Vierte Abentheure.

[108] Das Innre der Schlangenhöle. Weite Felsgewölbe. Im dunkeln Hintergrunde ein dumpfes Bewegen der Unthiere.


GUNNAR.

Ich wollte nur, sie brächen auf mich ein,

Die grausen Wirthe dieser Felsenkluft,

Und drängten mir den vielfach gift'gen Zahn

Gerad an's Herz, so wär's mit einmal aus,

Und Atle hätt' nicht Lust an meinem Elend.

So aber scheint's, sie fürchten noch bis jetzt

Den neuen Mitbewohner. – Habt's nicht Ursach,

Ich Waffenloser biet' euch Speise nur,

Nicht Kampf.


Zurückblickend.


Was regt sich denn von oben her?


[109] Ein Gitter in der Höhe geht auf. Atle zeigt sich dran.


GUNNAR.

Weiß man von mir noch droben in der Welt?

ATLE.

Gunnar!

GUNNAR.

Wer ruft?

ATLE.

Dein Sieger. Lebst du noch?

GUNNAR.

Ja. 'S thut mir leid genug.

ATLE.

Mir nicht.

GUNNAR.

Sprich lauter.

Schwer dringt durch ungesunden Hölenduft,

Durch Nebel, so die Klippen hier umschleiern

Der Ton in solchen tiefen Schlund herab.

ATLE.

Mich freut es, daß du lebst. Ich will dich retten.

GUNNAR.

Thu's.

ATLE.

Gern. Nur eins beding' ich mir dafür.

GUNNAR.

Ich werd's nach Kräften leisten.[110]

ATLE.

Sag' denn an,

Wo liegt verborgen Fassners reicher Schatz?

GUNNAR.

Nein, das erfährst du nicht. Mach' zu das Gitter,

Und laß mich sterben. Unser bleibt das Gold.

ATLE.

Zu wessen Nutz, wenn du hier untergehst?

GUNNAR.

Man wahrt sein Eigenthum, so lang' man kann,

ATLE.

Was Eigenthum! Gehört denn dir der Hort?

GUNNAR.

Ja. Unserm Hause bracht' ihn Sigurd zu.

ATLE.

Vielmehr dem meinen. Denn in erster Eh'

War ja Brynhildis, meine hohe Schwester,

Des Schlangentödters Weib, und ihr gebührt

Als Brautschatz, was der Recke hinterließ.

GUNNAR.

Nun dann auch mir. Brynhildis war mein Weib.

ATLE.

Gudrun' ist meins.

GUNNAR.

Ja wohl, du böser Schwager.

Doch rechte nicht mehr drum; es hilft dir nichts.[111]

ATLE.

So wirst du vor den Schlangen hier vergehn.

GUNNAR.

Das steht bei dir; bei mir, den Schatz zu hüten.

ATLE.

Bei dir nicht ganz allein, bei Högne auch.

GUNNAR.

Eh' will ich meines Bruders Herz beschau'n,

Gerissen ihm aus seiner tapfern Brust,

Eh' ich dir sage, wo der Schatz sich birgt.

ATLE.

Prahl' nicht so keck. Auch das kann noch geschehn.

GUNNAR.

Von dir, ungastlicher Betrüger freilich.

Was schlecht nur ist, das laur't in deinem Sinn,

Wie auch das misgeschaffne Antlitz dir

Ein gültig Zeugniß giebt von dem Gemüthe.

ATLE herabdrohend.

Du arger Schmäher! Wart'! Ich brech dir doch

Den tollen Trotz, ersäuf' ihn dir in Blut!


Tritt vom Gitter zurück, es heftig zuschlagend.


GUNNAR.

Wie klirrt die Angel dumpf im Wiederhall!

Eins – Zweimal! Weithin dröhnt die alte Gruft.


Nach dem Hintergrunde starrend.


Horch! Und die alten Schlangen wachen auf.[112]

Mit tausendfacher Regung wirrt sich's los,

In Klumpen scheuslich erst, nun scheuslicher

In vielgelenk'ger, windender Entwicklung!

Der Eine dort hebt seinen rothen Kamm

Lang über's andre Drachenvolk hervor –

Hu, wie im Rachen rasch die Zung' ihm spielt –

Er will auf mich – in hungert sehr nach mir –

Nur sitzt er mit dem schuppig langen Schweif

Noch zwischen andren Ungeheuer fest.

Er ist sehr gräulich – gräulicher noch der,

Der unbeholfen in der Mitte liegt.

Ich glaub', man heißt solch Unthier einen Molch.

'S hat noch nicht ausgeschlafen – blinzt die Augen –

Was? Träum ich, oder ist es gar ein Mensch?

Nein, nur den Spott des Menschenangesichts

Trägt er auf seiner Larve. – Wie er gähnt!

Nun wälzt er seinen dicken Leib hervor,

Der Lange kräuselt sich ihm nach – O, mir!

Tod ist nur Spiel, doch Hölle dies Entsetzen!


Flieht durch die Klippen, von Ungeheuern verfolgt.

Wilde Gegend vor der Schlangenhöle.


GUDRUNA tritt auf.

Horch! – Klagt es aus dem Erdenschooß herauf? –

Ich muß ganz nah' sein an dem bösen Schlund,

Der meinen tapfern Bruder Gunnar birgt.[113]

Das Eisengitter, in den Fels gerammt,

Es deckt und zeigt ein Luftloch wohl zur Gruft.


Sich dem Gitter nahend.


Ja! Tiefher murmelt's. Still!

GUNNARS STIMME aus der Höle.

Versenkt und ungesehn

Liegt der Niflungensohn

Bei Drachen, drohend wild,

Die rings sich häßlich drehn.

Wie anders war's am Rhein,

In weiter Hallen Pracht,

Mundschenken rings beim Mahl

Zu mächt'ger Fremden Ehr'.

GUDRUNA.

O! O! Sein Singen bricht mir noch das Herz.

GUNNARS STIMME.

Niflungensohn! In Nacht

Hält neidend Schicksal dich.

Schau' um! Die Schenken fort!

Nur Schlangen warten auf,

Nein, beissen brav mit an,

Beisitzer selbst des Mahls,

Und du nicht darfst, was sie,

Du bist die Speise nur.

GUDRUNA.

Hört Ihr's, Ihr Ahnherrn auf den goldnen Stühlen

In Wallhall's Burg? Hört Ihr's, und duldet es[114]

NIFLUNG aus einem Thal heraufklimmend.

Ich irrte toll und wild durch wildes Thal,

Und will nun sehn, was sich zu thun darbeut,

Ob Tod allein, ob Rache noch im Tod. –

Die dort steht, ist die Frau, so in der Schlacht

Zur Seit' uns focht mit ihrer Jungfrau'n Schaar.

Damals dacht ich, der Walkür'n sei es Eine.

GUDRUNA.

Was rauscht dort durch die Zweige? – Seel'ger Geist,

Flogst du aus Gunnars oder Högnes Leib,

Umzugestalten dich zu frischer Jugend

In dieses blühende Niflungenbild?

NIFLUNG.

Ich lebe noch, und bin nur Högnes Sohn.

GUDRUNA.

Ich Högnes Schwester. Schöner Knabe du,

Ja, lachst du ganz in so liebreicher Huld

Als mir vordem erschien mein Brüderpaar,

Komm', faß' mich tröstend ein in deinen Arm.


Sie umschlingen sich.


GUDRUNA plötzlich auffahrend.

Nein tritt zurück! Du bist kein Niflungskind,

Und bist du's doch, so schmähst du deinen Stamm!

Befleck' mich nicht mit der Berührung Schmach.

Was? Überleben eine Schlacht, wie diese?[115]

NIFLUNG.

Ward ich geboren, daß ein solches Wort

In's Ohr mir fallen darf?

GUDRUNA.

Der That gemäß.

NIFLUNG.

Ach, so gebot es ja mein Vater mir,

Der auch zugleich der Schaar Feldhauptmann wär.

GUDRUNA.

Zu leben? das gebot er?

NIFLUNG.

Ja, zu bergen

Mich in des Thales klippenvollen Schlund,

Das an die Gegend stößt, wo man ihn fing.

Dann, meint' er, räch' ich wohl noch die Verwandten.

GUDRUNA.

Daran erkenn' ich ihn.

NIFLUNG.

Hätt'st du gesehn,

Wie droh'nd mich anfiel seiner Augen Blitz –

Und sah mich doch vielleicht zum letztenmal –

Wie donnernd mir nachbrach sein Feldherrnruf;

Ich mußte folgen. Nun bringt es mir Schmach.

GUDRUNA.

Nicht also, lieber Knab'. Du sprichst als Held.[116]

NIFLUNG.

So sprech' ich, hab' doch nicht also gethan.

GUDRUNA.

'S ist noch nicht aus. Was nicht geschah, geschieht wohl.

Still – Horch!

GUNNARS STIMME aus der Höle.

Reißt auf in Wallhalls Reich,

Rasch auf die Thore reißt!

Ein kühner Kampfgesell,

Ein König reitet ein;

Aus schlechtem Erdenschooß,

Aus Schlangennestern zwar,

Doch leuchtend stets im Licht

Der eignen Lust und Kraft.

NIFLUNG.

O! dieser Klang reißt mir die Seele durch.

Wer ist der Held, deß' Geist im Liede scheidet?

GUDRUNA.

Gunnar, dein Oheim.

NIFLUNG.

Wo? Hilf mir zu ihm.

GUDRUNA.

Sprich jenes erzgegoss'ne Gitter an,

Das scheidet ihn von allen Menschen weit.[117]

NIFLUNG.

Dort drinnen? –

GUDRUNA.

Zwischen grimm'gen Schlangen haus't er.

NIFLUNG am Gitter reissend.

Ich brech' dich, mit den Zähnen dich heraus.

GUDRUNA.

Laß' ab. Was hülf' es dir? Grundlose Tiefe

Gähnt hinter jenen Stäben schwarz dich an.

NIFLUNG.

Was dann zu thun?

GUDRUNA.

Dem Rachedienst sich weihn.

Mit Rettung ist es aus, für den, für Alle.

NIFLUNG.

So lenke mir den jugendlichen Arm,

Auf daß er treffe, wo er treffen soll.

GUDRUNA.

Halt dich verborgen in dem Thale dort.

Zu Nacht empfängst du Bothschaft meines Willens.

NIFLUNG.

Auf blut'ges Wiedersehn, o Königin!

GUDRUNA.

Auf blut'ges Wiedersehn, du Heldenkind!


Gehn von verschiedenen Seiten ab.

[118] Reidbold tritt auf, ein goldnes Gefäß in der Hand tragend. Andre Krieger begleiten ihn.


EIN KRIEGER.

Welch ein verwachs'ner Weg durch Moor und Ried,

Zuletzt den rauhen Felsenweg hinan!

Wohin man uns nur schicken mag?

REIDBOLD.

Mich dünkt,

Ihr wär gewöhnt, zu folgen, nicht zu fragen.

Wenn solch ein Schwatzen unser Herr vernähm',

Er legt' es Euch wohl nicht zum Guten aus.

KRIEGER.

Wenn er's vernähm'! Doch er vernimmt es nicht.

Und einmal muß man doch vom Herzen weg

Sich selber Freiheit lassen mit dem Sprechen.

Wozu denn wär's uns angeboren sonst?

REIDBOLD.

Dem Thoren, zu verlieren Leib und Gut,

Dem Klugen, Leib und Gut sich zu bewahren.

Doch sei nur diesmal unbesorgt, Gesell.

'S gilt kein Geheimniß; was der Herr gebeut,

Wirst du bald hören. – Werft nur dieses Seil

Hinab durch's ehrne Gitter auf den Grund.


Sie thun es.


EIN KRIEGER.

Hu! Wie es drunten schwarz und dunstig ist![119]

REIDBOLD.

Wenn's das nur wär'!

KRIEGER hinabsehend.

Am Grunde regt es sich

Von wunderlich verschlung'nen Ungestalten.

REIDBOLD durch's Gitter rufend.

Gunnar! Ho! König Gunnar! Komm' herauf!

GUNNARS STIMME.

Herauf? Senkrecht starrt her die Felsenwand.

REIDBOLD.

Ich werf' dir ja das lange Seil hinab.

GUNNARS STIMME.

Ruf' mir herunter deiner Bothschaft Wort.

REIDBOLD.

Das kann ich nicht. Was zeigen soll ich dir.

Faß' nur das Seil, arbeite dich herauf. –

Und Ihr hier oben, stemmt Euch gegen, fest, –

Denn sehr gewichtig ist des Helden Leib,

Der aufklimmt an dem Seil, von Euch gehalten.

DIE KRIEGER untereinander.

Ho! Tritt fest ein! Er reißt mir's aus der Hand.

Streng' dort Ihr andern! Schlingt vielleicht mit ihm

Ein Drache sich an's Sonnenlicht herauf?

GUNNAR am Gitter erscheinend.

Nein, Menschlein. Ich nur bin es ganz allein.

Doch thut so wohl, und knüpft das Seil recht stark[120]

An dieser Eisenstäbe Gitter fest,

Wofern man mich noch öfter herberuft.

Denn's käm' doch leichtlich sonst, daß ich Euch Alle

Umriß, und in den Abgrund selber fiel.

Das wär' ein Schade mir, und Euch' ne Schmach.


Sie knüpfen das Seil am Gitter fest.


REIDBOLD.

Du siehst was bleich, mein königlicher Held.

GUNNAR.

Die grimmen Schlangen nagten schon an mir,

Doch tödlich noch sind ihre Wunden nicht.

REIDBOLD.

Errett' dich doch. Zeig' an das Faffnersgold.

GUNNAR.

Hast du sonst nichts zu sagen? Will hinab.

REIDBOLD.

Nein, weile. Noch vom Kön'ge dir ein Wort.

GUNNAR.

Sag' an.

REIDBOLD.

Du hast den Atles Zorn gereizt.

GUNNAR.

Mein'twegen.

REIDBOLD.

Nicht auf Dich nur ganz allein.[121]

GUNNAR.

Auf wen denn sonst?

REIDBOLD.

Auf Högne, deinen Bruder.

GUNNAR.

Ich kann's vermerken. Ist mein Bruder todt?

REIDBOLD.

Du prahltest, eh' des Bruders Herz zu schau'n,

Eh' du das Gold aus Faffners Erb' verriethst.

GUNNAR.

Nicht prahlt' ich's, denn so wirklich steht mein Sinn.

REIDBOLD.

Erräthst du, was dies Goldgefäß verbirgt?

GUNNAR.

Du willst mich überreden, Högnes Herz.

REIDBOLD den Deckel abwerfend.

Nun, überführ' dich. Schau' des Königs Zorn!

GUNNAR.

Laß' mich achtsam die Gabe erst beschau'n –

Nein, lieber Bote, nein, du willst mich trügen.

Jedoch, fürwahr, also gelingt's dir nicht.

Das ist nicht Högnes, meines Bruders Herz.

Denn dieses arme Herz, es klopft vor Angst,

Und das sieht nicht Niflungenherzen gleich.

Bring' mir ein bess'res, wenn ich trauen soll.[122]

Jetzt steig' ich wieder in das Schlangennest;

Willst du was mehr von mir, so kannst du rufen.


Läßt sich hinab.


EIN KRIEGER.

Ist es denn wahr, was der Niflunge sprach?

REIDBOLD.

Ja, voll Verwundrung muß ich es gestehn:

Dies ist nicht Högnes Herz, der lebt annoch.

Ihr kennt den Hialto all', den feigen Knecht.

Von dem, dieweil er doch zu gar nichts taugt,

Gebot der Herr das schlechte Herz zu nehmen,

Damit zu schrecken diesen starren Sinn.

Doch seh' ich, nicht so karge Gabe thut's.


Atle tritt auf, mit Ortlieb, Asmund und Jagdgefolge.


ASMUND.

Das war recht brav von dir, mein lieber Vater,

Daß du uns von dem alten Grämler nahmst,

Und uns nun mit dir führst durch Wies' und Wald.

ORTLIEB.

So ist's ein Leben! Hei, wie frisch das Herz

Dem Grün entgegenschlägt, und sonn'ger Luft.

ATLE.

Wir fahren sämtlich gut auf diese Art.

Denn ausserdem, daß Ihr in Freuden lebt,

Geht mir auch mit das ganze Herze auf[123]

Vom Anblick Eurer Jugendfröhlichkeit.

Mir kehrt zu Sinn, was schon seit langen Jahren

Mir ganz aus dem Gemüth gekommen war. –

Ihr lieben Knaben, meine einz'ge Lust!

Es ist erfreulich doch, einander lieb sein. –

Ha, meine Krieger dort. –

Reidbold, wie steht's?

Gab er sich drein? Bekannt' er?

REIDBOLD.

Keineswegs.

ATLE.

Nicht? Trotzkopf!

REIDBOLD.

Dieses Herzens feiges Zucken

Verrieth es ihm alsbald; Herberge nicht

Hab' dem die Brust des Bruders je gewährt.

ATLE.

Nun dann! Sie betten selbst in Abgrund sich.

So thu's.

REIDBOLD.

Was, edler König?

ATLE.

Du verstehst nicht?

Thu, was ich dir vorhin zum Schein befahl.

REIDBOLD.

Aus Högnes Brust –[124]

ATLE.

Nun ja! das Herz heraus,

Wenn Du's durchaus in Worten hören willst;

Und Gunnarn trag' die edle Beute her.

Geh'! Keine Antwort!


Reidbold geht ab.


ATLE.

Ho! zur Jagd! zur Jagd!

Stoßt All' in's Horn! Laßt alle Koppeln los!

Blut soll und Lärm den ganzen Forst erfüll'n.

ORTLIEB UND ASMUND.

Blut über Klippen hin! Durch's Thal Gejauchz!

Ho, Jagdlust! Ho, der Waldes-Thiere Tod!

Der Atle jagt mit seiner Adlersbrut!


Ziehn mit Atle und Gefolge vorüber. Die Krieger, so mit Reidbold gekommen waren, bleiben zurück.


EIN KRIEGER.

Der König sprach ein grausenvolles Wort.

EIN ZWEITER.

Das von dem Herzen –?

ERSTER.

Wiederhol' es nicht.

EIN DRITTER.

Nicht überhaupt für viel Gespräche taugt

Die schwüle Stunde dieser Gräu'lentscheidung.

Es rauscht bei der zwei Helden schwerem Tod[125]

Noch manches Andern Tod mit in der Luft,

Denn nicht allein fall'n solche Schaarenlenker.

ERSTER.

Hast Recht. Im Still'n bedenk's ein treu Gemüth.

ZWEITER.

Wir müssen wohl hier bleiben.

ERSTER.

'S möchte sein,

Daß Reidbold uns noch nöthig hätte.

DRITTER.

Wohl.

Wir woll'n uns lagern.


Setzen sich zu einander und bleiben eine Weile still.

Reidbold tritt mit dem Goldgefäß auf. Sie fahren auf.


EIN KRIEGER.

Ha! Bringst Du? –

REIDBOLD.

Ja. Im Sterben lächelt' er,

Und lächelte des Todes Schrecken fort.


Zum Gitter tretend.


Gunnar, Du edler König, komm' herauf!

EIN KRIEGER.

Schaut, wie gewaltig er aufstrebt am Seil.

Das Gitter dröhnt in erzgegoss'nen Fugen,

Ja, das Gestein auch schüttert, wie mich's dünkt.[126]

GUNNAR am Gitter erscheinend.

Du stehst schon wieder da mit Deinem Kelch,

D'raus ich mir bittr'e Tränke schöpfen soll.

Thu' ihn nur auf; jetzt mag der Schatz wohl drin sein.

REIDBOLD.

Ich bin ein Diener, thu' nach dem Gebot

Des Herren stets, dem ich verpflichtet bin;

Drum rechn' es mir nicht zu, Niflungenfürst,

Was ich Dir bringe.

GUNNAR.

Ab den Deckel, sag' ich.


Reidbold thut den Kelch auf.


GUNNAR hineinschauend.

Diesmal, mein Abgesandter, sprichst du wahr.

REIDBOLD.

So laß' von Deiner Widerspenstigkeit,

Und rette, wo nicht mehr den Bruder Dir,

Doch selber Dich von argem Schmachestod.

GUNNAR immer in den Kelch schauend.

Ja, ich erkenne meines Bruders Herz.

Auch jetzt noch kaum in leiser Regung bebt's; –

Wie minder, da er's trug in tapfrer Brust!

Nun ist es gut.

REIDBOLD.

Das Schrecken macht Dich irr'.[127]

GUNNAR.

So lange Högne noch am Leben war,

Stand ich im Zweifel halb, ob ich den Schatz

Nicht übergäbe. Nun giebt's Keinen mehr,

Der von dem Fassnershort die Spuren kennt,

Und sie anzeigen mag rechtlosen Herrn.

Ich nur allein weiß sein geheimes Bett.

Der Rhein behält' ihn! –

REIDBOLD.

Und Dich, Gunnar? Bedenk' was Dich behält!

GUNNAR.

Der Schlangenhöle grauenvolle Gruft,

Der Schlangenthiere grauenvoller Schlund.

Ich bin begraben. Gieb Dir keine Müh',

Und wirf auch mir kein Seil hinfort hinab.

Von mir lockt Menschenkind nicht Antwort mehr.

Du hörtest mein Vermächtniß. Gute Nacht.


Läßt sich hinab.


REIDBOLD.

Viel unerwünschte Bothschaft unserm Herrn! –

Schau' Du ihm nach. – Er ändert wohl den Sinn.

EIN KRIEGER am Gitter.

Laß' mir erst Zeit. Das Dunkel in der Hölen

Gönnt meinem Blick noch freies Umschau'n nicht.

EIN ZWEITER.

Ach, wirst auch nicht viel Tröstliches ersehn.[128]

ERSTER.

Viel Gräuliches. Die Schlangen wälzen sich

Zusammen ob der edlen Herrscherbildung,

Umschlingen sie –

REIDBOLD.

Was thut er?

KRIEGER.

Er liegt still.

REIDBOLD.

Ist wohl schon tod?

EIN KRIEGER.

Nein, horch'! Er singt herauf!

GUNNARS STIMME.

Nage du Natter!

Nicht edler's Mahl

Ward irgend wem auf der Welt.

Hängst am Herzen fest

Hochsinn'ges Herrn,

Königes, vielen Landen kund.

REIDBOLD hinabrufend.

Gunnar! Hör'! Bist zu retten noch! besinn' Dich.

GUNNARS STIMME.

Sie trachten und treiben,

Und trügen sich selbst,

Dort oben, wo die Leute leben.

Hier wohnt Wahrheit![129]

Wagt herab Euch,

Zu erspäh'n was dem Grund' entsproßt.

EIN KRIEGER.

Die Stimme wird schon matt. Gleich ist es aus.

GUNNAR.

Klopfe nicht klagend,

Wie kleiner Menschen

Herz, Du hohes Gunnars Herz!

Stocke nicht sträubend,

Starker Othem –

Ende, vollende den Leichensang.

REIDBOLD am Gitter.

Er starb. In Wallhall sitzt er bei den Göttern.

EIN KRIEGER.

Ach, solch ein End' so keckem Heldensinn!

EIN ANDRER.

Es war der Sigurds Tod, der schlang ihn ein

Mit also schauerlicher Strafumwindung.

Den Schlangentödter rächte Schlangengrimm.

REIDBOLD.

Was sprichst so wunderlich?

DER KRIEGER.

Ich spreche nicht.

Vielmehr, (ich fühl' es) redet was aus mir,

Und sagt uns Allen bitt'res Ende an.[130]

REIDBOLD.

Heiß' es doch schweigen.

DER KRIEGER.

Könnt' ich's auch – zu spät!

Es hat gesprochen.

REIDBOLD.

Macht Euch still hinweg.

Mich dünkt, die Nornen schweben über uns,

Und drücken diesen Wald mit banger Ahnung.

Das Wild umher starrt, Eich' und Buche rauscht,

Die Wolken senken sich – still! Still!


Gehen schweigend ab.


Quelle:
Friedrich de la Motte Fouqué: Ausgewählte Dramen und Epen. Hildesheim 1996, S. 108-131.
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