[156] Meeresufer. Man sieht von weitem Atles Burg.
GUDRUNA zu vielen Kriegern Atles redend, unter ihnen Reidbold.
Also geschah's, daß euer Herr erlag,
In der vergangnen Nacht. 'S war Rach' um Rache,
Und nichts von meiner That hab' ich verhehlt.
Ich weiß, daß es der Menschen geben wird,
Die mich Mannsschlächt'rin schelten, Rabenmutter, –
Doch die, die wissen nichts von meinem Sinn; –
Drum können sie beginnen ihren Spruch,
Ich hör' nicht drauf. – Nur das, Ihr Diener frag' ich,
Wagt's Einer, mich zur Rechenschaft zu ziehn?
REIDBOLD.
Des Herrn Begräbnißfei'r ist nicht vorbei,
Und dies Geschäft liegt uns vor Allem ob.[157]
GUDRUNA.
Ganz recht. Zwar haben wir den Todten schon
Beerdigt, wie's der Heunen Sitte heischt,
Und wie er's selber hat von mir begehrt –
Jedoch, das Todtenmahl begann noch nicht,
Und das, mit seinen hellerglüh'nden Bechern,
Scheint dir ganz unerlaßlich, liebes Volk.
REIDBOLD.
Auf diese Red' und vieles Andre noch
Versparen wir der Antwort schwer Gewicht.
GUDRUNA.
So? Also eure Kön'gin bin ich nicht mehr?
Bin die Beklagte nur vor eurem Stuhl?
REIDBOLD.
Du wirst es seh'n beim nächsten Morgenroth.
GUDRUNA.
Wohl denn, ihr Herr'n. Wir woll'n uns drauf vertrösten.
Für jetzt zieht nach der Burg. Der Becher winkt.
Reidbold und die andern Krieger gehn ab.
Wie sich der Mensch so keck, so übermüthig
Sein eig'nes Urtheil spricht! Ich hätt' dich nun
Vielleicht verschont, Gesinde. Doch es droht
Aus euch der kecke Trotz, und reißt euch fort
In Atles Grabesdunkel mit hinein.
Gescheh's euch nach Verlangen.
[158] An einen Schild schlagend.
Niflung! Niflung!
Herauf du Rächer, aus verborgnem Thal!
NIFLUNG auftretend.
Giebt's mehr zu thun noch, strenge Högnes Schwester?
GUDRUNA.
Du bist sehr g'nügsam bei dem Rachemahl.
NIFLUNG.
Der Thäter liegt ja unterm Hügel schon.
GUDRUNA.
Wieviel der Krieger brachtet ihr mit her?
NIFLUNG.
Der Recken waren wir tausend und sechzig,
Und hatten im Gefolg neuntausend Knechte.
GUDRUNA.
Wo sind die Alle?
NIFLUNG hinausdeutend.
Dort, den Wahlplatz frag',
Von Lebenden find'st du nur mich allein.
GUDRUNA.
Das war die Blüthe des Niflungenlands.
NIFLUNG.
Ja. Trauern müssen an des Rheinstroms Ufern
Die Burgen all', wenn heim die Bothschaft kommt.
GUDRUNA.
Und dafür, meinst du, gnüg' ein wenig Blut[159]
Aus halverdorrten Greisesadern? Dafür
Zwei ungeberd'ger Knaben Todesschrei?
NIFLUNG.
Nicht gnügt des ganzen Heunenlandes Tod.
Jedoch, wie stell' ich's an, um mehr zu fällen?
GUDRUNA.
Beim Todtenmahle Atles in der Burg
Zechen die Krieger und die Diener all'.
Die Frechen droh'ten, mich vor ihr Gericht
Um ihres Königs Tod zu ziehn.
NIFLUNG.
Sie rasen.
Vor ihnen ein Niflungenkind sich stell'n?
GUDRUNA.
Drum zieh' ich lieber sie vor mein Gericht.
Rings um die Burg her liegt (ich hieß vorsichtig
Es so bereiten gleich nach unsrer That)
Liegt Holz und Schwefel, und des Zunders mehr,
Der sich zu wilden Gluthen leicht erhitzt.
Deß' häufe viel besonders vor die Thore,
Und zünd es an, so wird ihr Pochen still,
Und viele Knechte senden wir dem Atle
Zu seinem Dienst in Helas Wohnung nach.
NIFLUNG.
In dir ist aller Gräu'l und Schrecken Abgrund.[160]
GUDRUNA.
Ja, ich erschrecke selbst oftmals davor,
Vorzüglich, wenn ich denke, wie ich sonst
Ein Mägdlein war, nachher ein junges Weib,
Von aller Sanftmuth, aller Lieblichkeit
Umspielt, der Menschen Freude die mich sah'n. –
Was schlugen sie mir auch den Sigurd tod?
Seitdem gewann die finstre Rachewelt
Ihr Theil an mir, gestaltend sich in mir,
Zuletzt umschaffend mich zur Unheilsstift'rin.
Nun ist einmal geworden mir solch Amt,
Und die dort in der Burg, sie müssen brennen.
Willst du's nicht thun, so geh' ich selber hin,
Doch rühm' dich dann als Högnes Rächer nicht.
NIFLUNG.
Bist du der unheilskräft'gen Mächte Werkzeug,
Bin ich dein Werkzeug; es gescheh' die That.
Geht ab.
GUDRUNA.
Bewohner öden Bodens,
Bauleeren Haid'gefildes,
Wolf, Eule, und was sonst noch
Wild über Steppen hinzieht,
Rüstet Euch zur Reis' hierher,
Reiche Heimath wird Euch bald
In diesen Hall'n und Häusern;[161]
Ich hab' sie bereitet Euerm Staat.
Der König liegt im kalten
Klein dunkeln Hause blutleer.
Des Landes rüst'ge Recken
Umraucht nun bald die Todesgluth.
Nerven zerschnitten, Leib zerfallen.
Zeit verronnen seiner Kraft –
So wird dies Land auch liegen
Leer von Menschen, freudebaar.
Dann Wolf zur Winters Nacht
Winsl' hier herauf zum Mond,
Eule, stell' auf den Stuhl dich
Stolz dich, wo Atle gesessen,
Um's Eh'bett bau't, Ihr Bären,
Brüllt dumpf aus blut'gem Rachen –
Heult zusammt, Ihr Gäste, heult
Hochlied zu Gudrunens Preis.
Flammen steigen aus der Burg.
Sie blickt um sich.
Und es beginnt, das grause Flammenfest.
Du rothe Gluth, Heißlechzerin, nur selten
Wird dir so reiche Speis' als Heut zu Theil:
Die Atles Burg – schon krümmen ihre Zinnen
Sich wie versenkte Sträucher erdenwärts –
Und drinnen Sachsenvolks und Heunenvolks
Krieg'rische Blüthe – Alles zehrst du auf.[162]
Man spricht von Brynhilds Scheiterhaufen viel, –
Ärmliches Werk vor diesem Scheiterhaufen
Und seinem goldnen Rachelicht. – Brynhildis,
Lern' es von mir, so hält man Todtenfeier.
Und wär' denn der Niflungen Sterbemahl
Von höhern Opfern hell, als Sigurds? – Nein,
Dies Alles ist noch Sigurds Sterbemahl,
Bewußtlos troff's für ihn von Atles Schwerdt,
Bewußtlos auch für ihn von meinem Dolch,
Und seinem Preis glüh'n jene Todeskerzen,
Erst nach vollbrachten Thaten wird mir's Licht,
Denn taubes Werkzeug woll'n die Rachegötter.
Niflung kommt zurück.
GUDRUNA.
Du kommst ja ganz verstörten Angesichts.
NIFLUNG.
Soll man ausseh'n wie nach 'nem Maientanz,
Wie nach 'nem Gang mit Frau'n durch blüh'nde Gärten,
Wenn sich der Blick zwiefach geblendet hat,
An Blut und Gluth in wilder Gräu'lgestaltung?
GUDRUNA.
So sind sie hin?
NIFLUNG.
Ich sah vom nahen Fels
Durch die vielfach gewölbten Bogenfenster.[163]
Erst merkten sie der Flamme Wachsen nicht,
Die Zechenden, und sangen kecken Muths
Von Atles Thaten manch ein preisend Lied,
So daß es fast beweglich war, zu schau'n
In solcher Lust so hülfelose Opfer.
Dann, als der Rauch durch ihre Säle drang,
In dem Geleit hellsprüh'nder Feuerfunken –
Da fuhr'n sie auf, und nach den Thoren hin –
Zu spät. Hell brannten schon die ficht'nen Pforten,
Die Brücken über tiefe Gräben hell,
Und mehr und mehr zusammen brach der Bau.
Am Fenster, angstverzerrten Angesichts,
Schon von der Gluth versengt, drängten sich Viele –
Umsonst. Es bot die schroffe Tiefe nicht
Des Auswegs dar. – In der Verzweiflung drauf
Stellten sie in der Halle mitten sich
In einen furchtbar'n Kreis allsammt vereint,
Und Einer warf sich in des Andern Schwerdt.
So fielen sie, der Angst des Flammentods
Entrissen. Durch die Fenster quoll das Blut,
Gerann vor'm heissen Feuer am Gestein.
GUDRUNA.
Nun ist nur Eins noch übrig; daß die Priest'rin
All' dieser Opfer selbst das Weihemahl
Vollende mit des eignen Todes Gabe.[164]
NIFLUNG.
Versteh' ich dich?
GUDRUNA.
Ja, 's kommt der Reihen nun
An mich. Bis dahin ist der Tanz gelangt.
NIFLUNG.
Du willst nicht mit mir nach der Rhein'schen Heimath?
GUDRUNA.
Was sollt' ich dort?
NIFLUNG.
Geehrtes Leben führen
Als des Niflungenstammes Rächerin.
GUDRUNA.
Meinst du, das wär' ich? Bist im Irrthum, Knab'.
Nicht dem Niflungenstamme floß dies Blut.
NIFLUNG.
Du hast es mir doch also vorgesagt.
GUDRUNA.
Der eigne Geist war noch verdunkelt mir. –
Aus jener Veste Scheiterhaufen-Gluth
Schoß mir's erst wie ein Blitz durch das Gemüth
Das nun, des wilden Rachetreibens baar,
Geöffnet ward für innig'res Erleuchten.
Horch' zu, wenn du die Wahrheit hören willst.
Wir Alle trieben sinnverworr'nes Spiel,
Dein Ohm, dein Vater, und auch ich zugleich.[165]
Wir war'n die Opfer, und wir wußten's nicht.
Nun liegen die, nun ist durch mich geschehn
Was nöthig war, bald folg' ich ihnen nach.
Bist du blödsichtig? Oder sieh'st du nicht
Aus Sigurds Todtenfei'r den blut'gen Strahl
Loswinden sich, in unzerreißbar'n Kreisen
Verblendend und umwindend als den Stamm,
Durch dessen Frevel er, der Held, erlag?
Solch eine That wird nicht so leicht gebüßt.
Die will auch den Schuldlosern, rechtet fort
So lang' ein Kind, ein Weib der Frevler lebt,
Und nur Ausrottung heißt ihr endlich Ziel.
NIFLUNG.
Du irrst. Die That streckt nicht so weit den Arm.
Erlag mein Ohm, mein Vater, willst du selbst
Hinab in's Dunkel unbekannter Welt –
Ich lebe noch, in mir der edle Stamm.
GUDRUNA.
Du bist ein Jüngling ritterlichen Sinns,
Und leid ist's mir um dein trübseelig End.
Doch bald mit dir verlischt das letzte Licht
Aus dem Niflungenhaus am Rheingestad'.
NIFLUNG.
Du sprichst so, und es hat solch Ansehn fast.
Denn tod sind unsres Landes beste Degen,
Die rechten Väter rühmlich grosser That.[166]
Ich zieh' zurück in öde Gauen, drin's
Der Wittwen mehr und Waisen giebt als Männer.
Jedoch vermag ein tapfres Wollen viel,
Und sammelt mehr der Kräfte um sich her,
Als Menschenwitz es sich erdenken mag.
GUDRUNA.
Recht hätt'st du, käm' mein Wort aus Menschenwitz,
So aber tönt es aus viel tieferm Grund.
Des Todes Näh', die Macht der zorn'gen Götter
Die mich beherrscht, vertreibt der Zukunft Nacht.
Gesichte schreiten fernher mir herauf.
Über Haiden weit
Wallt ein Knab' –
Bleich Gesicht, ärmlich Gewand –
Irrlicht Führer,
Feld ihm Bette,
Nachtwolke sein wirthlich Dach.
Wo ist dein Schwerdt? –
Zerschlug's im Krieg
Für die, so nun mir dankleer sind.
Wo ist Helm? –
Ist zerhau'n
Um falscher Liebe Lächeln.
Wo ließ'st du's Gold,
Der Väter Gut? –
Verweht im schöner Worte Wind. –[167]
Wo der Burgen Pracht,
Preis aller Zeit? –
Zertrümmert trauern sie am Rheinstrom.
Armer Knab',
Knechte steh'n
Hoch über deinem edlen Haupt. –
Die Sänger nicht,
Bejammernd nur
Singt die Weissag'rin dein Weh.
Willst Trost, Kind?
Nur trau'rgen
Hab' ich, den hauch' ich dir in's Ohr. –
Gras umweh't
Sah' ich ein Grab,
Ruhe wohnt dort, doch nicht der Ruhm.
Die Haide schweigt
Um den Hügel rings,
Wollige Heerden weiden drauf –
Aber tauche bald
Tief dich hinab –
Dir giebt das Glück nicht bess're Gunst.
Du hörtest dein Geschick, du armer Niflung.
Mit deinem Namen aufstieg dein Geschlecht,
Mit deinem Namen wird es auch verhall'n.
NIFLUNG.
Den Fels hast du gelegt auf meinen Nacken,
Und erdwärts schau'n muß ich hinfürder nun.[168]
GUDRUNA.
Ich that es nicht. Fahr' hin, du dunkler Wandrer.
Niflung geht ab.
GUDRUNA.
Ich will nun an des Opfers letzten Theil.
Der wird vom ganzen Fest der leicht'ste mir.
Nachdem sie eine Klippe am Ufer erstiegen.
Herauf haucht Wassers blau Gewand,
Hold wonn'ges Locken der Wogen mir
Breitet sich aus wie reiches Bett,
Da drunten in dem kühlen Grund.
Da schlummert er, still, kummerlos,
Der Friede, vertrieben hier und fremd.
Bleibt zurück in bösen Tücken,
Bebt vor Euerm eignen Streben,
Ihr denen's gefällt, der Welt nachgeh'n!
Ihr, – nein, fern, fort Eu'r bunter Schein, –
Freut Euch, laßt still Erblassen mir,
Nicht müßt Ihr richten, nicht klagen ich.
Gut' Nacht, Ihr, deren Geist noch wacht,
Gunst heischend noch von weltlicher Kunst,
Fleißig den Kreis der Erd' umfangend!
Mir ward Liebe, mir ward Leiden,
Leer gezecht ist mir der Becher –
Zum kalten Boden kam mein Lauf.[169]
Hei, glüh'nd das Herz und funkensprüh'nd! –
Höher flammt's als die Flammen der Burg dort –
Wohl wird's ihm thun, zu ruh'n im Bad –
Lechzend wie nach Lebenswogen,
Lenk' ich mich in dir zu tränken,
Salzfluth, den Fuß zu lindem Fall.
Was schau' ich denn? Was schaudr' ich denn?
Wie bin ich denn noch nicht hinab? –
Mich bannt hier bitt're That an's Land.
Die hier fielen durch mich, Viel sind es,
Von den Vielen schuldlos Viele –
O Meer, nimmst, hehre Fluth, mich auf?
O Land! läß'st mich vom Strande fort!
Laß' mich los, laß' mich zum Schoosse
Des reinigenden, hellrauschenden Scheins!
Säh'st der Reu', des Gräul's, Entsetzens
Sonst noch mehr von der, die Werkzeug
Einmal ward der schwarzen Mächte.
Und der Boden bebt, fürchtet mehr Bothschaft
Blut'ger Thaten – die milden Fluthen
Schäumen heran, zwar etwas scheu –
Lös' mich lind auf, den bösen Gast,
Lös' mich herschwellend, du Wellenspiel,
Birg mich in blanken Schleir's Umfang.
Stürzt sich in's Meer.
König Dietreich tritt mit vielen Kriegsleuten auf. Bei ihm sein Knecht.
[170]
DIETEREICH.
Das war sie, die sich jetzt vom Felsen schwang,
War dieses Land's einst hohe Königin.
Springt nach, Ihr Schwimmer, in die wilde See,
Und wer ihr solchen edlen Schatz entfischt,
Der heische meines Schatzes besten Theil.
SCHWIMMER am Ufer versammelt, unter einander redend.
Es geht nicht. Nein das traut kein Einz'ger sich.
Hoch gischt und schäumt das erst noch ruh'ge Meer
Als sei ein Feuerguß hineingeschleudert,
Der ihm empört all sein umfassend Reich.
DIETEREICH.
Ihr wagtet sonst Euch schon in wild're Fluth.
Nach! dorthin, wo der rothe Schleier wallt.
EIN SCHWIMMER.
Herr, dies ist nicht nur Sturmgestalt des Meers,
Dies ist des Meeres innrer, tiefer Zorn.
Auswerfen will es was, davor ihm graut,
Und wehe dem, der sich hinein jetzt wagt.
DIETEREICHS KNECHT.
Zudem fleugt die Gestalt, nach der du spähst
In ungezähmter Wogenschnelligkeit
Hinaus zur offnen See – man sieht noch kaum
Wie durch den Schaum der rothe Schleier blitzt –
Noch eine Woge rollt heran – er schwindet.[171]
DIETEREICH.
Zu welcher Unheilsstunde kam ich her!
KNECHT.
Ja, andres trugst du wohl in deinem Sinn,
Als solche Gräuelkunde zu vernehmen.
Denn schmücken hieß'st du hell dein ganzes Heer,
Die Banner fliegen, schall'n Trompet' und Horn –
DIETEREICH.
Ein Herr des wieder mein gewordnen Land's,
Des mir eroberten mit tapfrer Faust,
Dacht' ich zu grüßen König Atles Hof,
So wie es bund'sverwandten Herrschern ziemt,
Zu tilgen auch des alten Wahnes Groll
Mit ritterlichem Thun und edlen Worten.
KNECHT.
Es kommt oftmals, daß man zur Hochzeit geh't,
Und trifft auf einen düstern Leichenzug.
DIETEREICH.
Und es bestätigt sich, was wir gehört?
KNECHT.
Dort oben schau' die blutumstarrten Trümmer
Der Atles Burg, des Königs Grab dabei.
DIETEREICH.
Und all' die herrlichen Niflungen tod?
KNECHT.
Im Sterben manchen Heunen mit sich fassend,[172]
Davon, und von dem bösen Todtenmahl
Das Land ganz baar von guten Recken ist,
Und deinen Schirm erfleh't das bange Volk.
DIETEREICH.
Das fügt sich wunderlich.
KNECHT.
Ja, dacht' ich's kaum,
Als ich die Roß' heraus zog hier zur Flucht,
Und hinterdrein uns noch die Pfeile schwirrten.
Jedoch, mein lieber Herr, das zeug' du mir,
Wie ich in unserm Elend dich alsbald
Vertröstet hab' auf Glückes Wandelgang.
DIETEREICH.
Auf Glückes Wandelgang! Da hast du recht,
Drum eben, weil wir Heute oben steh'n,
Laß uns bedenken, was wohl nah' mag sein,
Und was wir gern im schlimmsten Falle auch
Von andern Recken möchten, um mit Ehren
Vor künft'gen Zeiten rühmlich zu besteh'n,
Und nicht wie Nebeldünste zu verroll'n.
Schaff' mir Werkmeister zu dem Todtenmal
Des Königs, auch zu einem hier am Strand,
Wo sich der Kön'gin tiefverwirrter Muth
In's grimm'ge Wogenbrausen hat gestürzt.
Auch dem Niflungen-Schlachtfeld gleiche Ehr',
Und jenen Trümmern der verbrannten Burg[173]
Vor Allem aber such' mir Solche auf,
Die mit der Runenschrift ernsthaften Zügen
Aufzeichnen künft'gen Menschen diese Mähr'.
Ziehn vorüber.
[174]
Buchempfehlung
»Was mich einigermaßen berechtigt, meine Erlebnisse mitzuteilen, ist der Umstand, daß ich mit vielen interessanten und hervorragenden Zeitgenossen zusammengetroffen und daß meine Anteilnahme an einer Bewegung, die sich allmählich zu historischer Tragweite herausgewachsen hat, mir manchen Einblick in das politische Getriebe unserer Zeit gewährte und daß ich im ganzen also wirklich Mitteilenswertes zu sagen habe.« B.v.S.
530 Seiten, 24.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro