sogleich an:


Von getreuer und sittsamer Minne.

»Ein sehr edler und schöner Ritter hatte sich in die Tochter des Königs verliebt, die unter allen[137] fürstlichen Jungfrauen weit und breit, nicht allein als die anmuthigste und liebreizendste, sondern auch als die sittigste und in aller wohlanständigen Geschicklichkeit erfahrenste, berühmt war. Wie nun die Liebe von keiner Macht in der Welt Gesetze annehmen will, half es auch ihm nichts, daß er sich die Schwierigkeiten, ja die Thorheit eines solchen Beginnens, unablässig vor Augen stellte. Jemehr er sich schalt, um desto mehr entbrannte er in den gewaltigen Flammen, von denen sein ganzes Gemüth durchhitzt war, und es hätte wohl noch ein frühes Ende mit seinem Leben genommen, wenn ihm nicht ein günstiger Zufall, (so deren viele, sagt man, im Solde des Liebesgottes stehn sollen,) zu Hülfe gekommen wäre. Auf einem großen Jagen nämlich, als er sich in den tiefsten Wald begeben hatte, um seinen schwermüthigen Gedanken nachzuhängen, begab es sich, daß er auf die Prinzessin traf, indem sie durch ihren scheuen Zelter weit von dem ganzen Hofgefolge auf ungebahnten Wegen fortgerissen ward. Er that dem wilden Thiere Einhalt, und nachdem er die schöne Jungfrau herabgehoben hatte, wollte sie sich nicht wieder der einmal bestandnen Gefahr anvertrauen, sondern zog es vor, sich von dem jungen Helden zu Fuß nach dem Schlosse heimgeleiten zu lassen. In dem dunkelgrünen, sonnendurchblitzten Laubholz schlug[138] dem Ritter das Herz immer höher und höher; er sing an zu bedenken, daß, wenn es doch einmal umgekommen sein müsse, der Schrecken ein schnellres und leichteres Ende bescheere, als der Gram, und daß er lieber an der Grausamkeit seiner Dame, als an der eignen Zaghaftigkeit sterben wolle. Deshalben begann er erst mit stotternder, dann mit überströmender Zunge und weinenden Augen, der Schönen sein Leid zu klagen. Sie gedachte ihn anfänglich zum Schweigen zu verweisen, aber weil der einsame Weg so gar lang währte, konnte sie letztlich das Heben und Senken ihrer zarten Brüstlein, das Erröthen ihrer Wangen, das Blitzen ihrer Augen sich und dem Ritter nicht länger verbergen. Sie gestand ihm, daß sie vor allen Männern auf der ganzen Erde nur ihn allein mit herzlicher Treue meine, und hiermit zu ihrem Verlobten auserwähle. Als sich nun der Liebhaber recht versann, daß er nicht etwa dergleichen blos im Traum, oder sonst in phantastischen Gesichtern erblicke, sondern in der That die schöne Königstochter ihm ihre Liebe gewähre, dachte er vor Freuden zu sterben, wie noch wenige Stunden früher vor Herzeleid. Kaum aber daß er sich ein wenig erholt hatte, so schlug er eine Menge Mittel vor, wie sie beide recht bald zu dem ehrlichen Ziel ihres Liebhabens in einer vergnügten Ehe gelangen möchten.[139] Die kluge Jungfrau aber sagte: Laßt es uns wohl bedenken, mein herzlieber Herr Adelhof, (denn also war der Ritter bei seinem Taufnamen geheißen,) daß wir auf ein gar ängstliches und gefährliches Unternehmen ausgehn. Mein Vater, wie Euch nicht fremd sein kann, ist gar ein ernster und hochtrachtender Herr, eines recht fürstlichen Heldengemüthes, der nimmermehr zugeben wird, daß seine Tochter einem Vasallen zu Theil werde, es sei denn, daß sich dieser durch unerhörte Thaten den regierenden Häuptern gleich zu stellen wisse. Nun aber habe ich das gute Vertrauen zu meinem Gott (wohl spürend, daß meine Liebe keusch und rein, und seines heiligen Schutzes werth sei), daß er Euch eine Gelegenheit geben wird, Euern schon erprobten Rittermuth zum Heil des Königs und des lieben deutschen Landes auf eine solche Weise leuchten zu lassen, daß Euch meine Hand als ein billiger Ehrenpreis nicht versagt werden mag. Wollet deshalb damit zufrieden bleiben, süßer Freund, daß meine unsterbliche Seele, nächst Gott, Euch allein angehört, und in Geduld stehen, bis sich eine günstigere Zeit offenbart. Auch wollet nichts von heimlichen Zusammenkünften oder dergleichen Leichtfertigkeiten begehren, sintemal das Euerm eignen künftigen Eheweib eine große Schmach sein würde.

Unter dergleichen liebevollen, doch frommen,[140] Gesprächen waren sie zu dem Schloß gekommen, wo der König eine große Freude über die Rettung seiner Prinzessin Tochter bezeugte, ohne nur im geringsten zu ahnen, was sie im Walde mit dem Ritter Adelhof könne verabredet haben.

Von diesem Tage an lebten die beiden jungen Leute in aller züchtigen Liebe und Ergötzlichkeit unterschiedliche Monden hintereinander sonder Störung fort. Wenn es auch bisweilen geschah, daß bei dem Ritter, wie es der Männer Art ist, ein ungeduldiges Feuer aufgehn wollte, so wußten doch alsbald die sittigfreundlichen Blicke der Jungfrau die ungestüme Lohe dergestalt zu bezähmen, daß nur ein stiller, labender Schein daraus übrig blieb, dessen niemand als sie selbst wahrnehmen mochte. Der Ritter ward mit jedem Tage frömmer und linder gegen Menschen sowohl als jede andre Creaturen, und wenn er einen deutsamen Gruß von seiner Herzliebsten gewonnen hatte, schien es gar, als lächle der Himmel selbst aus allen Zügen seines Antlitzes.

Ein so recht paradiesisches Erquicken jedoch kann auf unsrer Erde nicht von langem Bestand sein. Es verbreitete sich nach kurzer Zeit das Gerücht, als habe der König seine Tochter an einen benachbarten Prinzen verlobt, welcher auch gleich darauf selbst an den Hof kam, öffentlich in den[141] Farben der schönen Jungfrau prangend, und überhaupt weder seine Werbung noch die Begünstigung des Brautvaters im geringsten verhehlend. Wie da dem armen Ritter Adelhof zu Muth gewesen sei, kann leichtlich ein jeder selbst ermessen, sofern er nur einmal die ergötzlichen und doch auch oft so schmerzlichen Blumenketten der Minne getragen hat. Wenn dem Ritter auch kein Zweifel an die Beständigkeit seiner tugendhaften Liebschaft in den Sinn kam, so wußte er doch auch recht gut, wie weit eines gekrönten Königs Arm reiche, und wie schwer es halten müsse, durch einen so hartnäckigen und vielfach unterstützten Willen zu brechen. Doch tröstete er sich damit, daß es auch kein Leichtes sei, getreuer Liebe einen Kampf abzugewinnen, und daß seine Gegner daher wenigstens eben so schwieriges Spiel vorfänden, als er. Entschlossen, das Alleräußerste mit tausend Freuden zu wagen, trachtete er nur darnach, wie er seiner geliebten Prinzessin von diesen Gedanken Nachricht geben und gehörige Abrede treffen möchte.

Auf einem Turniere, das man dem fremden Brautmann zu Ehren angestellt hatte, gebrauchte sich der Ritter Adelhof so männlich, daß man ihm vor allen Anwesenden den Preis zuerkennen mußte, und zugleich die Ehre, am Abende den Reihen mit der Prinzessin zu beginnen. Das war es eben,[142] was er so eifrig gesucht hatte, und während nun die Musik recht kunstreich und gewaltig durch den Saal schmetterte, er aber mit zierlichgemessenen Schritten neben der Jungfrau hertanzte, nahm er Gelegenheit, ihr auf eine geschickte Weise zuzuflüstern, wie er Willens sei, sie am folgenden Abend zu entführen, der Hoffnung, daß sich jenseit des Meeres Sicherheit und ein bessres Glück antreffen lasse. Sie aber entgegnete voller Schrecken: Wie sollte ich ein so großes Uebel thun, und als eine unverehelichte Magd heimlich mit Dir aus dem Hause meines Vaters wegziehn! – Adelhof sagte mit herzlichem Bedauern: ich merke leider schon, wo das hinaus will. Die Pracht des Fremden hat Dein Gemüth befangen, und Du möchtest des armen Edelmanns nun gern entledigt sein. – Nicht also, sprach die Jungfrau. Keinem andern Mann als Dir will ich jemals angehören, aber auch ein reines, fleckenloses Weib bleiben, so weit es einem sündigen Menschenkinde möglich ist. – Ach, bedenke Dich wohl, was du thust, sagte der Ritter. Du stößest ein getreues Herze von Dir, denn wenn Du nicht einwilligest, mit mir von hinnen zu ziehn, so erwähle ich mir selbst die Verbannung aus diesen Landen, allen glatten Worten unvertrauend, die so übel mit der That zusammenstimmen. – Was recht und ehrlich ist, soll geschehn, mehr aber[143] nicht, sagte die Jungfrau, und damit hatte eben der Tanz ein Ende genommen. Sie mußten von einander gehn, ohne daß sie die Gelegenheit finden konnten, ihre Angelegenheiten des weitern zu besprechen. Der Ritter sah die Jungfrau wohl bisweilen flehend an, in Hoffnung, irgend eine günstigere Entscheidung aus ihren Augen zu schöpfen; aber ob sich diese gleich vielmals mit recht perlenglänzenden Thränen füllten, wiegte sich doch das schöne Haupt dabei leise verneinend hin und her, daraus wohl abzunehmen stand, wie es bei dem einmal gefaßten Entschluß bleibe.

Sich selbst und Alle scheltend, die jemals ihr Vertrauen auf das eitle Gemüth eines Weibes gesetzt, verließ der Ritter den Tanz, in Willens, mit dem frühsten Morgen davon zu reiten, je weiter je lieber, von einer Gegend, wo es ihm mit seinen liebsten Wünschen so widerwärtig gegangen war. Deßungeachtet kamen ihm mit dem hellen Morgenrorh andre Gedanken zurück. Er meinte, wie doch immer Licht aus Nacht entsprieße, möge es auch wohl mit seinen Schicksalen ergehn, die Jungfrau habe sich vielleicht ihr furchtsames Verweigern schon längst gereuen lassen, und es komme nur auf einen kühnen Versuch an, sie für seinen Entwurf zu gewinnen. Dieses Vertrauens voll, richtete er Alles zur Reise ein, ohne sich dabei[144] einer lebendigen Seele anzuvertrauen, erhandelte auch unter anderm Vorwand einen leichten Zelter mit bequemem Geschirr für seine schöne Genossin, und harrte ganz allein, die beiden Rosse am Zügel, unter ihren Fenstern, bis er an dem Lampenschimmer vermerken konnte, sie sei nun von dem Nachtmahle zurück gekehret und allein in ihrem Gemach. Da begann er folgende Verse zu singen:


Nicht allzuhoch die Fensterwand,

Strickleiter in des Liebsten Hand;

Ein Wink aus Liebchens Fensterlein,

So stiegt die seidne Trepp' hinein,

Und will sie dran hernieder gleiten

So können, eh' der Morgen graut,

Von stiller Nacht allein beschaut,

Zum Meerstrand die Verliebten reiten.


Er sah wohl, daß sich die Schöne dem Fenster zu nähern schien, und sang deshalb in froher Hoffnung fort:


Was ist der ächten Minne gleich?

Nicht Fürstenthum, nicht Königreich.

Zwei Herzen fromm, zwei Herzen treu,

Sie ziehn sich an in süßer Scheu,[145]

Mit Mond und Stern im frohen Bunde

Wird ihnen Nacht zum heitern Tag,

Das Waldesgrün zum sichern Dach.

O Liebchen komm, gut ist die Stunde.


Die Jungfrau stand an dem Schieber, es war schon, als wolle sie das Fenster öffnen; aber mit einemmale ließ sie den Vorhang herunter rollen und floh zurück. Der Ritter sang mit weinenden Augen:


O schwacher Sinn! O falsches Herz!

Du wählst und giebst für Freude Schmerz!

Warst doch allein all' meine Lust,

Trug nur Dein Bildniß in der Brust,

Und soll Dich nun so gar entbehren,

Trüb scheiden, der so fröhlich kam.

Ach Gott, erstärk' nur meinen Gram,

So wird er früher mich verzehren.


Es kam ihm vor, als sähe er durch die Vorhänge, wie die Prinzessin mit vor den Augen gehaltnen Händen heftig weine, ja als vernähme er ihr leises Schluchzen; plötzlich aber löschte sie ihr Licht und es ließ sich keine Regung in dem dunklen Zimmer mehr vernehmen. Da riß er in wildem Unmuth den Zügel von des Zelters Hals und jagte ihn von sich, während er auf seinen[146] Streithengst sprang und diesen mit wilden Sporenstößen in den Wald hinein trieb.

Eine lange Zeit hindurch zog er in fremden Landen umher, in solchen am liebsten, wo man gar nichts von der lieben deutschen Muttersprache verstand, auf daß er nur von aller Erinnerung an die Jungfrau befreit werden möchte. Ja, so oft sie ihm des Nachts in Träumen vorkam, pflegte er am folgenden Tage recht geflissentlich Festlichkeiten oder Gefechte aufzusuchen, um seine Betrübniß gleichsam in derlei ungestümen Meeren zu ertränken. So geschah es, daß er endlich am Hofe einer italischen Fürstin bekannt ward, die von allen Hofleuten sowohl, als auch von den kunstreichsten Bildhauern und Malern für die schönste Person auf der ganzen Welt gehalten ward. Der Ritter Adelhof meinte, wenn er deren Minne verdienen könne, sei er auf's beste an der Königstochter gerächt, und müsse es ihr zum absonderlichen Kummer gereichen, ihren verstoßnen Liebhaber so glänzend entschädigt zu wissen. In dieser Absicht strebte er nach allen Kräften, die Gunst der schönen Italienerin zu gewinnen; da er aber (wie sich leichtlich denken läßt) eine große Schaar von mannlichen und schönen Mitwerbern vorfand, konnte er sich nie vergewissern, wie er eigentlich bei der Dame stehe, ob er gleich[147] täglich auf das freundlichste empfangen ward, ja sich sogar mancher sehr günstigen Blicke und Worte zu rühmen hatte.

Viele Ritter und Herren, denen es auf gleiche Weise erging, wurden endlich eins, die Schöne um eine bestimmte Erklärung anzugehn, und wenn sie auch noch von keiner bestimmten Wahl hören wollte, sie doch wenigstens um die Aufgabe irgend einer That oder eines Geschenkes zu bitten, wodurch man des Glückes ihrer Minne theilhaftig werden könne; des vergeblichen Harrens und Seufzens, wie aller fortdauernden Ungewißheit, sei man nun einmal durchaus überdrüssig. Man brachte ihr auch diese Willensmeinung vor, obgleich mit den allerzierlichsten und verbindlichsten Worten, welche sich nur erdenken lassen. Die Schöne aber entgegnete den versammelten Werbern: Ihr Herren, meine Antwort wird kurz sein, wie Ihr Euch denn die Aufgabe leicht selbst hättet machen können, wenn irgend etwas Wahres an Eurer Bewundrung meiner Schönheit zu finden wäre. Ist die Gestalt, in welche es dem Himmel beliebt hat, mich zu kleiden, so gänzlich makellos, als Ihr zu glauben vorgebt, wie ist es dann noch Keinem eingefallen, daß einer solchen auch ein makelloses Gewand gebühre? Was ich aber bis jetzt von Seide, Stoff, Leinen, Flor und irgend andern Kleidungsstücken gesehn[148] habe, trug beständig irgend einen Mangel an sich. Auf dann, Ihr Werber, mir ein Gewebe sonder Fehl zu verschaffen, und wem es damit gelingt, der soll mich in eben diesem Kleide zur Trauung führen.

Die Ritter standen eine Zeitlang bestürzt, vermeinend, man würde ihnen eher ein kühnes Wagstück aufgegeben haben, als das Erkiesen eines tadelfreien Gewebes, worauf sich die Wenigsten von ihnen verstehn mochten. Demohngeachtet grübelten sie nicht allzulange; wollten sie die Braut haben, so mußten sie nach deren Willen tanzen, weshalb sie auch mit dem nächsten Tage nach allen vier Weltgegenden hinauszogen.

Der junge Deutsche Weigand Adelhof nahm seine Richtung noch weiter gegen Mittag, des Glaubens, wie die Lüfte klarer, die Flüsse heller, die Sonnenstralen lichter würden, müßten auch die Werke aller Menschenkinder an Zierlichkeit und Zartheit zunehmen.

Ein heilsames Verirren brachte ihn jedoch bald darauf in dunkler Nacht zu der Hütte eines Klausners, der ihn gastlich aufnahm, und während des mäßigen Mahles ungefragt durch ihn selbst (wie denn das der Jugend Art zu sein pflegt) von seiner Reise und ihrem Ziel umständlich benachrichtigt ward.[149]

Ei, rief der Siedler am Ende der Geschichte aus, Ihr kommt mir vor wie ein sehr thörichter Gesell. Nicht allein, daß Ihr Eurer Spinne selbsten die Gewebe zutragt, darin sie Euch desto besser fangen möge, sucht Ihr auch das noch auf ganz verkehrten Wegen! Seid Ihr ein geborner deutscher Edelmann und wißt noch nicht, daß in Eurem Land fast einzig und allein die rechte ernste Freudigkeit und Treue, vermöge deren man kunstreiche Arbeiten verfertiget, daheim sind? Halte dafür, Eure fremden Nebenbuhler wissen besser Bescheid, und haben gewiß sämmtlich ihre Richtung nach der deutschen Gränze genommen.

Herr Adelhof schämte sich sehr, daß er dieser Zurechtweisung bedurfte, und machte sich in aller Frühe und Eilfertigkeit auf den Weg nach Deutschland.

In der That war er auch kaum einige Tage lang in dem guten Lande Tyrol, als er schon von einer wundersamen Frau hörte, welche Gewande zu weben und zu sticken verstehe, dergleichen man in der ganzen weiten Welt nicht finde. Sie wohne, sagte man ihm ferner, bei einer alten Hirtenfrau im Gebirge, welche ihr vor etwa zwei Jahren aus Erbarmen, fast ungern, Obdach gestattet habe, nun aber sich durch die Arbeiten der Fremden in einen großen Wohlstand versetzt[150] befinde. Das meiste ihres reichlichen Gewinnstes wende jedoch die fromme Weberin auf Capellen und Kirchen, deren sie schon unterschiedliche in dem sonst wilden Thale mit aller Pracht und Zierlichkeit habe erbauen lassen. Sie selbst führe ein wahres Klosterleben, und erlaube nur ihrer alten Wirthin den Eintritt in ihre Zelle. Der Ritter, voller Ungeduld, das Ziel seines Suchens zu erreichen, kam noch selben Abends vor der Meierei der Hirtenfrau an, von welcher die Klause, darin die gottesfürchtige Fremde ihr einsames Wesen trieb, etwa fünfhundert Schritt oder mehr entlegen sein mochte. Die alte Wirthin nahm ihn zwar anfänglich ganz willig auf, als er aber sein Begehren nur kund zu thun anfing, unterbrach sie ihn sogleich, versichernd, die Gedanken daran könne er sich auf alle Weise vergehn lassen. Es seien schon viele reiche und edle Herren in der nämlichen Absicht hier gewesen; da habe die fromme Dame erklärt: um kein Geld, noch Gut, noch Ehrenbezeigung, wolle sie die Hand für die Befriedigung solch toller Eitelkeit anlegen, die sich ja in der That an Uebermuth den Einfällen vergleiche, womit ehemals Feien und andre böse Heidinnen die Welt geplagt hätten, wie man davon manche furchtbare Geschichte vernehme. Der Ritter Adelhof ward zwar über diese Weigerung[151] sehr bestürzt, jedoch wollte er nicht minder als seine Nebenbuhler versucht haben, und drang daher in die Alte, sein Anbringen doch wenigstens der Dame vorzutragen. Man müsse alles zu seinem Glücke aufs fleißigste anstellen, meinte er; niemand wisse, was grade ihm aufgehoben sei, und schlage es auch alsdann gänzlich fehl, so dürfe man doch nicht auf sich selber schelten. Die Alte konnte ihm hierin nicht gänzlich Unrecht geben, und verfügte sich daher nach der Klause, wobei sie indeß beständig den Kopf als in vielem Zweifeln schüttelte. In der höchsten Verwundrung aber kam sie zurück, so schnell es ihre wenigen Kräfte erlaubten, die Hände zusammenschlagend, und ausrufend: Ihr thut wahrhaftig wohl, Eurer Fortuna zu vertrauen, denn Ihr seid ein unstreitiges Glückskind. Zum erstenmale, seit ich die fromme Dame kenne, hat sie ihren Entschluß geändert. Sobald ich Euren Namen und Begehr vorgetragen hatte, entgegnete sie: sag' ihm, daß ich in diesem Augenblick an die Arbeit gehe, daß ein tadelfreies Gewebe binnen neun Tagen vollendet sein soll, und daß er so lange bei Dir herbergen mag, um es alsdann gleich mitzunehmen und seiner wunderschönen Braut zu überbringen. Störe mich aber in dieser Zeit mit keinem Worte. Ich bedarf eines[152] frommen, gesammelten Gemüthes und vieles Betens, um eine solche Arbeit zu Ende zu führen.

Der Ritter wunderte sich selbst über die unvermuthete Gewährung seiner Wünsche; da ihn aber eine große Ungeduld nach Welschland zurück trieb, dachte er nur daran, es ins Ungewisse stellend, woher ihm ein so großes Glück aufgegangen sei, und ergab sich während der langen neun Tage fast in einem fort dem Zeitvertreib des Jagens, wie es denn einem so rüstigen und vornehmen Herrn auch wohl geziemte. Eines Abends kam er ganz spät aus dem Forste zurück, und, indem ihn sein Weg zufälliger Weise an der Klause vorbei führte, hörte er darin singen. Er stand neugierig still und vernahm folgende Worte:


O schwacher Sinn! O falsches Herz!

Du wählst und giebst für Freude Schmerz.

Warst doch allein all' meine Lust,

Drug nur Dein Bildniß in der Brust,

Und soll Dich nun so gar entbehren,

Trüb scheiden, der so fröhlich kam.

Ach Gott, erstärk' nur meinen Gram,

So wird er früher mich verzehren.


Er wußte nicht, ob er wache oder träume, denn ihm waren diese Verse, welche er am Abende seines Abschieds von der Königstochter gesungen[153] hatte, noch wohl im Sinn geblieben. Nach Endigung des Liedes hörte er die Dame bitterlich weinen und sagen: o mein herzallerliebster Freund, wie großes Unrecht hast Du mir mit solchen Klagen gethan, und wie viel besser passen sie nun für mich. Damit ward sie wieder stille, und man vernahm nichts mehr, als den Gang des fleißig angeregten Webestuhls.

Es ward dem Ritter unheimlich zu Muth; er mußte beinah glauben, daß die Königstochter vielleicht gestorben sei, und ihm nun mit gespenstischem Treiben verfolge, denn wie sollte sie lebendig, von Vater und Bräutigam weg, allein in dieses Gebirge gekommen sein, und wem hinwiederum war das Abschiedslied bekannt, als ihm und ihr? – In solcher Zweifelhaftigkeit verging ihm die Nacht, und auch ein Theil des folgenden Tages, ohne daß er sich der Klause wieder näher gewagt hätte, als er aber im Forste einen Jäger antraf, mit dem er schon vor einem Paar Tagen Bekanntschaft gemacht hatte, konnte er nicht umhin, ihn wegen der Königstochter zu befragen, ob man nicht in deutschen Landen höre, wie lange sie schon mit dem Fürsten verheirathet sei, und wie es ihr mit ihm ergehe?

Ei mein Gott, wißt Ihr das nicht? sagte der Jäger. Da ist an keine Heirath zu denken,[154] und wer weiß, ob das schöne Fräulein nicht längst in Noth und Elend vergangen ist. Der König bestand wohl auf diesen Eidam, sie aber soll einen Andern im Herzen getragen haben, oder der Bräutigam war ihr sonst zuwider. Da gebot ihr der König kraft seiner väterlichen sowohl als herrschaftlichen Gewalt, sie solle sich des nächsten Sonntages in der Kirchen einstellen, geschmückt, wie es einer fürstlichen Braut gezieme. Sie kam auch dem Befehl mit allem Gehorsam nach, vom Priester aber befragt, entgegnete sie laut vor allem Volke, wie sie zwar wohl wisse, daß sich keine Magd ohne Vergunst ihres Vaters verehelichen dürfe, daß sie aber auch ein so heiliges Sakrament, als die Ehe, nicht durch eine lieblose, aus weltlichen Rücksichten gegebne, Einwilligung, entweihen könne. Bitte derohalben um Erlaubniß, dieser Verbindung überhoben zu sein, und sich erst dann einem Gemahl zu ergeben, wenn solcher, als ein vom Himmel beschiedner, dem Willen ihres Herrn Vaters und ihrem eignen Gemüthe gleich angenehm sei. – Alle Leute verwunderten sich und erfreuten sich über die sittsame Festigkeit, mit welcher sie diese Worte vorzubringen wußte. Der Bräutigam aber ritt im Zorne davon, und der König zog seine Hand gänzlich von ihr ab. Sie könne heirathen wem sie[155] wolle, erklärte er feierlichst, solle sich aber bei Todesstrafe nicht länger an seinen Hoflager sehn lassen. Nachdem sie mit demüthigen Thränen auf's unterwürfigste Abschied genommen, hat zum größten Leidwesen der Unterthanen Niemand erfahren können, wohin sie gekommen sei, ob sie noch zu den Lebendigen, oder schon lange zu den Todten gehöre.

Hiermit schloß der Jäger seinen Bericht, und Adelhof, von einem heißen Reumuth durchdrungen, dachte nur daran, wie er seine verkannte und verlaßne Geliebte, (denn als solche erkannte er nun die fromme Weberin wohl) nach Gebühr an ihm selbst rächen wolle. Als daher die Alte nach Verlauf der neun Tage ihm das Gewand einhändigte, bat er, sie möge, da ihm die Dame doch so gnädig gewesen sei, ihr noch seine Bitte um mündliche Empfehlung und Danksagung vortragen. Die Alte berichtete zurück, wie die schöne Dame sehr betrübt gewesen sei, und nach einem schweren Seufzer gesagt habe: Herr Gott, auch das noch! aber er mag nur kommen.

Adelhof fand sie in tiefe Schleier gewickelt, in welchen sie ihm unerkannt zu bleiben meinte; er aber ließ sich vor ihr auf ein Knie nieder, und während er ihr seinen Dolch darreichte, sprach er: Wollet zu der mir erzeigten Huld[156] auch noch die fügen, schöne Königstochter, einem thörichten, undankbaren, aber bereuenden Jüngling mit Euern Händen den verdienten Tod zu geben, und ihm solchermaßen zur Ruhe zu verhelfen. Ich habe schwer an Euch gesündigt, und wohl wissend, wie ich Eurer gänzlich unwerth bin, erbitte ich mir nur noch diese einzige Milderung meines Elends. Sie aber schlug die Schleier zurück, und, ihn in all ihrer Schönheit und Frömmigkeit anlächelnd, sagte sie: willkommen sei, mein süßer Freund und Gemahl. Mein Vater hat mich der Schuldigkeit entbunden, die mich von Dir geschieden hielt. Hast Du mich nun noch lieb, so ist mein Leid in Freude verwandelt, und wir wollen als liebevolle Eheleute mit einander leben, das Eine jedoch bedungen, daß Du aller Klag' und Schmähung gegen meinen Herzgeliebten, den edlen Ritter Adelhof, entsagst. – Hierauf breitete sie ihm ihre zarten Arme entgegen, und er, sie umfangend, sagte: O lieber, getreuer Gott, wen Du auf Erden froh, im Himmel selig haben willst, dem gieb zur Geleiterin eine fromme deutsche Frau.

Der welschen Fürstin ward fortan unter den Beiden nicht mehr gedacht, und nach langem, freudvollen Ehestande hinterließen sie ein zahlreiches und höchst ruhmwürdiges Geschlecht.«
[157]

Als Stein geendet hatte, legte er das Buch schweigend aus der Hand. Niemand redete. Manchem hatte die Erzählung Langeweile gemacht, Andren riefen jene einfache Töne alter fester Zeit wehmüthige Vergleiche mit der zerfallnen, zerstückelten, Gegenwart herauf. Luise allein lebte ganz in den vorübergeführten Begebenheiten. Diese stille Sicherheit, im schwersten Kampf zwischen Neigung und Pflicht, dies reine Wollen und Vollbringen, ja die ganze prunklose Tugend altdeutscher Sitte, der ungetrübte Spiegel einer jungfräulichen Seele, warf einen so klaren Schein zurück, daß sie scheu in sich zurückbebte. Ich will fliehen, dachte sie, weit weg von hier, zu dem Grabe meiner Mutter. Ach meine Mutter! sie schlug die schönen Augen gen Himmel, rufe mich zu dir, sagte sie leise, wo keine Sünde ist, und kein Verbrechen dein schwaches Kind irre leitet!

Wollen wir noch einen Gang im Freien machen? sagte die Baronin aufstehend. Die Luft wird Allen nach dem gestrigen Tanze wohlthun. Sie hatte nicht viel auf die Vorlesung geachtet, ihr lagen andre Dinge im Sinne, daher sie auch, sobald sie einige Schritte mit Luisen vorausgerückt war, anhub: Wir verlassen Sie diesen Nachmittag, liebes Kind, es ist Zeit, glauben Sie mir, auch für Emilien! – Fürchten Sie, fiel Luise ein, daß[158] Fernando? – hierüber bin ich eben so wenig als irgend jemand im Irrthum, erwiederte sie etwas heftig, allein, Emilie wird unsicher in sich selbst, und das könnte ihrem Gefühl grade eine Richtung geben, die mir nicht willkommen wäre. Wenn ich sie bis jetzt mit scheinbarer Sorglosigkeit sich selbst überließ, so geschahe das auf die Ueberzeugung hin, daß ich sie in jedem Augenblick verstehe, und bei der Gewalt, die ich über sie habe, einlenken kann wenn ich will. Emilie ist sehr unbefangen hingebend, aber auch eben so fügsam in die Nothwendigkeit äußrer Verhältnisse. Sie schließt sich an, und wendet sich ab, wenn es die Umstände gebieten, ohne sonderlichen Kummer zu empfinden. Mein Gott, unterbrach sie Luise, fürchten Sie denn nicht, daß, bey diesem steten Herumschweifen, ihr eigentliches Gefühl zu Grunde geht? Ihr eigentliches Gefühl? erwiederte die Baronin; verwechseln Sie doch damit ein flüchtiges Wohlwollen nicht. Die jungen Leute halten gemeinhin Eins für das Andre, und wenn man denn recht viel Aufhebens damit macht, so künsteln sie sich eine Leidenschaft zusammen, die sie und Andre erschreckt. Ueber die große Ruhe, ja Nichtachtung, mit der ich jede Bewegung in Emiliens Herzen kom men und schwinden sah, ist es bei ihr niemals recht zur Sprache gelangt, und ich denke, sie soll die Tiefe[159] und den Umfang ihres eigentlichen Gefühles, wie Sie sagen, unter ernstren Beziehungen kennen lernen. Hier ist sie indeß in einer mißlichen Lage. Wenn Fernando ein künstliches Feuerwerk vor ihr aufsteigen läßt, so ruft Stein mit seinen bilderreichen mystischen Worten Irrlichter aus der Tiefe, die sie vollends verwirren. Er hat gestern lange mit mir über sie geredet. Ich habe eine herzliche Achtung vor ihm, allein für Emilien paßt er nicht. Seine Welt ist nicht die ihrige, und eben, daß sie sich für einen Augenblick in jene könnte hinüberziehn lassen, machte unsre Abreise nothwendig. Von hier aus trennen wir uns alle. Stein geht mit Herrn Werner nach Berlin, Carl zu seinem Fürsten, und der Maler bleibt bei Fernando zurück. Luise sagte noch einige höfliche Worte, um sie länger zurückzuhalten. Lassen wir das, erwiederte jene, unsre Gegenwart hat Ihnen nicht wohl gethan; allein besser, wir reden davon nicht weiter! ich hätte vielleicht überall besser gethan, zu schweigen. Doch war es bei Ihnen ganz anders als bei Emilien. Die leidenschaftliche Heftigkeit Ihres Gemüthes war früher durch den steten Kampf aufgeregt, zu dem Sie eine verfehlte Wahl verdammt. – Bis dahin hatte es Luise noch nie gewagt, klar zu denken, daß sie besser hätte wählen können. Wie eine schwere, drückende, Kette schlang sich plötzlich[160] das Band, das sie an Julius fesselte, um ihr Herz. Tausend frevelhafte Wünsche flogen kreuzend an ihr vorüber; das Unmögliche zeigte sich aus der Ferne erreichbar; es trat immer näher und näher auf sie zu. Verzeihen Sie, sagte die Baronin, wenn diese Worte Sie verletzen. Sie sind nicht glücklich, liebes Kind; aber eben darum müssen Sie auf sich achten und Ihr Gefühl vor der Welt verbergen. Ein Wort, Luise, um Gotteswillen, ein Wort, flüsterte Fernando, der sich an sie herangedrängt hatte, ich kann den Druck nicht länger ertragen, der bittre Schmerz liegt auf Ihren gesenkten Augen, auch Julius – was ist vorgegangen? Gleich, lieber Fernando, erwiederte sie, in der tödtlichsten Angst, daß die Baronin alles hören werde, – so bald wir allein sind. Wann werden wir das sein, fragte er unmuthig, es umringt Sie ja immer die halbe Dienerschaft; wann denn, Luise; wann meinen Sie? Bald, bald; diesen Abend, sagte sie, sich schnell wieder zu ihrer aufmerksamen Gefährtin wendend. Nun denn! rief er, bis dahin! Die Baronin hatte sich zu Emilien gekehrt, und Carl trat in ihre Stelle an Luisens Seite. Liebe Gräfin, sagte er, ich habe Sie noch um Vergebung zu bitten, wegen des Lärmens von heute Morgen. O ich weiß, unterbrach sie ihm, ich weiß alles. Sie wissen? fragte er, Sie? Nein, Sie wissen nicht,[161] Sie sollen auch nicht wissen, bewahre Gott, das fehlte noch! Nein, setzte er hinzu, es war nur von dem kleinen Schreck die Rede. Ich hatte nicht auf die Kammerfrau gemerkt, die im Vorzimmer das Frühstück besorgte, sie hat denn auch mehr davon gemacht, als dran war. Julius kam sehr ungerufen dazu! Na, es ist vorbei, alles ist gut, Sie sind es doch auch? Gewiß, mein guter Carl, erwiederte Luise. Er hatte sie bei der Hand gefaßt, und ging einige Schritte mit ihr voraus. Nun, und Julius, fuhr er fort, hat auch weiter keinen Unwillen gegen den Italiener? Gegen Fernando? fragte Luise, die es wie eine Ahndung anflog, daß Werner etwas in Beziehung auf ihn und sie könne gesagt haben. Um's Himmelswillen, ist er denn auch in dem Streit vermischt? Nun, so halb, erwiederte Carl. Ich bitte Sie, sagte Luise dringend, was ist vorgefallen? Nichts, nichts, antwortete er, was Sie jetzt noch ängstigen darf. O ich weiß es dennoch! rief sie ganz trostlos. Fernando – Herr Werner hat von mir und ihm – sie barg das Gesicht in den Tuch und weinte. Wenn Sie es denn doch wissen, sagte Carl, so will ich es weiter nicht leugnen; ja, er sagte so etwas, mit dem kalten, spitzen Ton, was ich nicht ganz verstand, was doch aber so zweideutig klang, und wie ich es nicht leiden mag, daß man über Sie[162] redet. Ich bat mir eine Erklärung aus. Da lachte er höhnisch, und meinte, die läge in der Natur der Sache, wie er sich denn immer so gelehrt ausdrückt. Ich versicherte ihn aber, ich verstände ihn noch nicht. Mein Himmel, sagte er, was ist denn Dunkles darin, daß ein hübscher, junger Mann sein Glück bei einer hübschen Frau versucht? Nun verstand ich ihn freilich, aber es kochte auch alles in mir, ich hätte ihn mögen zum Fenster 'raus werfen. Er blieb aber fest und keck bei seinem Satz, und, wie nachher Julius herzukam und sich nach der Ursach unsers Streites erkundigte, wiederholte er auf eine recht geschickte Manier beinahe dasselbe, so daß er eigentlich nichts widerrief und man ihm auch nichts anhaben konnte; dabei sah er unverändert so ruhig und blaß aus, wie immer, indeß ich über und über glühete. Wir gingen darauf ruhig auseinander, aber Julius kriegte doch einen Stich weg, das merkte ich ihm an. Er zuckte ein paarmal mit der Oberlippe, konnte aber kein Wort hervorbringen.

Armer, armer Julius, dachte sie, als sie eben wieder das finstre Schloß betraten, und ihr eignes Leid und das seine ihr doppelt schwer auf's Herz fielen. Sie wollte fort, nach dem Landhause ihrer Mutter; von dort aus wollte sie Fernando schreiben und ihn dringend bitten, diese Gegend zu verlassen.[163] Ihr ödes, freudloses Leben, hoffte sie, solle so nicht lange währen. Sie machte im Geheim alle Anstalten zu ihrer Reise, und als ihre Gäste sie nun endlich gegen Abend verließen, suchte sie Julius auf, und sagte ihm so ruhig als sie konnte, daß sie schon längst den Wunsch gehegt habe, das Grab ihrer Mutter zu besuchen, und daher gesonnen sei, auf ein paar Tage nach ihrem kleinen Dörfchen zurückzukehren. Julius drückte ihr gerührt die Hand und sagte: geh' nur, meine Luise, wohin Dein guter Geist Dich ruft. Der Maler und Fernando kamen darauf, sie zu einem Spatziergang abzuholen, und alle Viere bestiegen die nahen Berge. Luise, sagte Fernando, als sich Julius, eben mit dem jungen Künstler in einem Gespräch verwickelt, abwärts wandte, ich erinnre Sie an Ihr Versprechen. Hoffen Sie nicht, mir zu entgehn. Bei allem was heilig ist, ich muß Sie sprechen. Sie zögern – Bei dem ew'gen Gott, Sie wissen nicht was Sie thun! Ich zerreiße alle Bande, ich ehre kein Gesetz, nichts mehr. Auf diesen Armen trage ich Sie weit, weit weg von hier, wo keine Pflicht Sie bindet, wo Sie nichts hindert, mein zu sein – jetzt – Luise – jetzt in diesem Augenblick! – Er trat mit einer Heftigkeit auf sie zu, daß sie zusammenfuhr und ihre Hände flehend gegen ihn aufhob. – Um Gotteswillen, eine Entscheidung![164] ich ertrag' es nicht länger! Der Traum von Freundschaft ist hin, ich fühle nichts als die glühendste, zerstörendste Leidenschaft; ich muß Sie sprechen, heute noch – gewiß, Luise, heute noch – oder wir sehen uns nie wieder, oder dieser Augenblick ist der letzte meines Lebens. Er trat dicht an den Abhang des Felsens; den Kopf weit vorgebeugt, sah er schwindelnd in den Abgrund. Ich will, ich will Sie ja sprechen! rief Luise. O, mein Gott, wann! fragte er mit einem wilden Blick. Ich weiß es nicht, sagte sie zitternd. Ach Gott! wie soll ich in der Todesangst – Nun denn, hub er milder an, diesen Abend, wenn alles schläft, dann erwarte ich Sie da drüben in dem stillen Buchengange vor dem Kloster. Luise schauderte zusammen. Fernando hatte sich schnell zu dem rückkehrenden Julius gesellt. Sie hatte nicht die Kraft, den Fuß von der Stelle zu bewegen. Wie gebannt stand sie an die Felswand gelehnt. Luise! rief Julius, Du wirst Dich in der feuchten Abendluft erkälten. Sie schwankte unsicher an seiner Seite zum Schlosse zurück.

Als nun in der Nacht die Uhr, welche die Todesstunde ihrer Mutter anzeigte, Eins schlug, hüllte sie sich in einen Shawl und ging, die Hölle in der Brust, dumpf und zagend zur Gartenthür hinaus.[165] Sie warf einen scheuen Blick auf Julius Fenster. Das Licht brannte hell dahinter. O Gott, dachte sie, wenn er ahndete – Sie lief, ohne sich umzusehen, mit klopfender Brust, bis sie plötzlich vor dem Mönch zurückprallte, der ihr wie ein Geist aus dem Gebüsch entgegentrat. So spät, sagte er verwundert, in dem kalten Nebel! – Ich muß, guter Vater, erwiederte sie, ohne zu wissen was sie sagte; ich muß, ich kann nicht schlafen – Armes Kind! rief er ihr wehmüthig nach. Armes Kind, wiederholte sie; ja wohl, armes, armes Kind! Sie weinte heftig, als ihr plötzlich der Anblick des nahen Klosters ein unbeschreibliches Grausen einflößte. Hier! rief sie, ohne zu wissen was sie mit diesem Hier ausdrückte. Fernando trat ihr entgegen. Sie sank schweigend an seine Brust. Täusche Dich nicht, meine Luise, sagte er sanft, Dir ist dieser Augenblick so erwünscht als mir; du hast ihn durch schwere, unnütze, Kämpfe erkauft. Die kleine Unruhe wird sich legen. Es war Luisen, als zupfe sie etwas am Kleide. Sie sah sich um; der Hund ihrer Mutter sprang spielend um sie her. Wie vor einem menschlichen Auge schreckte sie bei dem Anblick des kleinen Thieres zusammen. Ihr war, als müsse er Zeugniß der dunklen, verbotnen That ablegen. Ach Fernando! rief sie angstvoll, verbirg mich vor mir[166] selber. Ja, Unglückliche! rief eine bekannte Stimme, verbirg Dich in die innerste Tiefe Deiner Seele. Luise erkannte, laut schreiend, Julius. Wie das rächende Schicksal trat er vor Beide. Alle zurückgedrängte Gluth seiner entzündeten Brust flammte lodernd auf. Er griff Fernando heftig beim Arm. Verflucht! rief er, verflucht sei die Stunde, wo Dich Deine Mutter gebahr, unwürdiger Freund! Lösche Dein Verbrechen mit Deinem oder meinem Blute. Er warf ihm ein Pistol hin. Fernando hob es still auf. Sie stellten sich gegenüber. Luise sank sprachlos zu Boden, indem sie ihre Arme flehend gegen Beide aufhob. Um aller Heiligen Willen! rief der Mönch herzustürzend, haltet ein, ihr seid Brüder, Fernando ist mein, ist Violas Sohn; ich bin Eduard von Mansfeld! Der Knall beider zugleich abgedrückten Pistolen fuhr schneidend durch die Luft, ehe er noch endete; Fernando fiel blutend in seine Arme.

Quelle:
Caroline de la Motte Fouqué: Die Frau des Falkensteins. Bdchen. 1–2, Band 2, Berlin 1810.
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