Elise an Hugo

[363] Wir haben uns, wir haben Emma betrogen. Ich dulde den Vorwurf nicht in meiner Seele! Ein rasches, offnes Geständniß soll die großmüthige Frau zu unserer Richterin machen. Durfte ich es mir bekennen, daß ich Sie liebe, Hugo! konnte ich es Ihnen gestehen, so habe ich keine zweite Demüthigung zu scheuen. Mein Gott! war es möglich? trägt das Leben solches Gift in sich, daß die allereinfachsten, natürlichsten[363] Beziehungen, die harmloseste Mittheilung, die ruhige Freude angenehmen Umganges, ein Netz um uns spinnen konnten, in dem Alles, bis auf den Willen, frei zu sein, gefangen ist?

Ich verstehe weder Sie noch mich, noch was wir beide empfinden! In diesem dumpfen Schwindel hege ich keinen andern Wunsch, als daß Emma wisse, wie mir ums Herz ist. Morgen, heute kann ich nicht mehr zu ihr dringen, morgen liege ich auf meinen Knien vor ihrem Bette, und beschwöre sie, mir zu glauben, daß ich unwissend fehlte!

O Hugo! Hugo! wo ist mein heiterer Muth, mein klarer, fester Blick! Ich bin gefangen, und keine Macht der Erde spricht mich frei!

Quelle:
Caroline de la Motte Fouqué: Resignation. Theil 1–2, Teil 1, Frankfurt a.M. 1829, S. 363-364.
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