Scena I.

[12] Salomon, Abt zu S. Gallen, vnd Bischoff zu Costentz.


SALOMON.

Mein Gott vnd Herr ich dancke dir,

Das du dein Gnad erzeigest mir,

In all meim Leben biß in Todt,

Errettet hast auß aller Noht,

Vnd mich begabt mit Gwalt vnnd Macht,

Mit Haab vnd Gut ohn allen Pracht,

Darzu beschert ein hohen Adel,

Von Freyherre Stammen ohn Tadel.

Auch zwölff Abteyen hast beschert,

Deßgleichen nit bald ward gehört.

Hast mir darzu ein Bistumb gebn,[12]

Zu Costentz, vnd ein langes Lebn:

Dann ich erjagt sibentzig Jahr,

Vnd hab außgstanden manche Gfahr.

Ich hab gedienet Früh vnd Spath,

Fünff Königen mit trewen Rath:

Die all fünff Römisch Keyser warn,

Viel Glück vnd Vnglück da erfahrn.

Vor viertzig Jahren, als man zalt,

Achthundert achtzig, junger gstalt,

Dient ich dem König Ludwig gut,

Der was ein Herr mit sanfftem Mut,

Ein Frieden Fürst vnnd frommer Herr,

Von jhm war alle Falschheit ferr.

Sein vnwürdig Caplan ich war,

Nicht viel vber drey viertheil Jahr:

Bald meiner Dienst mich wol ergätzt,

Vnd zu eim Probst gehn Ellwang setzt.

Carlin der feißt auff jhn ist kommn,

Ein Schutz vnd Schirmer aller Frommn,

Hab jhm gedienet zehen Jahr,

So lang er Römscher Keyser war,

Zu Kämpten setzt er mich zum Abt,

Das Kloster er auch wol begabt,

Dann sich der Abt selbiges Ort,

Nit halten thät nach Gottes Wort,

Auff Carlin an das Reich ist kommn,

Vnd hat die Römsch Kron angenommn,

Arnolff der Römisch Keyser wehrt,

Der alle zeit das Reich hat gmehrt.

Als ich jhm dient nach seim Wolgfalln,

Ward ich ein Abt zu Sanct Gallen,

Vnd Bischoff z Costentz auch darzu,

Führt in meim Leben wenig Rhu.

Dann weil der Keyser Arnolff lebt,

Hat mir viel Vnglücks widerstrebt.

Auch bey Regierung seines Son,

König Ludwigs, dem ich auch hon,

Trewlich gedient bey zehen Jahrn,[13]

Hab manche Gfahr vnd Leyds erfahrn,

Sonderlich mit zweyen großn Herrn,

Hertzog Bechtold, vnd Erchingern,

Beyd Hertzogen der Schwabenland,

Vnd Alemannen wol bekannt.

Wan ich euch thete kein verdruß,

Wölt ichs vom Anfang biß zum Bschluß

Erzehlen, wie mirs ergangn wer,

Ihr solten hören Wunder mehr,

Wil mich gleich also setzen her.

Es seind jetzt sechs vnd zwentzig Jahr,

Das sichs zutragn, sags euch für war,

Das Keyser Arnolff vbergab,

Dem Bistumb Costentz grosse Hab,

Gehn Bodman ghörig dem Land Schwabn,

Warn Keyserlicher Kammer gaabn,

Dasselb die Fürsten sehr verdruß,

Vnd kamen beyd in ein bündnuß,

Mich in meim Kloster zu S. Galln,

Mit Heerskrafft heimlich vber z falln,

Auff das ich gewarnter Sach hin tüch,

Vnd in ein finster Wildnuß schlich,

Bericht den Keyser dieser Sachn,

Der kund sie albeyd hurtig machn.

Er bschickt sie beyd gehn Mentz an Rhein,

Da solt jhr keinr außblieben sein.

Vnd als sie wurden hoch beklagt,

Ihr keiner gnugsam Antwort sagt,

Führt mans gen Ingelhaim hingfangn,

Da war ein solchr Sententz ergangn,

Daß, wo der Ertzbischoff der Statt,

Vnd ich zugleich, für jhr Mißthat,

Nit betten hetten, wern sie beyd,

Vmbs Leben kommen, nit ohn Leyd.

Doch musten sie ein Vrfed gebn,

So lieb jhn wer jhr Leib vnd Lebn,

Mich in meim Bistumb bleiben lahn,

Vnd aller Vnruh müßig gahn.[14]

Als nu der Fried schier zwentzig Jahr,

Gewehret hett ohn all Gefahr,

Begab es sich zu folgendn zeitn,

Daß Keyser Conrad dann ward reittn,

Von Costentz zu Sanct Gallen her,

Vnd deß ich mich verwundert sehr,

Begert ein Kloster Brudr zu sein,

Ward auch hiemit geschrieben eyn.

Nun schickt sichs eben, daß auch her

Kamen, Bechtold vnd Erchinger,

Die zween Brüder, vnd Hertzog Frech,

Mit denen schimpfft ich in einr Zech,

Als mit mein Gestn vnd Haußwirten,

Ließ mit mein Jägern zwen Vichhirten,

Den frembden Herrn Gewild zutragn,

Da warend sie ein Beeren jagn,

Vnd als sie hetten den gefangn,

Kamen sie beyd mit her gegangn,

Zween starcker Männer wolgestalt,

Die hieß ich mit dem Beeren bald,

Gehn für der beyder Fürsten Tisch,

In meinem Namen liefern frisch.

Verhofft sie beyd damit zverehrn,

Vnd soltens mir zum besten kehrn.

Die Fürsten zogen dhütlin ab,

Vermeinten, es wern Edel Knab,

Vnd als sie da vernommen hetten,

Es wern Hirten für sie tretten,

Da schicktens mir den Bären widr

Vnd hielten mich nit gar für Bidr,

Erzürnten sehr vnd thäten wildt,

Biß sie zu letzt der Keyser stildt.

Glaubt mir als einem alten Man,

Es kan nit jeder Schimpff verstahn,

Vnd sonderlich für deinem Feind,

Wann der ist worden dein gut Freund,

So hüt dich wol vnd sieh dich für,

Vertraw jhm nit z viel, rath ich dir.[15]

Als nun der Keyser etlich Tag,

Bey mir hie zu Sanct Gallen lag,

Begabt ers Kloster mit einr Gab,

Warff Stamheim vnder meinen Stab,

Vnd zog daruon der Keyser from,

Gott wöl, daß er bald wider kom.

Nun bald darnach, als ich eynnam,

Den Flecken Stamheim, vnd dar kam,

Da widerstrebten mir die Knecht,

Auff dem Schloß Stamheim, wider Recht,

Vnd da ich solchs jhren Herrn klagt,

Bechtold vnd Erchingern vertagt,

Wurd ich von jhn beydn verspottet,

Vnd mir mein Vogt da außgrottet.

Nit lang hernach begab es sich,

Das sie vngefähr antraffen mich,

Auff einem Feld vnd ebner Bahn,

Da redt ich sie gantz freundtlich an,

Erinnert sie, was vor geschehn,

Vnd wie sie mein Freundschafft gesehn.

Als ich mich dieser Vnbil klagt,

Leutfrid der junge Vetter sagt,

Du loser Mönch, wolst dich viel rühmen,

Vnd deins gewalts nit viel mehr schämen,

So du an meine Vettern legst,

Vnd sie auff deiner Zungen tregst.

Zuckt drauff sein schwert, vnd auff mich her,

Als wer er ein ergrimter Beer,

Meinr Diener einr blieb auff dem Platz,

Ich ward gefangen in dem Hatz,

Vnd auff eim dürren Bawren Roß,

Gehn Diebolsburg geführt auffs Schloß,

Für etlich Hirten ritt ich hin,

Die neigten sich auß gutem Sin,

Bald wurdn jhn jhr Füß abghawen,

Habs selbs mit mein Augen gschawen.

Also lag ich im Schloß gfangen,

Nu wölt jhr hörn, wies weiter gangen,[16]

So wil ich kurtz erzehlen hie,

Ihr habts vielleicht gehöret nie.

Als ich auff Dieboltsburg lag hart,

Bertha, Erchingers Haußfraw zart,

That mir viel guts, war vnuerdrossn,

Sie hats hernachr wol genossen.

Die Fürstn aber beyde sammen,

Ihr flucht auff hohen Dwiel hinnammn,

Speißten das Schloß mit Notturfft gnug,

Versahens auch mit gutem fug,

Kein Müh vnd Arbeit thetens sparn,

Am dritten Tag, als solchs erfahrn,

Meins Vaters Bruders Son mit Nam,

Seyfrid von Ramschwag, bald er kam,

Mit grossem volck, vnd starcker macht,

Außspäht die Thäter in einer nacht,

Vnd vberfiel sie in dem Schlaff,

Führt sie gefangen wie die Schaff.

Ich bald meinr gfengnuß ledig war,

Vnd kam auß aller Angst vnd Gfahr.

Das Schloß Dwiel sich auch bald ergab,

Vnder mein Schirm vnd Bischoffs Stab.

Dahin ließ ich die Fürsten drey,

Verwahren in einr starcken Pastey.

Doch ward der frommen Fürstin gschont,

Die mich in Ehren nit verhont.

Es gschach diß gwaltig Niderlag,

Gleich eben an S. Pelagi Tag.

Burckhard der Schwaben Hertzog ward,

Dem lag ich an zwey Jahr sehr hard,

Das die drey Fürsten ledig würden,

Vnd kämen ab der Gfengnus bürden.

Ich aber nichts erhalten mocht,

Darzu Burckhard auch nichts erfocht.

Der Keyser ließ jhns Recht ergohn,

Ein Vrtheil streng vnd vngewohn,

Ließ sie enthaupten alle drey,

Berchtold, Erchingern vnd Leutfrey.[17]

Zu Aldingen fürwar ich sag,

Eben auff Sanct Angneßen Tag.

GOTT weiß wie vbel sie mich dauren,

Mich dünckt ich kön sie nit vertrawren.

Mein Gwissen kan nit rüwig sein,

So offt ich denck der Herren fein.

Ach GOTT hab Du jhr liebe Seel,

Das sie nit komn in todes Quel.

Der trawrig Fall geht mir zu hertzen,

Kom also her, nit ohne schmertzen,

Ob ich des Leids vergessen kund,

Ach das ich stürb, wer mirs so gsund.

Sieh dort kömpt her Fraw Wendelgart,

Die keusche Wittib from vnd zart,

Ein Hertzogin auß Sachssen gut,

Auß Fürstlichem Adel vnd Blut.

Sie ist ein Fraw wie Bertha war,

Die mir gedient in meiner Gfahr.

Ich weiß sie wirt jhrn Herrn klagen,

Den sie verloren vor Jar vnd tagen.


Quelle:
Nicodemus Frischlin: Fraw Wendelgard. Stuttgart 1908, S. 12-18.
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