Elise an Sophie

[42] Ihr Geheimniß ist am Tage. Es verlohnte nicht der Mühe, die Maske anzulegen. Eine Heirath bringt man auch wohl sonst zu Stande. War der Roman seinem Ende so nahe, wozu die Aufmerksamkeit, durch den Schein des Besondern, auf höchst gewöhnliche Verhältnisse lenken? Es hat mich verdrossen, daß ich mich anführen ließ. Zuletzt lachte mich die Gräfin, mit ihrer gewöhnlichen guten Laune, darüber aus. Ich lache mit; eigentlich ist es mir aber nicht so ums Herz.

Sie hat richtig, wie ich's dachte, den ganzen Zusammenhang ausgespürt.

Vorigen Sonnabend ging ich Nachmittags mit Georg den Weg nach der Stadt, Eduard entgegen, der früher als sonst von dort zurückzukommen gedachte.

Es währte auch nicht lange, so entdeckten wir in der Ferne einen Wagen, der auf uns zukam. Ich setzte mich mit dem Kinde auf die Steinbank, seitwärts unter den Kastanien, nieder. In einer Wolke von Staub gehüllt, rasselte die offene Chaise heran. Allein, statt Eduards grauem Reisemantel und lederner Schirmmütze, leuchteten mir so viel bunte Bänder, flatternde Swahls[42] und modische Sommerhüte entgegen, daß ich nicht länger an meinen ehrbaren Präsidenten in seiner preoccupirten Vortragslaune denken konnte, sondern neugierig den Vorüberfliegenden nachsah, die sich weit aus dem Schlage herauslegten, und mich in ihren lebhaften Begrüßungen, meine Nachbarinnen erkennen ließen.

Ich mußte lachen, wie diese Leute die Residenz mit allem modischen Zwange auf jedem Fleck der Erde, auf Reisen, wie in das freie Landleben hinter sich her schleppen. Indeß flimmerten die bunten Schmetterlingsflügel doch ganz lustig an dem melancholischen Abendhimmel vorüber, und mit einer Art von Freude, fühlte ich, durch ihre Nähe, meine Einsamkeit unterbrochen.

Am folgenden Morgen erhielt ich denn auch schon von der Hand der Gräfin in zwei eben so flüchtigen als verbindlichen Zeilen, die Anzeige ihrer Rückkehr, und das Versprechen ihres nahen Besuchs. Ich kam diesem zuvor, und war gestern in dem grünen Ulmenstein, wo alles lacht, der Garten mit seinen hellen Teichen, das Schloß, die moderne Einrichtung, die eleganten Besitzer, die flinke Dienerschaft, bis auf den Papagey im Messingbauer auf der Terrasse.[43]

Die Gräfin war entzückt über die allerliebste Leichtigkeit, wie sie sich ausdrückte, mit der ich Rücksichten bei Seite zu schieben und Verhältnisse nach Gefallen zu handhaben wisse. »Sie beschämen und ehren mich zugleich, sagte sie, denn indem sie mich aufsuchen, lassen sie mich mit meinem Unrecht ihre Nachsicht empfinden, die nur den schmeichelhaften Grund freundschaftlicher Vorliebe haben kann, und sie zum Engel und mich zu ihrer Sclavin macht.«

Ich kenne ihre extravagante Art, sich auszudrücken. Sie gehört zu ihr. Gehe ich auch nicht in den Ton ein, so verstehen wir einander vielleicht darum um so besser. Sie weiß, wie ich's nehme, und ich, wie sie es giebt.

Als sie mein einfaches, percale Kleid und den Strohhut mit gelbem Bande, wie ich beides Tag für Tag auf dem Lande trage, reizend genannt, den Fall der Locken, den Schnitt der Halskrause durch alle Prädicate gelobt hatte, gab ich ihr für so viel unverdienten Beifall, durch das ungeheuchelte Erstaunen über die vortheilhafte Veränderung ihrer beiden Töchter, meinen Dank zu erkennen.

In der That hätte ich es für unmöglich gehalten, daß einzig der Wechsel äußerer Beziehungen, in einem Zeitraume von zwei Monaten[44] diese Umwandlung hervorbringen könnte. Ich mußte mir jetzt die bleichen, nüchternen Gesichtchen zurückrufen, die so lang und so unbedeutend zwischen dem gescheitelten hellen Haar hervor sahen, die so characterlos schienen, daß ich immer Eins mit dem Andern verwechselte. Zwei ganz andere Personen standen in der frischen Toilette, den reich und modisch geordneten Locken, in dem besondern Hauch, warm zurückstrahlender Lebensverhältnisse, frei und gefällig vor mir. Die schüchtern gesenkten Augen hoben sich lachend aufwärts. Es spiegelte sich Bewußtsein und Erwartung darin. Sie faßten ihren Gegenstand und hatten Farbe und Glanz.

Auch die Lippen blieben nicht länger verschlossen. Die Mutter horchte lächelnd auf das, was sie sagten. Die Anerkennung der Gesellschaft hatte augenscheinlich das Maaß der ihrigen bestimmt. Es war nicht mehr sie allein, sondern sie in den Töchtern, welche Aufmerksamkeit und Bewunderung erwartet.

Solch Untergehen einer Persönlichkeit in die andere, läßt die Eitelkeit nichts in den Tagen entbehren, wo sie sonst nur empfindliche Kränkungen erfährt.

Die Gräfin schien mir mehr als je mit der[45] Welt zufrieden. Ueberall faßte sie nur die Lichtseiten derselben auf, und wußte so viel Leben und Interesse hinein zu legen, daß sie Nahes und Fernes, in einer gewissen gemüthlichen Beweglichkeit, durch ihre Unterhaltung fließen ließ.

Hierbei kommen denn auch die Neuigkeiten der Nachbarschaft zur Sprache. »Mein Gott!« rief sie plötzlich, wie von der Wichtigkeit des Gegenstandes auf Vorwurfs ähnliche Weise an ein unverzeihliches Vergessen erinnert. »Mein Gott, und nicht ein Wort von dem Neffen des Comthur, und den geschickten Machinationen ihrer Freundin Sophie?«

»Von welcher Art sind diese?« fragte ich, in höchster Unwissenheit alles dessen, was hierauf Bezug hatte.

»O gehen Sie! gehen Sie! lachte die Gräfin. Spielen Sie doch nicht die Zurückhaltende gegen mich. Die Geschichte ist ja die Neuigkeit des Tages.« »Bis zu mir kam sie nicht,« versicherte ich sie. »Und doch ist Ihr Mann um nichts Geringes dabei im Spiele, versetzte sie spöttisch. Wie pflichttreu der ehrliche Präsident auch sein mag, fügte sie hinzu, so wird er doch seiner allerliebsten kleinen Frau nicht die Mittheilung eines sehr besondern Romans vorenthalten haben?«[46]

Als ich sie vom Gegentheil auf eine Weise überzeugte, die ihr keinen Zweifel ließ, rief sie lachend: »Von was in aller Welt, spricht denn der ernsthafte Mann mit Ihnen, wenn ihm auch seine Geschäfte nicht Stoff dazu bieten dürfen?«

Ich umging die Antwort durch ein Paar allgemeine Epigramme, gegen die Ehemänner. Sie fand das köstlich, Agathe und Rosalie wollten sich halb todt lachen, und ich kam wieder auf den Neffen und den Oheim zurück.

»Nun, fiel die Gräfin schnell ein, mit dem hat es folgende Bewandniß: Sein Vater, als der ältere Bruder unsers Nachbars, war der Erbe eines ansehnlichen Majorats, um das er sich durch eine voreilige und heimlich vollzogene Heirath, mit einem protestantischen Fräulein, brachte.«

»Heimliche Heirath!« unterbrach ich sie. Mir fiel die Erzählung der Amtmännin ein. Jetzt verstand ich den wehmüthigen Antheil des Schloßgastes, an ihrem Tode. Die Gräfin mochte die verwundernde Ausrufung anders deuten. »Nun, nun, lächelte sie, erschrickt Ihre strenge Tugend selbst vor dem gesetzlichen Auswege aus dem Labyrinth der Leidenschaft? wie werden Sie erst[47] den Stab über diejenigen brechen, welche sich auf immer in demselben verirrten.«

»Ich breche über Niemand den Stab, entgegnete ich. Ich bedauere im Gegentheil alle, welche sich aus Vorliebe für träumerische Einbildungen auf eine Art täuschen, die ihnen Nachtheil bringt, denn ich glaube nicht an ein Ueberschwängliches, das den Meister über uns spielen kann, die Wirklichkeit zeigt es uns nur in karikirten Kopien verführerischer Romane, aus denen immer bei weitem mehr Sehnsucht nach dem Ungewöhnlichen als lebendige Wahrheit spricht.«

»Im Grunde haben Sie vollkommen recht, stimmte die Gräfin mir bei, aber sagen Sie, was Sie wollen, Romane unterhalten außerordentlich, und die kleinen Kopien davon im Leben sind hübsch, wie viel Thorheit und Selbstbetrug dabei auch im Spiel sein mag.«

Sie lachte bei diesen Worten, wie durch angenehme Erinnerungen erheitert. Die jungen Mädchen lachten mit ihr. Ich mußte über die Unbefangenheit erstaunen, mit der die allzu jugendlich gebliebene Frau, sich in Gegenwart ihrer Töchter, rücksichtslos äußerte.

Allein, sie läßt niemand lange auf demselben Fleck stehen. Sogleich war sie wieder bei dem[48] neuen Ankömmling, bei den Verwirrungen und Aussöhnungen in seiner Familie, die sie weit mehr beschäftigten, als jene Betrachtungen.

»Es bestehen, fuhr sie dann fort, von den Voreltern des Comthur, testamentliche Verträge, nach welchen jeder Majoratserbe, bei Verlust seines Besitzthums, gezwungen ist, sich mit einer katholischen Glaubensverwandtin zu verbinden. Der junge Mann, welcher diese Bedingung unbeachtet gelassen hatte, sollte nach seines Vaters Tode in dessen Rechte treten. Er hatte nur einen einzigen Bruder, der ihm diese Rechte streitig machen konnte.

Beide Brüder liebten sich auf das Innigste. Der Aeltere hegte keinen Zweifel über die rücksichtslose Zustimmung des Andern. Indeß, sei es aus Vorsicht, oder auch aus Unsicherheit, er hielt auch vor ihm die geschlossene Verbindung bei des Vaters Leben geheim. Jetzt stirbt dieser. Der neue Gutsherr tritt mit der jungen Gemahlin, einer armen Waise, das Pflegkind reicher Anverwandten, hervor. Er führt sie zuerst dem Bruder zu, in der Hoffnung der besten Aufnahme. Allein das Herz des Letztern scheint plötzlich gewendet. Unerbittlich widersetzt er sich der Anerkennung der Heirath, und läßt dem erstaunten Grafen die[49] Wahl zwischen dem Opfer der Liebe, oder des Erbrechts. Dieser willigt in Keines von beiden. Ein Prozeß soll entscheiden. Es kam nicht dazu. Das Gesetz entschied von vorn herein für den Verlust des Majorats, sobald die Gültigkeit der geschlossenen Ehe bewiesen und behauptet werde. Sonderbar genug that der jüngere Bruder, ganz gegen sein Interesse, alles Mögliche, um Gründe für die Ungesetzlichkeit einer Trauung anzuführen, die ohne väterliche und oberherrliche Zustimmung vollzogen worden sei.

Allein der leidenschaftliche Gatte schlug alle diese Einwürfe dadurch nieder, daß er darthat, sich nicht eher vermählt zu haben, bis der verlangte Abschied aus fürstlichem Dienst ihm zugekommen, und er durch erreichte Volljährigkeit jedweder Rechenschaft der Art entbunden worden sei. Nunmehr blieb kein Zweifel, er mußte dem Majorat entsagen, und da er zu erbittert, und zu stolz war, um selbst, den ihm gebührenden Antheil des väterlichen Vermögens anzunehmen, so lebte und starb er in Armuth.«

»Und der unnatürliche Bruder, unterbrach ich sie ungeduldig, that nichts, um ihn zu versöhnen? ließ ihn in Verzweiflung darben?«

»Ja, sehen Sie, fiel die Gräfin hastig ein,[50] aus diesem Bruder kann niemand klug werden. Denken Sie, daß er eine sehr zärtliche Neigung aufgab, niemals heirathete, in einen geistlichen Orden trat, die großen Güter gewissenhaft verwalten, ihren Betrag unberührt ließ, und jetzt so lange an der Beweisführung gearbeitet hat, daß der Sohn einer protestantischen Mutter, insofern er im Glauben der wahren Kirche erzogen ward, nicht von der Erbfolge ausgeschlossen ist, bis er dem Neffen, dem einzigen Sohn des unglücklichen Grafen, zum Besitz eines Vermögens verholfen hat, dem er, zu seinen Gunsten entsagt. Kurz, meine Liebe, fuhr die Gräfin mit ungewissem Lächeln fort, der Comthur beweis't durch Alles, daß er der bizarrste Mensch von der Welt, und niemals zu verstehen ist. Bei seinen letzten wohlthätigen Absichten war ihm besonders der Präsident, Ihr Mann, sehr nützlich. Seine große Kenntniß aller Familienurkunden hat es ermittelt, daß wenigstens im Testament dieses besondern. Falles keine Erwähnung geschieht, und dem richterlichen Ausspruch die Freiheit bleibt, alle gemachte Einwendungen aus dem Felde zu schlagen. Erst, da alles besiegt war, ist der überraschte junge Mann hierher berufen, und von seinem Glücke unterrichtet worden.«[51]

»Von seinem Glücke! entgegnete ich. Wer sagt denn, daß er es so nimmt?«

»Wer? fragte die Gräfin. Mein Gott! liebes Kind, er selbst, und recht aus Herzensgrunde, denn er benutzt sogleich die günstige Lage, seine Hand einem sehr hübschen Mädchen zu geben. Er ist schon abgereist, die Tochter der Oberhofmeisterin desselben Hofes, an welchem Fräulein Sophie Hofdame war, heimzuführen. Sehen Sie, lachte sie bedeutsam, so mischen sich die Karten geschickt in einander.«

Da ich einigermaßen verwundert schwieg, rief die Gräfin muthwillig: »O! ich könnte Ihnen noch viel mehr erzählen, was Sie überraschen würde.« »Thun Sie es,« bat ich, sie bei der Hand fassend. »Nein, nein!« entgegnete Sie bestimmt, »ich habe auch meine kleinen Geheimnisse.«

Sie stand hier von ihrem Platze neben mir auf, als fliehe sie meine Ueberredung, und eilte einigen ankommenden Gästen aus der Stadt entgegen. Im Weitergehen wandte sie sich noch einmal mit den Worten zurück: »Mein allerliebster, geschwätziger Justizrath hat mir das Alles im Vertrauen gebeichtet.«

Ich sann noch über ihre Mitwirkung in dieser Angelegenheit nach, und beschloß Sophie[52] unverzüglich zu befragen, ob sich wirklich alles so verhalte, wie es die Gräfin dem indiscreten Geschäftsführer abgelauscht hatte, als zu meiner nicht geringen Verwunderung die ganze Sache noch einmal in dem erweiterten Gesellschaftszirkel verhandelt ward.

Die Rückkehr der Gräfin, mit ihren ins Licht getretenen, schimmernden Töchtern, zog sogleich die elegante Welt der Residenz zu ihrem angenehmen Landsitz. Es ward immer bunter in dem Garten. Der Theetisch stand auf einem hübschen, frischen Rasenplatz. Agathe schlüpfte behend auf einen bereitstehenden Sessel, den mehrere Herren mit großem Eifer, ihrer Bequemlichkeit wegen, näher heran schoben. Sie zog die Handschuhe, mit einem kleinen Anstrich nicht übel kleidender Verlegenheit aus, entblößte die niedlichen, vielleicht allzureich mit Ringen und Spangen geschmückten Hände und Arme, und bewegte diese sehr reizend in der Bereitung des Thees. Rosalie machte sich mit den gerösteten Brödchen, den Melonen, die sie zertheilte, und anderm Zubehör zu thun, wobei sie kurz und abgebrochen, doch mit einer gewissen nachläßigen Extase, die vorzüglich in vielen Worten besteht, von dem Badeaufenthalt sprach.[53]

Die Mutter schien sehr aufmerksam und begierig auf den Eindruck, welchen die hübschen Mädchen auch hier machen würden, und war nur mit halbem Blick und halbem Wort für alle diejenigen da, welche ihr in dieser Beziehung unbedeutend schienen. Doch bald einigermaßen in ihren Erwartungen geschmeichelt, hub sie ungefähr eben so, wie kurz zuvor, gegen mich an: »Nun, und unser neuer Nachbar, hat ihn schon Einer aus der Gesellschaft gesehen? Er soll ein interessantes Aeußere und viel Verstand haben!«

Es mußte mich, nach allem Vorhergegangenen mit Recht befremden, daß die Meisten sogleich vollkommen zu Haus waren, und Einer, sogar den Vornamen des Unbekannten wissend, vom Grafen Hugo, wie von einem ganz vertrauten Freunde sprach.

»Hugo!« wiederholte ich, gegen meinen Vetter Curd gewendet, »man hört den Namen nicht oft, er klingt so tief.«

»Rasend tief,« lachte er auf seine leichtfertige, neckende Weise. »Aber Cousine, was wollen Sie eigentlich damit sagen?«

Ich wußte es ihm nicht auszudrücken.

»Denken Sie sich vielleicht einen melancholischen Sonderling dabei? fragte er. Nun, da[54] kann was dran sein; denn recht richtig ist es mit Keinem, der sich aus einem ungeheuren Vermögen nichts macht, wie ein Misantrop in den Wäldern herumwandert, und mit vier und zwanzig Jahren ins Ehejoch kriecht.«

»Alle diese Details wissen Sie schon, lieber Rittmeister? lachte die Gräfin. O! kommen Sie her, setzen Sie sich zu mir, erzählen Sie mir ein Bischen von dem mürrischen Menschen. Er interessirt durch seine Originalität, obgleich eine kleine coquette Absicht dabei im Spiele sein mag.«

»Gewiß! hörte ich sagen, Gewiß! er fühlt, daß er, als Emporkömmling oder adoptirter Erbe, vielleicht mancher beschämenden Kritik blosgestellt sein muß. Er will im Voraus imponiren. Der Ausweg, den er wählt, zeigt von Gewandtheit und List. Er muß nicht ganz unerfahren in den Nuancen der Weltverhältnisse sein.«

»Er ist hübsch und elegant, Mama! rief Agathe ihrer Mutter zu. Die Herren hier haben ihn im Bade zu Aachen, im vergangenen Sommer, gesehen. Er war dort ausgezeichnet durch seine Figur und große Kühnheit im Reiten, und viele andere Talente.«

»So!« entgegnete die Gräfin gespannt und ungeduldig, da sie nicht wußte, was sie alles[55] gleich hören sollte. »War denn die Braut mit ihrer Mutter auch da?« fragte sie.

Die Herren bejahten es.

»Die Emma soll charmant sein! fuhr sie fort, indem ihre Blicke unsicher und gewissermaßen vergleichend an den Töchtern hinfuhren. Charmant! wiederholte sie, zerstreut und gedehnt. Ach! die Mutter war wunderschön, fügte sie von frühern Erinnerungen plötzlich fortgerissen, hinzu. Ich habe sie gekannt, ob sie gleich erstaunt viel älter ist, als ich. Jetzt, höre ich, hat sie entsetzlich verloren. Ihre Züge waren immer scharf wie ihre Zunge,« setzte sie lächelnd hinzu.

Sehen Sie, Sophie, so schilderte man mir Ihre Freunde. Bewundern Sie es nicht, wie ich so lange bei einem Gegenstande verweilte? da das Neue selten meine Aufmerksamkeit sonderlich erregt. Ich glaube, es ist auch nur der Antheil, den Sie an diesen Men schen nehmen, der mir sie bedeutend macht.

Von Emma spricht niemand. Ist nichts von ihr zu sagen? Armer Hugo! –

Leben Sie wohl! Zeigen Sie mir bald mehr Vertrauen. Sophie! die Ihrige, wie immer.[56]

Quelle:
Caroline de la Motte Fouqué: Resignation. Theil 1–2, Teil 1, Frankfurt a.M. 1829, S. 42-57.
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