Dritte Abentheure.

[80] Freies Feld vor König Atles Burg.

Gunnar, Högne, Niflung und vieles Gefolge. Wingo mit ihnen.


GUNNAR.

Da sind wir schon vor König Atles Sitz,

Und Niemand kommt uns zum Empfang entgegen.

Blas' noch einmal Trompeter.


Trompetenstoß.


NIFLUNG.

Andre Sitte

Hab' ich gesehn, mein Ohm in deiner Burg.

Da blickt der Wächter stets nach Fremden aus,

Und kündet sie mit lust'gem Hörnerruf,

So daß sie nicht erst selbst sich melden dürfen,[81]

HÖGNE.

Und also muß es sein, mein lieber Sohn,

Nimm dir kein Beispiel an der schlechten Art,

So du in diesen fremden Landen wahrnimmst.

WINGO bei Seite.

Es ist nur Thorheit mit dem Drohn des Eides;

Gebrochen und gehalten gilt gleich viel.

In meines Herrn Landmark, vor seiner Veste

Steh' ich gesichert, und verloren die.

Wer hat mir nun ein Haar darum gekrümmt,

Daß ich falsch schwor? – 'S ist eitles Gaukelspiel.

Was war ich für ein Narr, deshalb zu zittern.

GUNNAR.

Nun? Immer stumm und taub noch in der Burg.

HÖGNE.

Mir scheint's, wir sind hier unerwünschte Gäste,

Und müssen heimziehn sonder Fest noch Schmaus.

GUNNAR.

Das wär' ja schmählich uns für alle Zeit.

Wer uns berief, der soll uns auch bewirthen. –

Niflung, du trägst den Namen unsres Stamm's,

Geh' hin, mein junger Held, und räch' uns All',

Aufsprengend mit Gewalt der Veste Thore.

NIFLUNG.

Das thu' ich gern, mein herzenslieber Ohm.


Geht mit Kriegern ab. Wingo bricht in lautes Gelächter aus.
[82]

HÖGNE.

Was lacht denn der?

GUNNAR.

Mir ekelt er schon lang,

Nun wieh'rt er gar mit seinem tollen Jauchzen

Mir durch den finstern Sinn. Es fehlt nicht viel,

Daß ich mich an dem Thoren noch vergriffe.

HÖGNE.

Warum zur Unzeit lustig? Sprich!

WINGO.

Ei was!

Zur Unzeit? Nein, ihr Herrn, das find' ich nicht.

Die Vögel sind im Netz, der Vogler lacht.

HÖGNE.

Versteh' ich dich denn recht? Das gölte uns?

WINGO.

Wem sonst! Ich berg' den Jubel länger nicht,

Ob meines wohlgelungnen Meisterwerks.

Niflungen, an eu'r Ziel seid ihr gelangt!

Das Holz liegt fertig schon, und dürr zum Kreuz,

Daran der Schmachestodt euch fassen soll.

GUNNAR.

Sind wir denn bei dem König Atle nicht,

Bei unserm Schwäh'r, der uns in Frieden einlud?

WINGO.

Ei, freilich seid ihr dort, bethörtes Volk.[83]

Ihr meintet, um eu'r liebes Angesicht

Mach' man des Prunks und Aussehns also viel?

Schicke Gesandten über Land und Fluth?

O ihr zehnfache Thoren! Euern Schatz,

Den müßt ihr überliefern, und dann sterben.

So will es Atles Macht, und meine List.

HÖGNE.

Ja, wenn's nicht anders ist, noch werden kann. –

WINGO.

Nein, freilich kann's das nicht, mein lieber Fürst.

Wo liegt eu'r Land? Wo eure Helferschaaren?

Weit ab! – Ruft! Ruft! Es hört kein Freund euch mehr.

Ihr und dies Häuflein hier, ihr seid geliefert.

HÖGNE.

So finden wir uns tapfern Muthes drein. –

Was aber machen wir mit diesem hier,

Mein lieber Bruder, mit dem falschen Lügner?

GUNNAR.

Ja, der muß uns vorangehn in das Grab,

Denn ungerochen stirbt der Gunnar nicht.


Hebt die Streitaxt über Wingos Haupt.


HÖGNE ihn zurückhaltend.

Was? An der edlen Waffe solch' ein Blut?

Nicht Tod von Eisen ziemt sich dem Verworfnen[84]

Laßt uns die Aexte wenden. Mit dem Stiel

Treff' jeder ihn, so wie er bestens kann.

GUNNAR.

Das soll geschehn. Wer Lust hat, schlage drauf!


Alle fallen über Wingo her. Er stürzt.


GUNNAR.

Ist er nun todt?

HÖGNE.

Ja. 'S zuckt kein Glied an ihm.

GUNNAR.

So ist es Recht. Nun an den blut'gern Kampf.

NIFLUNG mit seinem Gefolge zurückkommend.

Ich schlug die Thore auf, mein lieber Ohm.

Allein dahinter liegt viel reis'ges Volk,

Zum Theil mit wunderlichen, fremden Waffen.

Deß' hab' ich einen guten Theil erlegt,

Jedoch auch zwei bis drei von uns sind tod,

Und weil man dem Heerführer melden muß,

Was es bei'm Feinde Neues giebt, so zog ich

Aus dem Gewirr mich fort, und kam zurück.

Mich dünkt, sie folgen mir kampflustig nach,

Doch etwas zögernd, denn ich traf sie scharf.

GUNNAR.

Sind's viel?

NIFLUNG.

Wohl noch einmal so viel als wir.[85]

HÖGNE.

Und sieh', aus andern Thoren, rechts und links,

Bricht Schaar auf Schaar – ein unermeßlich Heer.

Schließt euch zusammen, ihr Niflungenkrieger,

Hier gilt's, mit hartem Anfall uns befrei'n.


Er und Gunnar ordnen ihre Schaar.


GUNNAR.

Schau! Immer mehr! Woher doch all' das Volk!

HÖGNE.

Du weißt wohl, Atle hat der Krieger viel.

Den Sachsen, Heunen, und noch Andern sonst

Gebeut machtvoll sein unumschränkter Wink.

NIFLUNG.

Hei, Vater mein! Da wird man neue Weise

Des Kampfs erkunden in gar reichem Maaß.

HÖGNE.

Gewiß mein Knab'. Und tummle nur dich gut.

Heut brauchst du Alles, so ich dich gelehrt.

NIFLUNG.

Hab's gut behalten. Jene sollen's merken.


Atle erscheint auf den Zinnen der Burg, ein Banner in der Hand.


ATLE.

Streck' nur die Waffen, du verwegne Schaar!

Vielleicht dadurch erlangst du Huld bei mir.[86]

GUNNAR.

Komm' lieber doch herab, du grauer Prahler,


Auf Wingos Leichnam zeigend.


Wie man Verräther lohnt, es zeigt sich hier.

ATLE.

Besinn' dich. Zügle deine kecke Zunge,

In Banden lege den hochfahr'nden Muth.

Du siehst von allen Seiten meine Macht,

Siehst Völker, kaum von Namen dir bekannt,

Und Alle dräuen deinem Häuflein dort.

GUNNAR.

Ei, droh'n sie her, so droh'n wir hin. Das hebt sich.

ATLE.

Werf' ich dies Banner in die Luft empor,

So brüllt die zorn'ge Wog' auf euch heran.

HÖGNE.

Wirf nur, doch wirf dich selbst zugleich vom Wall,

Zu kosten mit von unsern scharfen Klingen.

GUNNAR.

Ja, komm'! Ein Kampfesmahl steht dir bereit,

Davon die Welt noch lange reden soll,

Und wohl so Herrliches nie wieder schaut.

ATLE.

Gering acht' ich, ihr armen kleinen Kön'ge,

Was ihr mir bieten könnt. Das Zeichen nur[87]

Geb' ich für meine Völker, Euch zu sahn.

Ich selber geh' sorglos in meine Burg.


Wirft das Banner in die Höh' und tritt zurück.


GUNNAR.

Nun fest, ihr Degen all' vom Rheingestad!

In starkem Keil brecht durch die lockern Schaaren.


Anfälle von allen Seiten. Gefecht. Gunnar und die Seinen treiben Atles Krieger hinaus. Man geht kämpfend ab.


BLÖDEL von der andern Seite mit Schleuderern und Bogenschützen.

So geht's nicht. An dem ehrnen Haufen bricht

Sich unsrer Helden Kraft und löscht in Blut.

Folgt auf den Hügel, schickt von dort die Pfeile

Grad' in des Feindes Antlitz, werft die Wucht

Gewalt'ger Steine auf des Feindes Haupt.

Zielt gut! Ich führ' euch wo ihr sicher steht.


Eilt mit seiner Schaar vorüber.

Ortlieb und Asmund kommen gelaufen; ihr Hofmeister ihnen nach.


ORTLIEB.

Lauf, Bruder! Kommen sonst zu spät!

ASMUND.

Da drunten,

Da ist der Krieg!

HOFMEISTER.

Ihr Kinder, hört doch an.[88]

ASMUND.

Komm mit, du Graubart, wenn du Lust dran hast.

HOFMEISTER.

Bleibt doch! Mir geht der Othem aus.

ORTLIEB.

Noch warten?

Schau Bruder dort den Anger wie schön roth

Von Feindesblut!

ASMUND.

Da liegt schon wieder Einer.

Der schoß Kopf unten über'n Abhang hin.

HOFMEISTER.

Zurück sollt ihr, ihr kleinen bösen Alfen.

ORTLIEB.

Das fehlt noch! Soll? Wer sagt denn, daß wir sollen?

HOFMEISTER.

Ich.

ORTLIEB.

Zwing' uns mal, du Alter, wenn du kannst.

HOFMEISTER.

Die Stein' und Lanzen fliegen bis hierher.

ASMUND.

Die achten wir wie bunte Sommervögel.

HOFMEISTER.

Kommt heim. Viel art'ges Spielwerk bau' ich auf[89]

ORTLIEB.

Ein Püppchen? Griffelchen? Und wächs'ne Täflein,

Darauf zu schreiben?

ASMUND.

Nein, wir haben's satt.

HOFMEISTER.

Daß uns die Götter helfen! Dicht am Kopf

Flog mir ein zweigespitzter Speer vorbei.

ORTLIEB lacht.

Ha! Ha! Wie hat der Alte sich gebückt.

ASMUND.

Laß' nur den klugen Mann, und komm' mit fort.

Wir müssen näher hin.

ORTLIEB.

Hei, das geht lustig!


Laufen fort.


HOFMEISTER.

Du wildes, frühverderbliches Geschlecht,

Dem innern, finstern Schicksal, das dich treibt

Muß dich mein schwaches Aller überlassen.


Geht zurück.

Gudruna mit ihren Jungfrauen auf den Mauern der Veste.


GUDRUNA.

Das König Atles Treu? Neigt euch, ihr Warten,

Brecht ihm zusammen auf das sünd'ge Haupt!

Das seine Gastlichkeit? Du rächender,[90]

Furchtbarer Himmel, zieh' dein Kriegskleid an,

Das schwarze, unheildrohende Gewölk,

Und her auf ihn mit deinen glüh'ndsten Pfeilen!

O Schmach auf Schmach! Er häuft sie siebenfach. –

Ihr Jungfraun, ward euch je ein solcher Gräul

In Liedern kund, in Mähren alter Zeit?

'S ist unerhört,

EINE JUNGFRAU.

Getrost, o Königin,

Die Brüder dein, es sind die besten Krieger,

Soviel man weit und breit nur finden mag.

GUDRUNA.

Ja, denn mein hoher Sigurd lebt nicht mehr.

JUNGFRAU.

Und freudig halten sie ihr Haupt empor,

Der Übermacht gewalt'ge Wogen brechend.

GUDRUNA.

Wahr ist's, sie stehn im Blutstrom, Klippen gleich.

JUNGFRAU.

Ein Kämpfen, das die Nachwelt nie vergißt.

GUDRUNA.

Wer sind die Knaben dort, so nah' beim Kampf,

So lustig klopfend in die Hand? Was? Meine?

Sind's meine Knaben nicht?

JUNGFRAU.

Ja, die zwei Herrlein,

Ortlieb und Asmund sind es zweifelsohn',[91]

GUDRUNA.

Ihr jungen Wölfe, freut euch schon am Blut?

Hu, wild Gezücht, wie grimmig also früh!

Niflungen bluten! Eure Ohme bluten!

Wer heißt euch jubeln? – O des vielen Blut's!

Soviel der tapfern Recken gleiten, fall'n –

Ha! Nun erst nehm' ich's wahr. Von jenem Hügel

Drängt Blödel sie mit Steinwurf und Geschoß.

Waffen, Ihr Jungfrau'n!

JUNGFRAU.

Wie? Du willst? –

GUDRUNA.

Schildjungfrau,

Die will ich sein, wie es Brynhildis war.

JUNGFRAU.

Du warst dem heissen Schlachtlärm nie vertraut. –

GUDRUNA.

Der Brüder Noth ruft! O hinab, zu'n Waffen.


Mit ihren Jungfrau'n in die Veste ab. Atle zeigt sich am Burgthor, von einigen Kriegern zurückgehalten.


ATLE.

Hinaus will ich, in den Niflungenstreit!

EIN KRIEGER.

Ach, edler Herr, bedenk' dein greises Haar,

ATLE.

Mein Schlachtruf tönt noch wie ein Wisenthorn.[92]

KRIEGER.

Doch nicht dem Ton mehr folgt wie sonst der Schlag.

ATLE.

Willst's proben?

KRIEGER.

Tödte mich, mein hoher Fürst,

Nur tödte nicht in dir des Volkes Hoffen,

In solch Gemezzel unerhörter Wuth

Zu kühn hintragend dein geheiligt Haupt.

ATLE.

Ich sah von meinem Thurm der Recken Fall,

So vieler Recken, mir getreu und hold,

Und riß die Kleider in ohnmächt'gem Zorn.

Weh diesem Unheilstag! Weit auf der Ebne

Liegt manch ein Heldenleib, des Landes Wehr,

Verströmt manch Leben, theu'r mir sonder Maaß.

Nun will ich's rächen, oder mit vergehn.

KRIEGER.

Ach, wie das Alter sich so wenig kennt!

Du sah'st doch der Niflungen Schwerdteshieb,

Sah'st ihren Beilschwung – nun gedenk' an dich,

Und an die Kraft, so noch in dir verharrt.

ATLE.

Hawart erlag, und Iring –

KRIEGER.

Neue Schaaren[93]

Sie brechen, schau', durch jenes Thor heraus;

Sie führt der tapfre Markgraf. Trau' doch dem,

Viel hast du noch des Volk's im Hinterhalt,

Das send' ihm nach, und wenn auch das erliegt,

Wenn's denn gestorben sein muß, edler Herr,

So woll'n wir dich geleiten, ehrlich sterbend;

Doch bis dahin geduld' dich in der Burg.

Und schnell das Thor geschlossen. Der Tumult

Des Fechtens kommt in diese Gegend schon.


Alle in die Burg zurück. Das Thor geht zu. Schleudrer und Bogenschützen laufen flüchtig vorbei und rufen.


Wir sind verloren! – Der Jungfrauen Grimm

Trifft, wie beflügelt von des Himmels Zorn! –

Zumal, wo sich die Kön'gin naht. – Lauft! Lauft!


Eilen vorüber.


BLÖDEL ihnen nach, an der Ferse blutend.

O, nehmt mich mit. Sie ras't dicht hinter mir,

Die Schlimme, die Verderbliche! Ihr Speer

Flog in die Ferse mir, lahmt mich. – Helft! Helft!

GUDRUNA ihn verfolgend.

Still du! Was schreist noch? Bist verloren schon.

BLÖDEL.

Erbarm' dich. Nie ja Leides that ich dir.

GUDRUNA.

Wer fragt darnach in solchem Mordgefecht?[94]

BLÖDEL.

Dein Schwager bin ich: dir verwandtes Blut

Suchst du in meinem müden Herzen auf.

GUDRUNA.

Verwandtes? Ha, was thut mir die Verwandtschaft.

Übereinander hin, in blindem Zorn

Rauscht Kraft um Kraft. Du noch zu mäss'ges Opfer

Ergieb dich in dein tödtliches Geschick,

Denn viel unbänd'gre Thaten stehn bevor,

So daß man dein, als eines Wild's vergißt,

Das zu der Jagd noch spiel'ndem Anfang fiel.

Schweig'!


Stößt ihn nieder.


Ihr Niflungen, meinen Tritten nach!

Ich such' euch dorthin bessern Wahlplatz aus.

HÖGNE tritt auf, verwundet.

Am klügsten, Schwester, bleibst du aus dem Spiel,

Das einmal doch für uns verloren ist;

Was später, früher was – verloren bleibt's.

GUDRUNA.

Wer sagt das?

HÖGNE.

Unsrer Arme Müdigkeit.

Auch siegreich Fechten zehrt an Fechters Kraft.

GUDRUNA.

Du blutest?[95]

HÖGNE.

Einer traf mich auf den Kopf,

Den spaltet' ich nachher bis an das Kinn;

Und noch ein zehn bis zwölfen allenfalls

Mach' ich an mir die Arbeit mind'stens schwer.

Jedoch von allen Seiten das Gezücht,

Als wächs' es aus der Erden – wir sind hin. –

Die Ehre bleibt uns, die soll Niemand nehmen.

GUDRUNA.

Doch tragt ihr selbst des eignen Unheils Schuld.

Ich warnt' euch, ihr Unseel'gen. Las't ihr nicht

Die Runentafeln? Saht ihr nicht dem Ring

Wolfshaare angeknüpft?

HÖGNE.

Das gilt nun gleich.

Wie es gekommen ist, ist es gekommen,

Und hier ist unser Schicksal und der Tod,

GUNNAR auftretend, viele Krieger nach ihm.

O, nur für Augenblicke Rast und Kühlung!

In Harnischs heisser Wucht brennt man, vergeht

Vor Kampfesgluth und auch vor Sonnengluth. –

Verwundet, Bruder Högne?

HÖGNE.

Tücht'gen Schwung's.

Und hinter euch auch kommt der Jäger her.

Was er im Anfall zu bestehn nicht wagt,[96]

Erlegt er mit dem viel geschärftern Pfeil

Der Hitz' und Müdigkeit. Wir sind gefällt.

Doch wehr' sich gut, wer sich noch wehren kann.

GUNNAR.

Du liebe Schwester, hilfst uns treulich aus.

GUDRUNA.

Könnt' ich's!

GUNNAR.

Wär' nur dein Gatte Sigurd hier

Dann all' das Volk verzehnfacht – wir gewönnen!

GUDRUNA.

Er ist nun todt.

GUNNAR.

Weh' jenes schlimmen Rath's!

HÖGNE.

Was hilft doch all' das Reden. Macht euch fort,

Auf's bessre Schlachtfeld, das Gudruna weiß,

Und schlagt euch mindestens, so lang' es geht.

GUNNAR.

So komm doch mit.

HÖGNE.

Ich! Meine Kniee sinken.

Des Feindes Schwerdt traf meinen Scheitel gut.

GUNNAR.

Willst hier vergehn?[97]

GUDRUNA.

Willst fall'n in Feindes Hand?

HÖGNE.

Laßt. Ich bin ein zum Tode wunder Hirsch.

Uns Allen, uns Niflungen, rollt in Wettern

Der gleiche Würfel schonungslos heran.

Wo man das Spiel ausspielt, das gilt ja gleich;

Nur jeder ende, wie es Fürsten ziemt.

So eilt doch fort. Schon dringt der Feind dorthin.

Verlaßt mich blutesroth, nicht roth vor Schaam

Um eu'r unkundig Zögern und den Spott

Der Gegner. Solche Röthe nur thut weh.

GUNNAR.

Er hat ganz Recht. Hinaus auf's bessre Feld.


Geht mit Gudruna und den Kriegern ab.


HÖGNE.

Es ist der Tod noch nicht, der mein Gebein

Durchschaudert, aber schwerer Wunde Schmerz.

Ich könnt' mich heilen, wär' ich jetzt daheim –

Nun gilt es nichts, gar nichts, als Untergang.


Sinkt in's Knie.


NIFLUNG auftretend.

Was soll das Vater dort mit unsern Schaaren?

Rückzug? Ich will nicht hoffen.

HÖGNE.

Rückzug nicht.[98]

NIFLUNG.

Du blutest, sinkst?

HÖGNE.

'S ist Vielen heut begegnet.

NIFLUNG.

Die Andern liessen dich hier ganz allein?

HÖGNE.

Ich heischt' es so. – Wo treibst denn du dich um?

NIFLUNG.

Stand halten wollt' ich auf dem ersten Schlachtfeld.

Da wendet sich's mit einmal hinter mir –

Der Letzte, dacht' ich, der doch willst du sein –

Und plötzlich auch die Feinde von mir ab,

Herumgeworfen sich um jenen Hügel. –

HÖGNE.

Die sind den Andern nach; eil' auch dahin.

NIFLUNG.

Was soll' ich dort?

HÖGNE.

Fragst viel? Mit ihnen sterben.

NIFLUNG.

Zu spät. Ich seh's von hier. Sie bluten schon,

Und was nicht todt ist, bindet fest der Feind.

HÖGNE.

Was stehst auch hier so lang, zum Vater schwatzend?[99]

Das kommt davon, du junger, säum'ger Fant.

Nun zog dir die Walkür' ergrimmt vorbei,

Und ruhmlos stirbst vielleicht auf trägem Bette.

NIFLUNG.

Nicht solche harte Rede, Vater mein.

Es kommt der Feind von allen Seiten her,

Und rühmlich denk' ich mit dir selbst zu fallen.

HÖGNE.

Der Feind?

NIFLUNG.

Ja, Vater.

HÖGNE.

Und die Andern bluten?

Liegt auch dein Ohm?

NIFLUNG.

Es scheint, sie führen ihn

Gebunden fort.

HÖGNE.

So spring' den Felshang dort

Hinab, laur' in der Kluft da drunten still.

NIFLUNG.

O weh, du schmäh'st mich.

HÖGNE.

Nein; doch eil' hinab.

Wer nicht in der Gesellenschaft Kampfreihe[100]

Gefallen ist, der muß sie überleben,

Zu rächen sein' und ihre Schmach zugleich.

NIFLUNG.

Ich trag' dich mit mir, Vater.

HÖGNE.

Zögerst noch?

Hast viel verzögert schon. Thu's nun nicht mehr.

Fort! Und dein Antlitz nicht mehr hergewandt!

Dir geb' ich als Feldhauptmann den Befehl

Sag' du kein Wort mehr, junger Degen. Fort!


Niflung eilt ab.


HÖGNE.

Wem Wundenohnmacht lähmt der Füsse Kraft,

Der wurzle desto fester ein die Knie',

Und schlag' um sich, den allerletzten Schwung

Der Kling' auch als den allerbesten führend.


Krieger Atles stürmen von verschiednen Seiten herzu, und rufen.


Das ist der Andre vom Niflungenstamm!

Gieb dich! Du blutest, All' dein Heer erlag.

HÖGNE um sich her hauend.

Bleib' von mir fern, wer länger leben will.

EIN KRIEGER sich ihm nähernd.

Prahl' sacht. Du kniest ja selbst im Staube schon.[101]

HÖGNE ihn niederhauend.

Knie' ich, so müssen Viel' von euch sich strecken.


Es fallen noch Andere, die ihm nachkommen. Zuletzt umfassen ihn Einige rückwärts, und reissen ihn nieder.


HÖGNE.

Nun habt ihr mich. Doch nicht wohlfeilen Kaufs.


Sie richten ihn in die Höhe.


EIN KRIEGER.

Du! Wahr' ihn gut. Sein Schwerdt liegt nahe bei.

EIN ANDRER.

Nimm's zu dir.

EIN DRITTER.

Schleudr' es lieber weit hinweg,


Es geschieht.


HÖGNE.

Das ist mir herzlich lieb, daß ihr mich scheut,

Mich den Wundkranken, Unbewehrten scheut.

Sagt, ist mein Bruder auch in eurer Macht?

EIN KRIEGER.

Ja wohl.

HÖGNE.

Lebendig?

KRIEGER.

Ja.

HÖGNE.

Ach, Sigurd, Sigurd,[102]

Nun dampft rachheischend auf dein edles Blut!

Ich seh' es wohl, früh' sei es oder spät,

Komm' es von Heldenhand, von Metzgerfaust, –

Die Götter lenken, und ihr Woll'n geschieht.


Wird abgeführt.


GUDRUNA kommt verwildert gelaufen.

Geschlagen die Schlacht,

Den Schlechten der Sieg!

Am Boden gebunden die Besten. –

Sendet sein Fleh'n,

Ausseh'nd nach Heil,

Noch wer in Zukunft zu Göttern?

Zum Himmel hinauf,

Wo huldlos, kalt,

Taub thronen die fremden Gewalten?

Keine Klage ja

Wird denen kund,

Abwärts wenden sie sich von uns. –

Du, lästerst zu leicht

Losen Wortes!

Dir selbst miß' bei das Maaß der Noth.

Fluch von dir flog

Flehend einst auf

Über die Brüder und Bruderskinder.

Nun trifft er, treu

Dem trau'rgen Flehn,[103]

Trifft sie; – du Wandelbare weinst.

Ach, andres auch

Ist's, Rache rufen,

Ist's, die Erfüllung vor sich schau'n.

Doch eingedenk

Des frühern Worts

Schweig' nun, verschleuß den thör'gen Mund.

Laß' fremde Lippen

Um was du leidest

Zu Göttermacht und menschlicher flehn.

Doch fremde Lippen, – ach, wo find' ich sie

Von gleicher Noth und Inbrunst angeregt,

Von gleicher Herzensangst? –

Ihr güt'gen Schicksalslenker, meinen Dank!

Entgegen sendet ihr Gesandte mir,

Zwei Andr' als ich, und doch mein eignes Blut –

Dort meine beiden Knaben, – um's Gebüsch

Her eilen sie, – sie, Atles, meine Kinder!


Ortlieb und Asmund treten auf.


GUDRUNA.

Ihr Tröster in der Noth, ihr lichten Flammen

Im dunkeln Sturme seid willkommen mir.


Umarmt sie.


ORTLIEB.

Wie wird dir, Mutter? Hast uns heut sehr lieb,

Und 's ist doch sonst nicht eben deine Art.[104]

ASMUND.

Nein. Siehst uns öfters finster an, und drohst.

GUDRUNA.

Ach, wer auch nahm die freud'ge Milde mir!

Glaubt mir, ich war sonst anders viel. –

ASMUND.

Sie sagen's.

Erst seit dem Sigurds Tod seist du so streng.

GUDRUNA.

O mahnt mich daran nicht, jetzt daran nicht!

Sie schlugen ihn, und sind mir dennoch lieb.

ORTLIEB.

Wer?

GUDRUNA.

Habt ihr nicht gehört? – Ihr sollt nicht fragen.

Weinen an eurem Halse laßt mich still;

Was ich einst war, in heisser Wehmuth Quellen

Den Frost zerschmelzend, – wieder werd' ich's nun.

ASMUND.

Wer wird heut weinen. 'S ist ein lust'ger Tag.

ORTLIEB.

Ei wohl, die mehrsten Feinde sind ja tod.

GUDRUNA.

Auch ihre Fürsten?[105]

ORTLIEB.

Nein. Die leben noch.

Der Vater ließ sie sahn.

GUDRUNA.

Hieß einer Högne?

ORTLIEB.

Ganz recht. Den wahrt man blos. Er blutet stark;

Dem that man nichts zu Leid.

GUDRUNA.

Jedoch dem Andern?

ORTLIEB.

Dem Gunnar?

GUDRUNA.

Sprich.

ORTLIEB.

Den warfen sie alsbald

In die grau'nvolle Schlangenhöl' hinab.

GUDRUNA.

Ich hör' nicht recht.

ORTLIEB.

Ja, in die Schlangenhöle.

Da hält 'mal das Gewürm ein gutes Mal.

Sonst, heißt es, wär' es noch verschmachtet gar.

GUDRUNA.

Da, wo die Molch' und Nattern lauern – Er! –[106]

ASMUND.

Glaub's nur; ich sah wie man hinab ihn stieß,

Vernahm tiefher des Drachenvolks Gezisch.

GUDRUNA.

Es ist eu'r Ohm, – lauft – bittet doch für ihn.

O, ihr dürft bitten – bittet, – täuscht mich nicht.

ORTLIEB.

Bei wem denn?

GUDRUNA.

Bei dem Vater.

ORTLIEB.

Nein, ich will nicht.

Der, und auch Högne schlugen Manchen todt,

Der mir im Leben lieb war. –

ASMUND.

Ja, wir sahn's –

BEIDE.

Und woll'n nicht bitten für ein solch Gezücht.

GUDRUNA.

Hört doch! Sind Eure Öhme! Meine Brüder!

ASMUND.

Mag sein.

GUDRUNA.

Fühlt doch die Angst in meiner Brust.

ORTLIEB.

Das kann ich nicht.[107]

GUDRUNA.

Bei euch nur steht mein Trost,

Auf euren Lippen schwebt er –

ASMUND.

Fängst ihn nicht.

Was? Betteln sollen wir zwei Atleskinder,

Und um des Feindes Leben? Nimmermehr.

ORTLIEB.

Laß' nur die Mutter. Kannst ja leichtlich sehn,

Daß sie verwirrt in ihren Sinnen ist.

ASMUND.

Sie wird sich schon drin finden, wenn sie tod sind.

ORTLIEB.

Und will sie's hindern, stell' sie's anders an.


Gehn ab.


GUDRUNA ihnen nachblickend.

So? – Hei, du Drachennest, wie früh du pfeifst!

Das meines Leibes Frucht? – Ha, um so mehr

Abscheulich, widrig, ganz vertilgungswerth.

Das müßt' ich schau'n, was ich ist und mir Feind,

So häßlich diesem Aug', und diesem Aug'

Des eignen Lebens Spiegel? – Arger Zank

In mir mit mir – weh, weh! Wie sollst du enden?


Geht ab.


Quelle:
Friedrich de la Motte Fouqué: Ausgewählte Dramen und Epen. Hildesheim 1996, S. 80-108.
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