Antwort

[353] Wie könnte ich ruhig sein, was soll verborgen bleiben? Hugo wird vermißt. Die Anzeichen sind[353] beunruhigend. Eine einzige geäußerte Besorgniß reicht hin, Jedem das Schreckliche gewiß zu machen. Birkner war eben bei mir. Seine Nachfragen blieben vergeblich. Die Fischer wußten keine Auskunft zu geben. Ich fuhr noch spät in der Nacht hinüber nach Wehrheim. In der Mittagsstunde ist Hugo dort gewesen. Er trug den hellgrauen Oberrock, der am Ufer gefunden ward, und hatte, wider seine Gewohnheit, diesen und die Weste weit aufgerissen, als leide er an Hitze. Den Hut hielt er in der Hand. Seine Laune war heiter. Er scherzte mit des armen Zimmermanns Frau und Kinder, die er, gleich nach seiner Ankunft auf der Burg, aus dem Wasser zog, und die Familie dann hinüber nach der Stadt zu dem todtkranken Vater fuhr. Die Leute fanden nachher bei dem Schloßbau ihr Brod, sie sind dem Grafen mit Leib und Seele ergeben, vorzüglich die Kleinen, die immer dreist mit ihm thaten, und sich gern von ihm necken ließen. Heute nahm er das Kleinste auf den Arm, und sah ihm lange und tief in die großen, klaren Augen. »So kristallhell wie das Wasser dort,« sagte er, nach dem Fluß zeigend, indem er der Mutter das Kind zurückgab. Dieses konnte nicht sogleich von ihm los. Es hatte die Fingerchen[354] in ein blaues Band verwickelt, das um Hugo's Hals geschlungen war, und, in der Unordnung seines Anzugs, hervorsah. Er riß das Band entzwei, da das Kind weinte, und steckte die Enden unter das Hemd, indem er vor sich niedersah und erröthete. Die Frau hat das bemerkt, es fiel ihr auf. Er nahm darauf den Hut, den er aus der Hand gelegt hatte, vom Boden, setzte ihn auf, und soll so eine Weile unschlüssig vor den Leuten gestanden haben, als besinne er sich auf etwas. Dann wandte er sich aber kurz von ihnen ab, und ging eine Strecke rechts hinunter, nach dem Walde zurück, aus dem er gekommen war. Doch kehrte er bald darauf um, rief der Frau zu, sie möge so gut sein, und drinnen im Schlosse sagen, er komme zum Essen nicht wieder, er speise drüben auf der Burg.

Diesen Vorsatz muß er auch gehabt haben, denn er bestellte einen Geschäftsmann, der ihn am Morgen vergeblich erwartete, herüber zu mir.

Nachher sah man ihn noch eine ganze Zeit auf der Insel hin- und hergehen. Später achtete Niemand auf ihn.

Das ist Alles, was ich erfuhr. In seinem Zimmer standen und lagen die Sachen frei da, wie das stets seine Art ist. Briefe verbrennt[355] er, oder verbirgt sie in einem geheimen Fache seines Schreibtisches. Ich mochte an Nichts rühren, was nicht offen für Jedermann geblieben. Hieraus war nichts zu ersehen. Ich habe lange mit mir gerungen, was ich glauben dürfe. Soll ich wahr sein, so steigt die Vermuthung in mir auf, Hugo wolle uns durch den Schein irre führen. Er will für uns todt sein, indeß er für immer aus dieser Gegend, vielleicht aus diesem Theile der Welt verschwindet.

O! lassen Sie mich hieran festhalten. Ich bin nicht im Stande, das Andere, das Grauenerregende, das Unselige zu denken!

Quelle:
Caroline de la Motte Fouqué: Resignation. Theil 1–2, Teil 2, Frankfurt a.M. 1829, S. 353-356.
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