Fünfte Abentheure.

[131] Vor Atles Burg.

Atle, mit Waidleuten von der Jagd heimkehrend, begegnet Gudrunen mit ihren Jungfrauen.


ATLE.

Wohin, Gudruna?

GUDRUNA.

In den Wald hinaus,

Zu wählen mir die schlanksten, höchsten Bäume,

Dann selbst zu pflücken das hellblühendste

Gezweig, das ich im Forst nur finden kann.

ATLE.

Wozu das?

GUDRUNA.

Zu des Scheiterhaufens Gluth

Die Bäume, und die Blüthen, ihn zu kränzen.[132]

ATLE.

Was für 'nen Scheiterhaufen meinst Du denn?

GUDRUNA.

Fürwahr, das ist ein seltsam kurz Gedächtniß,

Wovon noch spät, nach vieler hundert Jahre

Verdunkelndem Hinrollen sprechen wird,

Wer deutsche Zunge spricht: – den Heldenfall

Der rühmlichen Niflungen im Verrath –

Das hat er schon vergessen, der es sah',

Der's selbst bereitete mit schlimmer List.

ATLE.

Ha so! die Überwundnen feierst Du!

Ich hab' ein gar verschiednes Fest im Sinn,

Zu deren Preis, die siegend sind gefallen.

Deshalb zog ich zu Wald auch, so wie Du,

Doch Mahles heitre Gabe bracht ich mit,

Viel edles Wildpret, durch den Speer gefällt.

Such' Du Dir Bäume aus zum Trauermahl,

Auch Blum' und Blüthen, ich verhindr' es nicht,

Und gönn' Dir solche arme Feier gern.

Sei recht vergnügt dabei, Du stolze Wirthin.


Geht mit dem Gefolge vorüber.


GUDRUNA.

Noch höhnen darf er mich! – Das heischt der Rache

Gräu'lvollstes Maaß. – Ihr Jungfrau'n, geht voran.[133]

Mir wägt sich was im meinem tiefsten Sinn,

Das keines fremden Hauches Störung duldet.


Die Jungfrau'n gehn ab.


GUDRUNA.

Jedwedes hat sein Ziel. – Beschränke nicht

Zu eng' des edlen Flusses Bett, zwing' nicht

Dein treues Roß gewissem Sturz entgegen,

Nicht gegen Felswand treib' Dein gutes Schwerdt;

Sonst fluthet, bäumt, und splittert zum Verderben

Die einst getreue Kraft auf Dich zurück. –

Es ist geschehn. Und aus dem eignen Herzgrund

Reiß' ich mit eignem Blut und Todesschmerz

Die Rache für den Spötter mir herauf.

Er kann mir nicht entgeh'n. Ich halt' ihn gut,

Ich halt' ihn fest an meinem eignen Jammer,

Um solch ein Kaufgeld führt sich Alles aus.


Ortlieb und Asmund erscheinen im Hintergrunde, ein erlegtes Reh tragend.


GUDRUNA hinblickend.

Sind's Truggestalten? Nein. Die bösen Geister

Spüren nur kaum in einer Menschenbrust

Was ihnen gleicht, so werfen sie alsbald

Die Ausführung des Gräu'ls in unsern Weg.

Hab' deinen bösen Will'n, du böse Macht.

Das Rach- und Todtenopfer falle jetzt.[134]

ORTLIEB.

Siehst Du? Ich schoß es. In der Wunde noch

Sitzt fest mein Pfeil, der mit den bunten Federn.

ASMUND.

Ja, doch ich sing es, wie's in Todesnoth

Hinab sich stürzen wollte von den Klippen.

Dort wär's zerschellt, und nie hätt'st Du's gesehn.

ORTLIEB.

Der Schuß bleibt immer mein.

ASMUND.

Und mein die Beute.

ORTLIEB.

Ach, jüng'rer Bruder, gieb in Frieden Dich.

ASMUND.

Du! Prahl' mir nicht. Ich streu' Dein gelbes Haar

In alle Lüfte noch zum Spiel des Wind's.

ORTLIEB.

Wag' Dich nur an mich, Du krausköpf'ger Bursch.


Gudruna tritt zwischen sie, faßt sie hart an, und führt sie mit in den Vorgrund.


ORTLIEB.

Die Mutter kommt ein heft'ges Zürnen an.

GUDRUNA.

Was aber hadert Ihr um's blut'ge Reh?

Ihr seid zwei blut'ge Rehe selbst, seid Opfer.[135]

ASMUND.

Nein, grimme Mutter, ich versteh' Dich nicht.

GUDRUNA.

Verstehn, Ihr Atles Kinder, sollt Ihr mich,

Wenn Euch mein Messer wühlt am harten Herzen.

ORTLIEB.

Du willst uns schlachten, Mutter?

GUDRUNA.

Ja, zum Mahl,

Zum Todesmahl für Eurer Öhme Feier.

ASMUND.

Das wird Dir selbst gewißlich wehe thun.

GUDRUNA.

Mag es! Dieß ist für alle Zeit des Weh's.

ASMUND.

Und Schade wär's um zwei so wackre Knaben.

GUDRUNA.

Hat Euch, Ihr kleinen unbewegten Klippen,

Hat Euch mein heisser Thränenguß erweicht,

Als ich für meiner Brüder Leben bat?

Nun Wolfsbrut, Schlangenbrut, nun soll auch mich

Nicht Euer Fleh'n, Eu'r Weinen nicht erweichen.

ORTLIEB.

Nein. Mutter, bild' Dir nicht was Schlechtes ein.

Wir flehen? Weinen? Bitter ist der Tod,

So wie es heißt, und manche lust'ge Jagd,[136]

Und manch ein lust'ger Krieg stand zu erproben

Für Heldensöhne, wie wir beide sind.

Darum ist's Schade. Doch wir winseln nicht.

Muß es denn sein, so laß' es gleich geschehn.

GUDRUNA.

Es soll, Ihr Trotzigen! Es soll alsbald.

ASMUND.

Du bist es, die uns unser Leben gab,

Und was man gab, kann man zurücke heischen.

Nimm's nur, Du Mutter.

GUDRUNA.

Mutter nennst Du mich.

O, lieber Knabe!


Will ihn umarmen.


ASMUND zurückspringend.

Nein, das leid' ich nicht.

Wer mich bedroht, dem keinen Kuß zuvor!

ORTLIEB.

Recht so, mein Bruder. Gieb kein gutes Wort.

GUDRUNA.

Des Atle Ingrimm sprüht aus diesen Augen,

Des Atle Bosheit wohnt in solcher Brust.

Was zögr' ich denn? Hinaus zum Rachemahl!


Eilt mit den Knaben ab.


EIN GOLDSCHMIDT tritt auf.

Wenn Kön'ge fechten, wird der Kaufmann reich.

Es geht wohl im Gewühl mit Einer drauf,[137]

Jedoch gewinnt, wer's überlebt, gar viel.

Da giebt es Ehrenmale aufzustell'n

Den Todten, Siegesmale Lebenden,

Und dann das reiche Gold, und Silber auch,

Und köstliches Gestein, so auf den Waffen

Erschlagner liegen bleibt – wer das versteht,

Dem fällt der schönsten Beute viel anheim.

Da hier – und hier –


Mitgebrachte Gold- und Silberstangen betrachtend.


GUDRUNA verstört zurückkommend, und ihn plötzlich ergreifend.

He Du! Was lau'rst Du hier?

GOLDSCHMIDT.

O mir! Willst Du mich tödten?

GUDRUNA.

Sag', wer bist Du?

GOLDSCHMIDT.

Ein armer, frommer Kunstmann, Königin –

O laß' mich leben – der für Dich des Schmucks

Schon viel geformt – In Deiner Augen Gluth

Liegt Tod.

GUDRUNA.

Meinst Du? Er flammt aus meinem Herzen.


Ihn los lassend.


Doch das ist nicht für Dich, Du banger Wurm.

Sei Du getrost. Nur dahin trifft der Blitz,[138]

Wo ihn verwandte Kraft zum Zorne lockt. –

Sprachst Du nicht eben, Schmuck verständest Du

Zu bilden, aus des Erzes edlem Glanz?

GOLDSCHMIDT.

Ja, Herrin.

GUDRUNA.

Nun, ich sende Dir zwei Schalen

Zu Trinkgefäßen, zwei sehr edle Schalen –


Verhüllt ihr Antlitz.


GOLDSCHMIDT.

Wie wird ihr? Sie bewegt mir meinen Sinn

In Furcht und tiefer Wehmuth Schmerz zugleich.

GUDRUNA.

Zwei Schalen, sagt' ich Dir. Die faß' in Silber

Zu Trinkgeschirr'n –

GOLDSCHMIDT.

Du willst sie nicht in Gold?

GUDRUNA.

Gold? Nein. Des Silbers bleiches Mondenlicht

Geziemt sich solchem Fest. Doch schaff' sie bald.

GOLDSCHMIDT.

Gebeut nur, wann.

GUDRUNA.

Zum ernsten Todtenmahl

Das ich um der Niflungen Ende feire.[139]

GOLDSCHMIDT.

Zur Werkstatt eil' ich, Alles zu bereiten.

Schick' mir die Schalen hin.

GUDRUNA.

Sei unbesorgt.

Ach, meine Arbeit dran, weh! ist gethan.


Goldschmidt ab.


GUDRUNA.

Leb' ich denn noch? Bin ich's noch immer selbst?

Oder hat der unheilbeschwingten Dysen

Sich eine in Gudrunens Leib verstellt?

Man sollt' es denken. Solche, solche That!

Zwei schöne Leichen sind es. – Neben ihnen

Stand ich, wie in der sonst'gen, frommen Zeit,

Wenn ich in süßen Schlummer sie gewiegt,

Und mich gefreut an ihrer Locken Gold,

An ihrer Wangen Roth. – Die sind heut blaß,

Doch Purpurkleider wirkt' ich ihren Leibern.

Mir thut das Herz noch von der Arbeit weh. –

Doch fort. Der Schalen harrt die Hand des Kunstmanns.


Will ab. Atle tritt ihr entgegen. Sie schrickt zusammen.


ATLE.

Nein, tritt so zürnend nicht vor mir zurück.

Ich that Unrecht vorhin mit meinem Spott,

Und will es sühnen.[140]

GUDRUNA.

Laß' mich, laß' mich gehn,

Mich ruft ein wicht'ges Thun.

ATLE.

Zum Todtenmahl

Die Vorbereitung? Sieh, ich feir' es mit,

Will ehren Deine Brüder noch im Tod.

GUDRUNA.

Ja, merk'st Du's nun, doch merk'st es allzuspät,

Daß auch zertretne Schlangen furchtbar sind.

Nun möcht'st Du sühnen. Laß' es jetzt nur werden,

Wie's werden kann.


Nach einigem Besinnen.


Doch nein, nein! Du sollst mit

Beim Todtenfeste der Niflungen zechen.

ATLE.

Was brach so plötzlich Deinen starren Sinn?

GUDRUNA.

Ich bin ja doch ein arm' verlassnes Weib, –

Die Brüder tod, der Freunde Macht zerschellt –

Ja freilich will ich grüßen Dich als Gast.

ATLE.

Du thust auch recht. Laß uns hinfürder friedlich

Beisammen wohnen. Groll und Hader viel

Hab' ich gesehn in meines Lebens Lauf,

Und trug mir doch an Früchten Mißwachs nur.[141]

So auch mit dieser letzten furchtbar'n Schlacht.

Verbergend rauschen Rhein's gewalt'ge Fluthen

Ob dem so blutig nachgespäh'ten Gold.

Nein, Friede sei's nun, abgethan der Krieg.

GUDRUNA.

Wer das so sagen könnte! Ruf' doch wer

Die Wucht zurück, so er vom Fels gerollt!

ATLE.

Warum nicht, wenn sie einmal unten liegt,

Sie still zurücketragen?

GUDRUNA.

Liegt sie unten?

Mich dünkt, ich hör' ihr Roll'n noch am Gestein.

ATLE.

Laß' ab, zu träumen. Reiche Gaben Dir

Halt' ich entschädigend bereit.

GUDRUNA.

Die spare.

Du bist mein Gast ja schon für's Todtenmahl

ATLE.

Die Knaben bring' ich mit.

GUDRUNA.

So?

ATLE.

Sieh'st Du doch[142]

Mit einem Lächeln drein, wie man's von solchen

Gewahrt, die Todeskrampf auf's Schlachtfeld streckt.

GUDRUNA.

'S ist Spiegelleuchten noch vom reichen Wahlplatz.

ATLE.

Sah'st Du die Knaben?

GUDRUNA.

Ja. Sie schlafen fest.

ATLE.

Hat sie das Jagen heute so erschöpft?

GUDRUNA.

Dem Jäger wie dem Wild thut Ruhe Noth.

ATLE.

Sie zankten, als ich sie zuletzt verließ.

Uneinig sind sie oftmals unter sich,

Und das allein mißfällt mir an den Beiden.

GUDRUNA.

Sie zanken fürderhin sich nimmermehr,

Der Friede hält Jedwedes Haupt umgossen.

ATLE.

Meinst Du? Sie haben's auch um Dich verdient,

Daß Du mit treuer Milde sie vertrittst.

Heut' sahn sie in des Jagens bester Lust

Jenseit des Strom's sich bunte Vögel wiegen,

Hui, sprang das lust'ge Paar gleich in die Fluth.[143]

Für Muttern, riefen sie, woll'n wir sie fange,

Da soll sich Mutter freu'n! –

GUDRUNA.

O!


Sie bricht in Thränen aus.


ATLE.

Sprich, was weinst Du?

GUDRUNA.

Das Todtenmahl – es will sein ernstes Theil.

Mit theuern Perlen mahnt es mich. – Zum Fest!

Antworte nicht. Es muß vollendet sein.


Winkt ihn abwärts. Sie gehn zu verschiednen Seiten hinaus.

Abgelegnes Thal.

Nacht.


NIFLUNG liegt unter einem Baum, und spricht im Schlafe.

Der weisse Renner – der kam erst an's Ziel –

Holt hundert Marken reinen Gold's herbei –

Ich will ihn kaufen – nun zum Mittagsmahl –

Ihr Helden lagert Euch – Schenk' reinen Weins

Die Kelche voll, Du goldgelockter Knab' –

Du Andrer, trag' die Falkenherzen auf. –

Was? Bringst Dein eignes Herz? Und Jener schenkt

Sein eignes Blut? – O nein, das wollt' ich nicht.

Her andern Wein, Ihr Schenken, reinen Wein,

Und weißen, daß man sieht, es ist kein Blut drin![144]

Wo bleibt's Gesindel?


In die Höhe fahrend.


Ich träumte. – Was geschah' mir? – Hier im Dunkel

Lieg' ich allein. Wie war's denn gestern? – Gestern –

Ach, schreckensvoll steigt die Vergangenheit

Aus ihrem Dunkel in mein Dunkel her.

Ja, ja, das allerschrecklichste geschah,

Und noch hab' ich die Helden nicht gerächt.

Du Säumender! – Nein, schilt dich nicht zu hart.

Des Vaters Schwester, sie verhieß mir ja

Die Bahn zu brechen zu dem blut'gen Ziel.

Sie zögert, doch ich nicht. – Dort oben liegt

Die Burg. Ganz recht, es strahlt auch durch die Nacht

Von hellem Lichterglanz in Festes Hallen,

Und Hörnerklang dröhnt bis in's Thal herab.

Sie schmausen, feiern ihren falschen Sieg –

Der Högnes Sohn indeß, der irrt allein

Wie ein gejagtes Waldthier durch den Forst,

Und spottend gaukeln Träume um sein Lager.

Der letzte bracht' ein glänzendes Gesicht

Von heiterm Wettkampf, reichen Mahls Genuß,

Und ich war Wirth, und Herr von vielen Burgen.

Zuletzt jedoch verrann's in Leich' und Blut.

So soll's auch dir verrinnen, schmausend Volk,

Da droben in der starken Räuberburg.[145]

EINE ZOFE GUDRUNENS auf der Höhe.

Du fremder Recke, weilst du dort im Thal?

NIFLUNG.

Wer fragt?

ZOFE.

Ich, von Gudruna hergesandt,

Sie sprach: es sei nun endlich an der Zeit,

Wozu? das weiß ich nicht. Doch sollst du kommen.

NIFLUNG.

Führst du mich?

ZOFE.

Ja.

NIFLUNG.

So wart'. Ich komm' hinauf.

ZOFE.

Nein, schau'rlicher Nachtwandler, nah' dich nicht,

Eh' du mir's nicht mit ernstem Schwur versichert,

Mich nicht zu schädigen in deinem Grimm.

NIFLUNG.

Was macht dich denn so angst vor mir?

ZOFE.

Du sprichst

Herauf mit dumpfem, grauenvollem Laut,

Als wie in unterdrücktem Zorn, wohl gar

In nah' aufloderndem, sinnlosem Rasen.[146]

NIFLUNG.

Es kann was dran sein, wenn der Zorn nicht bald

Ausbricht aus seinem Haus.

ZOFE.

Weh', du verscheuchst mich.

NIFLUNG.

Nein, bleib'. Bei allen Göttern sichr' ich's dir,

Nicht einen Funken meines heißen Grimms

Versprüh' ich auf dem nächt'gen Weg. Ausströmen

Am Ziel ihn, das, das will ich.

Sei getrost.

Ein Becken grimm'gen Feuers geht mit dir,

Jedoch behütet von mannhafter Stärke.


Klimmt hinauf, und geht mit der Zofe ab.

Atles Schlafgemach. Gudruna, eine Fackel in der Hand, führt den trunknen Atle herein.


ATLE.

Kleiner und karger

Brennen die Kerzen

Des heitern Heldenmahles schon.

Ihr Becher, blank,

Ihr Brüder des Fest's –

Alles in Dunkel und dumpfem Schlaf?

GUDRUNA.

Dem Wandrer wiegt

Der wicht'ge Schlaf[147]

Auf dem sonst leichten Augenlied.

Zur Hütte heim,

Hasten sich Jäger –

Kehr' du vom Fest auch heim, mein Fürst.

ATLE.

Manche Mährchen,

Meine Holde,

Sprachst uns vor, beim sprudelnden Trank.

Lisple lieblich

Leise Kunde

Mir auch jetzt in mein schlummernd Ohr.

GUDRUNA ihm auf's Ruhebett helfend.

Der blut'ge Buhle,

Bösen Sinn's voll,

War schläfrig nach der Schlacht.

Die Herrin half,

Sie, hoch gesinnt,

Zum langen, langen Lager ihm.

ATLE entschlummernd.

Ich schlafe, er schlief,

Schleichend, behaglich,

Umsäuselte süße Ruh' sein Ohr –

GUDRUNA.

Was nicht Wein that,

Thaten Worte,

Thaten zaubrische Zeichen ihm.


[148] Nachdem sie ihren Stab einigemahl über ihn geschwenkt.


Nun schläfst du sicher bis zum Morderwachen.

Kam noch des Hauses Rächer nicht herbei?


An der Thür lauschend.


Ja, das sind Tritte, fest, wie's ziemt dem Mann,

Doch leise, wie's geheime Strafamt heischt;

Ich kann nicht irren, das muß Niflung sein.


Öffnet die Thür.


NIFLUNG auftretend.

Mit Blut zu rein'gen dir die blut'ge Schwelle,

Komm' ich aus meinem dunkeln Thal herauf.

GUDRUNA.

Sieh'st du den ries'gen Greis, in Schlaf versenkt?

Das ist er, den die Erde weit und breit

Zu fürchten pflegt, der König Atle heißt.

NIFLUNG.

Er sieht recht schaurig aus, mit seinen Runzeln,

Und langem weißen Bart und weißen Brau'n.

GUDRUNA.

Scheu'st dich vor ihm?

NIFLUNG.

Dann wär' ich ja nicht hier.

GUDRUNA.

Nun, zeuch dein Schwerdt. Tauch's in die breite Brust.

Du zögerst?[149]

NIFLUNG.

'S ist der Rache nicht genug.

Von Schlangenbissen starb mein edler Oheim,

Sah vor sich meines Vaters blutend Herz –

Und der Verbrecher soll's mit Einer Wunde,

Die schnell ihr eignes Leiden ihm verkürzt –

Damit sollt' er es büssen? – Nimmermehr.

GUDRUNA.

Kurzsicht'ger Schüler, lehrst die Meisterin?

In dieser meiner Brust wohnt mehr des Leid's,

Mehr des heißlodernden, gramvollen Zorns,

Als du, mein Knabe, ahnst, noch ahnen wirst.

Ja, beben wird dir dein Niflungenblut,

Wenn du Gudrunens Rachethat vernimmst.

Doch erst das Schwerdt in dieses eh'rne Herz!


Niflung will zustossen.


GUDRUNA ihn zurückhaltend.

Halt! Gönn' auch meiner Hand noch Raum am Griff.


Beide, das Schwerdt fassend, durchbohren Atle.


ATLE.

Verrathen! O! Ermordet! O, wer that mir's?

GUDRUNA.

Die Schwester der Niflungen.

NIFLUNG.

Högnes Sohn.[150]

ATLE.

Hu, wie ihr vor mir steht in schwarzer Nacht,

Wie meine Sünden, Ihr zwei Zorngestalten, –

Und grifft mir bis an's Herz auch. Es ist aus.

GUDRUNA.

Noch nicht. Du hielt'st ein gutes Mahl zuletzt.

Weiß'st du den Traum noch von den Falkenherzen?

Du trankst auch rothen Wein. Kennst du sein Roth?

Kennst du die weißen Schalen, draus du trankst?

ATLE.

Ich weiß nicht. Sprich nicht weiter, laß mich sterben.

GUDRUNA.

Nein, nimm die Nachricht mit auf deinen Weg:

Der Knaben Blut und Herzen war dein Mahl,

Und ihres Schädels Rund die beiden Schalen,

ATLE.

Ich glaub', der Schmerz der Wunde macht mich toll.

GUDRUNA.

Nein, todwund bist du, Held, doch gut bei Sinnen. –

Was bebst du, Niflung?

NIFLUNG.

Ha, der Schreckensthat!

Es ruht ein siebenfält'ges Grau'n darauf.[151]

GUDRUNA.

Sieh'st du? Bei mir nur wohnt die volle Rache.

ATLE.

O weh'! O weh'! Nun bricht mein Jammer aus!

Die eigne Wunde trug ich stark und still,

Doch mit mir sie gewürgt die holden Knaben,

Und ihr – nein – selbst mein eignes Fleisch und Blut

Mir Speis' und Trank! Ihr habt zu arg gethan.

GUDRUNA.

Kanntest du Maaß bei meiner Brüder Tod?

ATLE.

Nicht das. Und auch ob meinem eignen Haupt

Sah' ich seitdem den Himmel blutig droh'n.

GUDRUNA.

Du wollt'st dich doch versöhnen, wollt'st noch leben.

ATLE.

Wer wollte das nicht, dem das Atles Reich

Zu Handen ständ', und Lebens beste Lust,

Zudem – ach, damals noch! – zwei muth'ge Söhne!

Sie waren ja doch auch dein eignes Leben.

GUDRUNA.

Meinst du, ich hätt' es thränenlos verlöscht?

ATLE.

Warum denn die, warum nicht mich allein?[152]

GUDRUNA.

Also gebot's der grimme Zorn in mir,

Nicht dir allein, auch mir ein blut'ger Feind.

ATLE.

Ihr habt sie wie Kebskinder hingewürgt.

Das waren doch die zwei nicht, deren Mutter

Ich heimgeführt nach reichem Brautgeschenk

Mit der Verwandten und mit ihrem Will'n. –

NIFLUNG.

Du hast noch viel des Othems in dir, Greis!

ATLE.

Blas' mir ihn aus, und seegnen will ich dich.

NIFLUNG.

Nein, mich verlangt nach deinem Seegen nicht.

ATLE.

Wohl als mein theures Eh'weib hielt ich die,

Dir dort nun vor mir steht, der Knaben Schlächt'rin.

Der edlen Ritter dreißig dienten ihr,

Der Zofen zwanzig – nimmer gnügt' ihr das.

Willkührlichen Besitz all' meiner Habe,

Den wollte sie, – das schafft dies Elend mir.

GUDRUNA.

Du faselst, Alter. Findet wider dich,

Den Vater alles Bösen und Verraths

Noch Sünde statt? Fürwahr, du bist ein Ziel,[153]

Nach dem man kecken Pfeiles werfen darf,

Und lächelnd schau'n die Götter drauf hernieder.

ATLE.

Die Götter lächeln droben immerfort,

Und unsre Noth ist ihnen lust'ger Scherz.

Die sind nur Richter, milde Väter nimmer.

GUDRUNA.

Der Glaube ziemt dir. Mindestens für dich

Sind Wallhalls heitre Säle nicht erbaut.

ATLE.

Das mag wohl sein. Doch hast den Schlüssel nicht.

Nur was auf Erden mir noch tröstliches

Gescheh'n kann, – es ist wenig – das begeh'

Nach so viel schlimmer That zuletzt an mir.

GUNNAR.

Nenn' es.

ATLE.

Du willst es nicht?

GUDRUNA.

Nenn' es getrost.

NIFLUNG.

Ja, alter Mann, du bist nun ganz zermalmt,

Und deines Staubes woll'n wir uns erbarmen.

ATLE.

Dem schenkt Begräbniß nach des Landes Art.[154]

Versenkt ein Schiff in länglichen Grabhügel,

Und auf dem Schiffe steh' von festem Stein

Ein Sarg, der diesen blut'gen Leichnam birgt.

Die Todtenkleider übergießt mit Wachs;

Also beerdigt man vornehme Heunen.

GUDRUNA.

Und also soll es auch mit dir geschehn.

ATLE.

Die Kerzen brennen dunkel – das Gemach

Verengt sich wunderlich zur kleinen Kammer –

Das ist ein karger, unfürstlicher Tod

Für den, der Atle hieß, der große König.

Der Laufbahn Ziel stimmt mit der Laufbahn nicht.

Hm, seltsam, seltsam wird's! –


Aufschreiend.


O meine Falken!


Er stirbt.


GUDRUNA.

Gebt euch zur Ruh' nun, ihr Niflungenschatten.

Ein Todtenopfer ward euch sonder Gleich.


Man hört Tumult in der Burg.


REIDBOLDS STIMME.

Der König rief! Der König stöhnte laut!

Hinein. Mich dünkt, es ist Verrath im Werk.

GUDRUNA.

Die Knechte toben. Niflung, geh' hinaus[155]

In's Thal zurück. Ich laß' dich wieder rufen,

Denn noch ist nicht mein ganz Geschäft gethan.


Niflung geht ab.


GUDRUNA.

Und schweigen heiß' ich das Gezüchte dort.


Ab.


Quelle:
Friedrich de la Motte Fouqué: Ausgewählte Dramen und Epen. Hildesheim 1996, S. 131-156.
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