Mit raschen Pferden jagt die Zeit

[23] Mit raschen Pferden jagt die Zeit,

Ein heißes Weib, nach Freiheit lechzend;

Die halbbewußte Menge schreit,

Gedankenlos als Vorspann ächzend.

Das tappt und tastet, wie man's lenkt;

Sie läßt den blinden Troß gewähren

Und hält die Zügel straff und denkt:

»Weh mir, wenn das die einz'gen wären!«


Ein Gottweib! Ernst verehr' ich sie,

Und geh' ihr nach mit Schwert und Schilde,

Und jauchz' ihr zu; – doch nun und nie

Entweih' ich sie zum Götzenbilde!

Ich denk' an das zu Dschagernat,

Vor dem das Volk in langer Gasse

Dickstirnig hinkniet, daß vom Rad

Es jubelnd sich zermalmen lasse!


St. Goar, Januar 1843.
[23]

Quelle:
Ferdinand Freiligrath: Werke in sechs Teilen. Band 2, Berlin u.a. [1909], S. 23-24.
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