Curd an seine Mutter

[271] Nicht wahr, das blieb das Klügste, was ich thun konnte. Was hilft das unnütze Bestehen auf einer Sache, die doch nun vorbei sein mußte. Es ist mir nahe gegangen, das leugne ich nicht, aber einmal mit mir fertig, kostet es mich nun auch keine unruhige Minute mehr.

Geben Sie sich nun immer auch darein, gute Mutter! Was geschehen ist, das ist geschehen. Verheirathet bin ich einmal. Agathe ist Ihre Schwiegertochter, und kann sie uns freilich Elise nicht vergessen machen, so ist sie doch eine hübsche, elegante Person, zieht sich allerliebst an, tanzt, wie eine Puppe, und ist so wohlerzogen, daß sie es gewiß niemals an Aufmerksamkeit gegen Sie wird fehlen lassen. Bis jetzt kann ich nur meinen Entschluß loben. Wir werden überall mit der ausgezeichnetesten Zuvorkommenheit empfangen, der Platz, den die Gräfin in der Gesellschaft einnimmt, giebt ihrer Tochter, wie mir, die angenehmste Stellung. Von der Seite muß ich gestehen, habe ich Vortheil von dem Tausch bei meiner Wahl gehabt, denn, wie man sich auch bemüht, aus Achtung für den Comthur, das Urtheil über unsere Verwandtin zu mildern, so wird sie doch nie wieder eine Rolle in den ersten Zirkeln spielen.[271] Es ist zum Erstaunen, wie man gegen sie eingenommen ist. Jetzt, da man mich weniger empfindlich dagegen glaubt, äußert man seinen Tadel unverholen, und ich habe Gelegenheit, zu bemerken, daß es einem Mann von feinem Takt äußerst verletzend gewesen sein müßte, sie so vernachläßigt und isolirt unter Leuten von Ton zu sehen.


Sie werden finden, daß ich meine Hochzeit sehr beschleunigt habe. Ja, liebe Mutter! die reine Wahrheit zu sagen, so lag mir daran, eher verheirathet zu sein, als Elise. Es ging damals das Gerücht, man eile sich auf der Burg mit den Anstalten zum Empfange der neuen Gräfin. Mir stieg das Blut bei der Nachricht ins Gesicht. Ich mochte nicht aufsehen, und als Agathe mich auslachte, mich mit meiner Cousine neckte, wußte ich auf meine Ehre nicht ein Wort hervorzubringen. Halt! dachte ich, nun ist es Zeit! Ich muß mich vor ähnlichen Ueberraschungen sicher stellen. Acht Tage darauf stand ich mit meiner Braut vor dem Altar. Ein Mensch von Willenskraft nimmt bei jeder Gelegenheit seine Parthie. Elise soll doch frappirt gewesen sein, als sie es hörte. Um so mehr, da man vom Aufschube ihrer Verheirathung wieder[272] allerlei murmelt, und Hugo's Laune unerträglich sein soll.

Nun, wenn er jetzt wieder Ausflüchte suchte, wenn er zum zweitenmale die Ruhe der unglücklichen Elise aufs Spiel setzte, so wahr ich lebe! alles Andere bei Seite gesetzt, ich zöge ihn zur Rechenschaft, und wäre er am Ende der Welt. Noch will ich glauben, es haben sich wirklich Hindernisse zwischen seine Pläne geschoben. Es kann sein, es muß sein, ich darf und will es nicht anders annehmen, doch erfahre ich das Mindeste, was einer Treulosigkeit entfernt ähnlich sieht – er soll mir's sagen, er soll mir's dann selbst sagen, weshalb er die Unglückliche täuschte, warum er mir mein Glück zertrümmerte, das Herz zerbrach und – doch ich will schweigen! Ich werde schweigen bis an mein Ende. Es ist nun auch vorbei, ich weiß das recht gut, daran braucht mich Niemand zu erinnern. Ich meine nur soviel, daß ich nicht umsonst und um nichts ein Opfer gebracht haben will, daß ich mich nicht anführen lasse, und Elise doch meine Cousine bleibt. Wenn Alle sie verlassen, so gehört ihr immer noch mein Arm und mein Leben!

Verzeihen Sie, gute Mutter! ich wollte Ihnen von meiner neuen Wohnung, meiner Einrichtung,[273] unserm täglichen Leben, von der Aussicht erzählen, die mir eröffnet ist, ins Jagddepartement mit Vortheil versetzt zu werden, allein wenn ich einmal im Schreiben oder Sprechen auf dies Kapitel komme, dann gehen mir alle andere Gedanken aus. Gott im Himmel weiß auch, wie es zugeht, daß ich immer heftiger und zorniger bei der Erinnerung an Elisens verfehltes Leben werde, und meine Seele ordentlich darnach dürstet, mit dem Grafen anzubinden!

Fürchten Sie indeß keine Unbesonnenheit, gute Mutter! Ich vermeide es, selbst nur nach der Gegend hinauszureiten, wo Wehrheim und die Burg liegen. Ich meide die Einsamkeit, ich meide mich, meine eigenen Gedanken. Könnte nur die Gräfin schweigen, und wollte Agathe mich nicht durch häßliche Gesichter demüthigen. Es gelingt mir mit vieler Mühe, kaum an mich zu halten.

Nun lassen wir's, wie es ist! Der Himmel verhüte Unglück!

Quelle:
Caroline de la Motte Fouqué: Resignation. Theil 1–2, Teil 2, Frankfurt a.M. 1829, S. 271-274.
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