Vorspiel.

[5] Dichter Wald. Eine alte Burg im Hintergrunde.

Gunnar, Högne, Grimhildis treten mit einigem Gefolge und einem Boten auf.


GUNNAR.

Fürwahr, man ging' vielleicht den letzten Weg

Nicht mit so viel Beschwerniß und Mishagen,

Als diesen dorn'gen, klippenvollen hier!

HÖGNE.

Der Bursch führt Einen noch am Ende falsch.

GRIMHILDIS.

Es wird wohl recht sein. Denn Grudunens Muth

War stechend wild, als sie von uns entwich.

So hat sich Gleiches gleiche Bahn erseh'n,

Wie ja der Ruf uns auch verkündete,

Sie haus' in Mitten wald'ger Einsamkeiten.[5]

GUNNAR.

Du wirst nun auch schon alt, vielweise Mutter,

Und glaubst deshalb was dir ein jeder sagt.

GRIMHILDIS.

Meinst du? So hättet ihr mich lassen soll'n.

Einsam mich lassen in dem zaub'rischen

Gemach, drin ich mein seltsam Wesen trieb,

Zum Spiel noch brauchend, was eh'mals die Welt

Erschütterte nach meinem zorn'gen Will'n,

Jetzt die nur beben hieß, die zu mir ein

Den kecken Fußtritt lenkten.

HÖGNE.

Ja, schaurig sah's, unheimlich bei dir aus.

Im Zimmer strich's an Einem kalt vorbei

Als wie mit Fitt'gen einer Fledermaus,

Und wollt' man sich erhohlen, trat an's Fenster,

So rauschte tief herauf der alte Rhein,

Als lüd' er Menschen in sein feuchtes Grab.

GRIMHILDIS.

Seh't ihr? Warum mich holen? Ich war todt.

Warum zurückbeschwören mein Gebein

In diese Welt, draus ich mich selbst verbannt?

GUNNAR.

Du gingst in deine Klause, weil dir schien,

Die neuheraufgewachsne Menschenart[6]

Verehre dich nicht mehr in alter Demuth.

Jetzt aber brauchten wir dein künstlich Thun.

GRIMHILDIS.

Laßt's immer aus dem Spiel, so lange ihr könnt.

Ihr saht wohl eh', mein zaub'risches Beginnen

Braut lust'gen Leuten keinen guten Trank.

GUNNAR.

Es giebt auch keine lust'gen Leute mehr.

Seit ich des Sigurd rothes Herzblut sah,

Brynhildis dann mit ihm in Flammen lodern,

Hab' ich nicht mehr und wohl kein Mensch gelacht.

GRIMHILDIS.

Wie das mit hohlen Spiegelaugen sieht

Und bild't sich ein, es seh' Niemand was anders.

BOTE.

Frisch auf, ihr Herren Kön'ge! Strengt euch an!

HÖGNE.

Du führst uns in der Irre toll rundum.

Ist das ein Königsweg?

BOTE.

Ich weiß es nicht.

Allein ihr seid doch Beide eben drauf,

Und wenn's sonst keiner war, so wird er's nun.

Zudem, wer was begehrt, der streck' die Hand aus,

Wer kommen will, der scheu' die Reise nicht.

Es giebt nichts auf der Welt ohn' etwas Müh'.[7]

Die schwerste habt ihr doch im Rücken. Seh't

Nur ein paar Schritt', so steht ihr vor der Burg,

Drin die kunstreiche, weise Frau sich aufhält,

Die eure Schwester sein soll.

GUNNAR.

In der Burg dort?

BOTE.

Nicht anders.

GRIMHILDIS.

Sagt ich's ja.

GUNNAR.

So hat sie doch

Sich in der That recht düstern Ort erwählt,

Und schwer wird's halten, sie daraus zu ziehn,

Denn (bei mir selber ahn' ich's) wer einmal

Den trüben Geist in trüb einsiedler'sch Leben

So recht hat eingetaucht, verläßt's wohl kaum.

BOTE.

Ihr wollt nicht 'nein zu ihr?

GUNNAR.

Wie meinst du, Högne,

Wenn du allein die alte Burg beträt'st?

HÖGNE.

Was uns der Schwer Huld gewähren soll,

Liegt dir so nah', und näher wohl, als mir.[8]

GUNNAR.

Ja, aber du hast nicht so viele Schuld

An jener That, um die sie von uns wich.

HÖGNE.

Daß ich's nicht hinderte, genügt. Mich dünkt,

Es sei der Himmel mir seit Sigurds Tod

Nicht heller und nicht günstiger als dir,

Nicht minder feindlich roth der Sterne Heerzug,

Und wohl trifft Ein Geschick zuletzt uns zwei.

GUNNAR.

Ruf' du doch lieber in's Gemäu'r hinein;

Von hier aus. So erwarten wir die Antwort.

HÖGNE.

Es mag drum sein.


Er bläst auf seinem Jagdhorn und ruft nachher.


Auf wald'gem Weg

Weither gereist

Ueber See'n, über Sand,

Bei Sonn' und Nacht,

Steh'n hier zwei stattliche

Kön'ge, der Stick'rinn harr'nd,

Die in der bemoos'ten Burg

Beim Rahmen verweilt.

GUDRUNA ungesehn.

Könnt ihr zwei Kön'ge

Königlich wohnen,[9]

Herrlich herrschen,

Was treibt euch von Haus?

Könnt ihr deß' Keins?

Seid ihr nicht Kön'ge.

Stört nicht die Stick'rin,

Stellt euch fernab!

HÖGNE.

Burgbewohn'rin,

Kunstbegabte!

Laß Ruhe, laß Rast

Dem reichen Faden;

Nicht fliege stets fleissig

Die flücht'ge Nadel.

Wirst müd' und matt,

Dein Werkzeug mit.

GUDRUNA ungesehn.

Wir leben, wir leuchten,

Des lieben Geschäfts froh.

Faden funkelt,

Nadel flimmert,

Immer webt Meist'rin und weint,

Winkt alter Zeit –

Und Bild auf Bild

Breitet sein Licht aus.

HÖGNE.

Meist'rin, mach' auf,[10]

Tritt her zu uns Männern.

Hier draussen die zwei

Du kennst sie gut.

Hoch am Rhein hebt

Unser Haus sich,

Drin sprangen wir, spielten,

Spendeten Gaben dir.

GUDRUNA ungesehn.

Weh'! Hemm' dein Wort!

Weh'! Schweig' nur gar!

Beide euch Blut'ge,

Kenn' ich, ihr Brüder!

Mir löscht meine Lust

Am lieben Geweb,

Muß deß' ich gedenken

Das ihr mir gethan!

Nein, still du! Sei stumm

Steure der Rede!

Verwünschung fleugt,

Faßt euch alsbald,

Wenn ihr noch harrt hier,

Mehr Lästrung hauchend.

Ihr schaut nun die Schwester

Nie mehr, ihr Schlimmen!

HÖGNE.

Und senkst du so[11]

Den Sinn von uns,

Muß ich dich mahnen

Mächtigern Worts.

Um des besten Blut's will'n

Aus treu'ster Brust,

Um Recht und Rache,

Raff' dich empor!


Man hört Bewegung in der Burg.


GUNNAR.

Mein Bruder, solch ein Wort war allzukeck.

Sie deutet sonder Zweifel es auf Sigurd.

HÖGNE.

Das ist mein Will' auch. Nur bei Sigurds Mord

Und Rachedienst beschwört man sie herauf

Aus ihren Kammern.

GUNNAR.

Mir sträubt sich das Haar

Bei der Erinn'rung dran.

HÖGNE.

Und mir nicht minder.

Jedoch die Schwester sollte ja heraus.

GUNNAR.

Nur nicht auf diese Weise.

HÖGNE.

Such' dir denn

Hinfürder Abgesandten fein'rer Art.[12]

GUDRUNA hervortretend.

Bei meines Helden Blut beruft ihr mich,

Bei eures Schwähers Blut, das ihr vergoßt,

Ihr freches, schamverläugnendes Gezücht.

Ich muß gehorchen. Wessen Mund ein Wort

Von meinem todten Liebling zu mir sendet,

Bezaubert mich, faßt mir gerad' an's Herz,

An meines Lebens allerbesten Theil.

So sprecht, was ihr verlangt. Und laßt mich dann

Alsbald zurück, ihr blassen Schuldgesichter!

GUNNAR.

Vielliebe Schwester hör' mich freundlich an.

Was nun einmal gescheh'n ist, ist gescheh'n,

Und steht nicht mehr zu ändern.

GUDRUNA.

Ha das ist's!

Denkt ihr, wenn es zu ändern wär', zu wecken

Mein holder Sigurd aus dem Heldengrab –

Denkt ihr, ich weinte müßig am Geweb? –

Doch eben daß so nichts zu ändern steht,

Gar nichts – o fließt nur meine Thränenquellen!

HÖGNE.

Du sagtest, Bruder, erst, ich spräch' nicht gut.

Mich dünkt, auch du verstehst es nicht besonders.

GUNNAR.

Laß' nur; ich komm an's Ziel. – Hör', Schwester mein,[13]

Es steht gar wohl zu ändern, denn ein Held,

Reich, mächtig, rühmlich, wirbt um deine Hand.

So kommst du ab des trüben Wittwenstands.

GUDRUNA.

Denkst du den zweiten Schwager auch zu tödten?

GUNNAR.

Wir wohnten damals all' in einer Burg.

Das taugte nicht, gab Zank und Neid. Doch dieser

Haust fern von uns, ist obendrein so stark

An Völkern, Meeren, Ländern, die ihm dienen,

Daß man sich nicht so leicht an ihm vergreift.

Kurz, Atle ist's, der Kön'ge Mächtigster,

Brynhildis Bruder, – darum schlag' nur ein.

GUDRUNA.

Wo ich so lange blieb, bleib' ich hinfort.

Vergeßt mich, wie ihr es bisher gethan,

Euch an des tapfern Sigurds Gold erfreuend,

Als kecke Räuber, lust'gen Lebens froh.

GUNNAR.

Die Sach' ist, daß der König Atle meint,

Wir hätten Schuld an Brynhilds frühem Tod,

Und uns die Rache nicht erlassen will,

Es sei denn, du gewährst ihm deine Hand.

GUDRUNA.

Ei brüderliche Sorgfalt, schönes Kraut,[14]

Was mischt sich unter deinen Schmeichlerduft?

Fahrt wohl, ihr Herrn; sorgt für euch selbst.

GUNNAR.

Hör' an!

Wir sind ja doch in treuer Wurzel eins,

Des Einen Fall des Andern Weh.

GUDRUNA.

So dacht' ich's,

Bis ihr die liebste Blüthe von mir bracht,

Laßt mich an mein Geweb'.

GUNNAR.

An dein Geweb'!

Ist das ein Treiben, werth der Königstochter,

Zu wohnen in der Waldburg hier allein,

Die Nadel und den Faden in der Hand?

Halt nicht an solchem dunkeln Elend fest.

GUDRUNA.

Ihr wißt es nicht, ihr könnt es nimmer wissen,

Wie lieb mir meine bunten Bilder sind.

Die schmück' ich nach Gefall'n mit Farb' und Gold,

Stell' tief in Dunkel fort was mir misfällt.

Von steten Rosen blüh'n des Helden Wangen,

Von stätem Eichenlaub sein Siegerkranz,

Stets leuchtet unversehrt die Rüstung ihm,

Stets munter springt sein unermüdet Roß.

Und selbst, wenn ich, um mehr des Perlenthau's[15]

Von meinem Aug' zu ärndten Bilder schaffe,

Wo todt der Liebling auf den Decken liegt –

Auch dann vermag der Tod doch nicht so viel,

Mir zu entzieh'n das weisse Heldenbild.

Blaß, aber huldreich liegt er immer vor mir,

Und auch geschloß'nen Auges lächelt er.

Ja, nicht nur ihn allein fei'rt meine Kunst,

Auch den gewalt'gen Lichtkreis seiner Ahnen

Und ihrer Thaten blühend Siegesbeet

Strahlt vom Gewebe meinen Blicken auf –

O geht mit euerm jämmerlichen Leben!

HÖGNE.

Das Alles dient uns zu so viel als nichts,

Denn Atles Grimm bleibt nach wie vor entflammt.

GUDRUNA.

Da helft euch selbst.

GUNNAR.

Er hat des Volks vielmehr.

GUDRUNA.

Was geht das mich an?

HÖGNE.

Komm' nur mit hinaus

Aus diesem finstern Wald. Es ist kein Wunder,

Wenn hier dem Menschen wild zu Sinne wird,

Und trostlos, daß er alle Lust verschmäht.

Doch sieh' dir wieder 'mal die Ebne an,[16]

Und drauf das hochzeitliche Festgeleit,

So uns hierhergefolgt zu deiner Huld'gung.

Da ist kein Helm, der nicht von Golde glänzt,

Kein Leib, den nicht ein prächt'ger Waffenrock

Umstrahlt, und den nicht trägt ein schönes Roß.

Die Dän'schen Kön'ge, Waldar, Jarisleif,

Eimod und Jariskar sind mit dabei,

Vor allen auch des Langbard edle Kinder.

GUDRUNA.

Ihr habt nur meine Bilder nicht geseh'n,

Sonst triebt ihr nicht mit solchem Tand ein Rühmen.

HÖGNE.

Du hast nur unser Lager nicht geseh'n,

Das über allen Ausdruck köstliche.

GUDRUNA.

Nun wenn's denn gar so hübsch und köstlich ist,

So rath' ich, kehrt alsbald dahin zurück.

Und freut euch an den Helmen, Waffenröcken,

Und was es dorten noch schön Blankes giebt,

Anstatt hier in der öden Wildniß Rand

Die Zeit nur zu verlieren, denn fürwahr!

Ich bin nicht lüstern nach der Herrlichkeit,

Die solcher Brüder Hand mir bieten kann.

GUNNAR.

Wir haben dennoch was in unserm Zug

Das dich erfreu'n wird.[17]

GUDRUNA.

Birgt es sich vielleicht

In jenem Kreis von Leuten, draus ein Licht

Blauröthlich aufsteigt, wie aus einem Kessel,

Drin man ein wunderlich Getränke brau't?

GUNNAR.

Du räthst ganz Recht. Die Mutter kam mit her,

Und richtet dort ein Tränklein für dich zu.

GUDRUNA.

Weh'! Ihre Tränklein kenn' ich allzugut!

Die brachten Sigurd sammt der schönen Brynhild

Zum Scheiterhaufen, und in's Elend mich!

GRIMHILDIS vortretend.

Du sprichst von mir?

GUDRUNA sich abwendend.

Laß' nur. Ich fluch' dir nicht.

GRIMHILDIS.

O nun, Gudruna, herzgeliebtes Kind,

Nun wird mir dieser jammervolle Lohn,

Für alle Gunst und Treu', die ich auf dich

Gewendet habe durch so manches Jahr?

Ach wo ich fehlte, fehlt' ich dir zu Lieb'!

Wo ich irrging, – dein Heil und deine Lust,

Mein Wünschen heiß erweckend, meinen Blick[18]

Verblendend durch des holden Zieles Glanz. –

Das trug die Schuld, das nur verlockte mich.

Jedoch ich muß nun leiden, weil ich Thörin

Abgött'sche Liebe trug zu meinem Kind.

Sie jagt mich von sich –

GUDRUNA.

Mutter, wähn' das nicht.

GRIMHILDIS.

Ich wollte sie erfreu'n mit diesem Trank.

Sie ahnt nur Lug und Trug darinnen. – Gut!

Verschüttet ihn nur auf des Waldes Gras.

Dem wohl entduften würz'ge Blümelein

Davon im künft'gen Frühling. Die bedanken

Sich gern bei mir und mahnen auch vielleicht

Mein Töchterlein an die verschmähte Mutter

Auf beß're Weise, als ich's selbst vermag.

GUDRUNA.

Wie wird dir, Mutter? Nimmer sah' ich dich,

Die stolze Kön'gin, die gewalt'ge Zaub'rin

So gar betrübt, und weicher Wehmuth voll.

GRIMHILDIS.

Ich hab' mir aus dem ganzen Menschenvolk

Nie viel gemacht. Nur mein entblühendes

Geschlecht in holden Kindern hatt' ich lieb.

Auf das ergoß sich als ein reicher Thau,[19]

Vereinigt meines Innern beste Kraft,

Die schwäch'rer Leute Sinn weichlich ausströmt

Auf all' und jeden Menschen, den es giebt.

Nun was allein mir theuer war, – es wendet

Sich feindlich ab.

GUNNAR.

Nun feindlich eben nicht.

Wir wohnen doch beisammen in der Burg.

GRIMHILDIS.

Ihr wilden Söhne, kalt und hart und todt

Wie euer Harnisch, – minder schelt' ich euch.

Ich sandt' euch früh in Kampf und Fehden aus,

Entfremdend euch von heimathlicher Lust. –

Doch jene dort, als wie im Blumengarten,

In den Gemächern mir heraufgepflegt

Zu holder Blüthe, jene reißt mir gar

Den Herzgrund durch, wenn sie so hart sich stellt,

Als hätt' ich nimmer, nimmer sie geliebt!

GUDRUNA.

Du sprichst von Zeiten süsser Traulichkeit

Und Unschuld. Wie so wohl darin mir war!

Und die Erinn'rung noch erweicht mein Herz.

Ach ja, du hast mich damals reich begabt

Mit zarten Schätzen, holder Lieb' und Sorgfalt,

So daß dir's nimmer gnügte, treuen Sinn's

Zu pflegen mich im Wachen, nein du fragtest[20]

Mich über meine Träume gütig aus,

Verweiltest gern bei diesen kindischsten,

Spielendsten Mährchen meiner Kindheit, deutend

Aus dem Gewirr des innern Lichtes Blitz.

Weißt du noch das vom Falken? – O ich werde

Zum Kind bei der Erinn'rung wieder.

GRIMHILDIS.

Werd' es

Und traue mir, wie du mir sonst getraut.

GUDRUNA.

Ich zweifle nicht, du meinst es gut mit mir.

Jedoch da schweben dir vor'm innern Aug'

Stets unerhört hochglänzende Gebilde.

Du schaust nach fernen Herrscherstäben um,

Nach Kronen, über See und Wald herblickend –

Und sieh'st davor den nahen Abgrund nicht,

In den du dich und deine Kinder reiß'st.

GRIMHILDIS.

So? Gar kurzsichtig nun? Fürwahr das warf

Bis auf den heut'gen Tag mir Niemand vor.

GUDRUNA.

Befrag' den Ausgang.

GRIMHILDIS.

Herrschen diese nicht,

Die zwei hier mit den goldnen Königsbinden?[21]

Ob sie mir's danken oder nicht, gilt gleich.

Doch rühmlich leuchten sie vor ihren Ahnen.

GUDRUNA.

Und ich?

GRIMHILDIS.

Du selber bann'st dich hier herein.

GUDRUNA.

Nicht ich. Mein Elend und mein ew'ger Gram.

GRIMHILDIS.

Ich hoff', du bist ein Weib von andrer Art,

Als die man täglich an den Scheiterhaufen

Gestorb'ner Männer sieht, bist keine Wittib,

Die. wenn in Staub verfliegt der schöne Mann,

Der ihr sonst lieb war, sich das Haar zerrauft,

Untröstlich, daß nun heut nicht gestern ist,

Und Morgen nicht Vorgestern werden kann,

So daß die ganze, vielgemeine Sippschaft

An dem gemeinen Schmerz sich miterbaut. –

Wer war dein Mann? War es ein Hirt? Ein Bau'r?

Mit dessen Heerdewartung oder Pflug

Sein Leben stillsteht? Oder war's ein Held,

Ein solcher, der Gestirnen Namen giebt,

Und späthin noch den Sängern Stoff zum Lied? –

Nun dann, so ist er dein, dieweil er's war,

Und nie verlierst ihn, und der heil'ge Schmerz

Der dich durchtobt, wird rühmliches Entzücken.[22]

Wie? Hättest lieber ihn gar nicht gekannt,

Als Weh' erlitten um des Helden Tod?

GUDRUNA.

Ihn nicht gekannt zu haben, ihn, in mir

Des Lebens Leben?

GRIMHILDIS.

Ha, so that ich ja

Dir was ein edles Herz nur wünschen mag,

Als zum Gemahl ich ihn für dich gewann. –

O du bist nicht mein Kind, bist mir vertauscht,

Wofern du nicht dem preisumstrahlten Gram

Nachringst mit gleicher Inbrunst und Gewalt

Als Andre dem, was ihnen Wohlsein heißt.

GUDRUNA.

Du trügst dich nicht in meiner Sinnesart.

Doch eben diesen Jammer, meinen Stolz,

Will ich nicht missen. Laß' mich drum allhier.

Nur schlechten Preis dafür böt' Atles Thron.

GRIMHILDIS.

Du dankst mir deinen Ruhm als Sigurds Wittib.

Mir mehr zu danken, folg' auch jetzt mir nach.

GUDRUNA.

Wohin?

GRIMHILDIS.

Das ist mein Sorgen. Fürchtest dich?[23]

GUDRUNA.

Ich? Sigurds Weib mich fürchten?

GRIMHILDIS.

Komm' herab

In unsern Kreis. Leer' diesen Becher aus.

GUDRUNA vortretend.

Ich komme – komm' – ich sollte wohl nicht kommen.

GUNNAR.

Warum denn nicht? – Sieh'! Steh'st nun unter uns,

Und traulich bieten wir die Hände dir.

GUDRUNA.

Sind königliche Hände – purpurroth, –

Vom theur'sten Purpur auf der ganzen Welt.

Als der noch warm und liebewallend war,

In Heldenbrust – o welch ein reicher Schatz!

HÖGNE.

Pfui, pfui! Schon wieder Worte, die nicht taugen.

GRIMHILDIS.

Komm' Tochter, leer' den Becher!

GUDRUNA.

Mutter, Mutter,

Du spielst schon wieder dein gewohntes Spiel.

GRIMHILDIS.

Von Lebensgluthen

Leuchtet der Trank auf,

Drinn hauset Hoheit und Lust.[24]

Des Waldes Bäume

Strecken die Wipfel vor

Sich zu beschau'n in dem goldnen Schaume.


Nur der Tropfen drei und neun

Trinke, schöne Frau,

Und glänzend thun sich dir Gärten auf.

Leerst du den Becher

Bis auf den Boden,

So nenn' ich dir dreimal neunfach Heil.

GUDRUNA.

O weh', du zauberst. Mutter zaub're nicht.

Ich will ohn'hin ja deinen Willen thun.

Die Runensprüche bringen uns kein Glück.

GRIMHILDIS.

Sah'st du schon Fluthen

Zurücke fliessen

Nach einmal begonn'nem starken Stromfall?

Rufe du nicht mehr Halt,

Hemmen kann ich nichts mehr –

Leere den Trank! Liegt Gold drin.

GUDRUNA.

Des Bechers Schäumen reißt mich wie im Schwindel

Zu sich hinan, hinein –


Nachdem sie getrunken.


O nein, verweile![25]

GUNNAR.

Wem rufst du?

GUDRUNA.

Meiner schönen Liebeslust.

Die jagt der schlimme Trank weit von mir ab –

Wirst ja ein Nebel mit, – schwimmst – ach, verschwimmst! –

Hin ist er!

HÖGNE.

Wer denn Schwester?

GUDRUNA.

Sagt man doch

Todt ist nun todt, hin ist nun hin! – Ganz Recht.

Er war nur todt, nun ist er gänzlich hin –

Wer weiß, wann ich mich wieder drauf besinne!

O, aus Erbarmen, sagt, wie hieß er nur?

GRIMHILDIS.

Was hilft's dir, wie er hieß? Dein Bräut'gam heißt

Der König Atle, vieler Herrscher Herr.

GUDRUNA.

Ja, ja. Man sprach davon, er werb' um mich.

Ist es denn wahr?

HÖGNE.

Wir sind deshalben hier;

Und schlägst du ein, so bieten wir die Lande

Winborg und Walbiorg dir als ein Geschenk.[26]

GUDRUNA.

Das wär' recht schön. – Doch wie durch meinen Sinn

Sich Nebel zieh'n, umdüsternd das Vergangne,

Gestaltet sich ihr Roll'n, als weissag' es

Von künft'ger Zeit, und schlimmes, dünkt mich –

HÖGNE.

Fall' in die alten Träume nicht zurück.

Komm': draußen vor des Waldes Gränzen wart

Hochzeitliches Geleit.

GUDRUNA.

Was zögern wir?

Schon dunkelt es, und gräßlich auzuschau'n

Muß Nacht an diesen wüsten Orten sein.

GUNNAR.

Wir wünschen nichts so sehr, als fortzuziehn,

Wenn du nur mit uns geh'n willst,

GUDRUNA.

Ob ich will!

Ich bitt' euch, nehmt mich mit.

GRIMHILDIS zu Gunnar und Högne.

Nun habt ihr sie.

Ob ihr ein Unheil bringendes Gespenst,

Ob eine Braut gewannt – da schaut nun selbst zu.

HÖGNE.

Du ja verhieß'st der Schwester Heil und Glück.[27]

GRIMHILDIS.

Nicht. Preis verhieß ich ihr. Den soll sie haben;

Vielleicht was blut'gen – 's bleibt doch immer Preis.

GUDRUNA.

Sie steh'n die Blöden,

Blicken scheu um sich.

Seh'n einander so seltsam an –

Hei! Hochzeitgeleiter,

Hoch rufen laßt Sänger,

Jubeln laßt Hörner und Lautengetön!


Die Felsen tanzen,

Die Fichten hüpfen,

Brautlied brüllen die Thiere des Walds.

Und ich nun schreite

Gemess'nen Schrittes,

Königsbraut, voran in dem Klang.


Du nach, mein Hofstaat!

Halt' auch das Maaß gut,

Das Maaß zum Reihen, der uns umrauscht.

Wenn Fürsten freien

Feiert ringsum Alles

Den Tag mit würd'gem Gruß und Wunsch.


So recht du Waldbär,

Bist bräut'ger Sänger –[28]

Nun rausch', du Nachthauch mit darein. –

Nun, ihr Steineichen! –

Nun, Eulenstimmen! –

Nun wieder zugleich die Zungen gebraucht!


Wohl schöner Festzug,

Gut anzuschauen –

Nicht so bleich, nicht so blaß, mein Gefolg'! –

Ihr sagt, ich sei auch bleich? –

Ist wohl die Sitt' also

An Atles, des hohen Bräutigams Hof? –


Schreitet langsam fort. Die Andern folgen.
[29]

Quelle:
Friedrich de la Motte Fouqué: Ausgewählte Dramen und Epen. Hildesheim 1996, S. 5-30.
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