Dritter Akt


[203] Zimmer im Pallast.

Die Königin allein.


KÖNIGIN.

O jammervolles Loos, das mir beschieden!

Grausamer Schritt! vom Thron zur Niedrigkeit!

Wir steigen leicht empor zur Götter Nähe,

Doch tief gebeuget, sinken wir zum Staub.


Nikator kommt.


NIKATOR.

Ich komme, Königin; wie Du befohlen.

Doch Du bist bleich, und Deine Lippe bebt?

KÖNIGIN.

Du kommst, o Freund! zu meiner Abschiedsstunde,

Was ich besitze, trennt sich jetzt von mir.

Ich bin von meinem Könige verstoßen,

Von seinem Herzen, und von seinem Thron;

Verbannet hat er mich in ferne Städte,

Denn nimmermehr will mich sein Auge sehn.

NIKATOR.

Ist's möglich? Nein! mein Geist kann es nicht fassen,

Denn zu abscheulich schwarz wär' diese That.[204]

KÖNIGIN.

O fasse Dich! denn auch Du wirst vernehmen,

Was Dir zerreißen wird Dein liebend Herz.

Sie, die Du liebest, wird zum Thron' geschleppet,

Zum Throne, den ich fallend räumen muß.

Sieh' mich nicht an mit diesem wilden Blicke!

Dein Unglück, wie das meine, ist gewiß.

Adonia wird Deinem Herrn vermählet,

Um ihres Busens Stimme nicht befragt;

Sein unerbittlich Herz hat es beschlossen,

Er will es, und sie muß das Opfer seyn.

NIKATOR.

O nimmermehr! so lang' Nikator lebet,

Nennt er Adonien die Seine nicht.

KÖNIGIN.

Versuch' es, sie, und Dich, und mich zu retten.

Es wird ein Gott Dir seine Kraft verleihn.

NIKATOR.

Ich zage nicht, der Ausgang ist entschieden,

Ich sterbe, oder ich errette sie.


Beide ab.

[205] Ein anderes Zimmer im Pallast.

Der König und Esla.


KÖNIG.

Sag' mir nichts mehr, er hat den Tod verdienet;

Verhöhnet hat er meine Majestät.

Ich mußt' erröthend vor dem Stolzen stehen

Und ungewiß, unsicher, schülerhaft.

Doch dies beiseit', denn es ist kein Verbrechen,

Das ich zum Richterstuhle ziehen darf;

Doch wie ich weiß, vertraut er meinem Heere,

Deß Gunst ihm Glück und Zufall zugewandt;

D'rum glaubt' er des Gehorsams sich entlassen,

Und thuet stets, was ihm, nicht mir, gefällt.

ESLA.

Noch seh' ich unter diesen keine Klage,

Die ihn des Hochverrathes schuldig macht.

KÖNIG.

Ein Brief Nikators fiel in meine Hände,

Und dieser ist's, der ihn vor mir verdammt.

An meinen Bruder ist der Brief gerichtet,

Er fodert dessen Tochter sich zum Weib;

Er will dafür ihm treu und immer dienen,

Die Wunden heilen, die er selbst ihm schlug.

Weißt Du genug, um schuldig ihn zu finden?

Ruf' ihn zu mir; der Schande glühend Roth[206]

Und des Verbrechers Blässe, will ich sehn,

Wie sie die Heldenstirn ihm überziehn.


Esla ab.


So werd' ich einmal ihn beschämet sehen,

Erniedrigt muß er einmal vor mir stehn.


Totila kommt.


Verdopple schnell, Totila, Deine Wachen

Und halte Dich auf meinen Wink bereit,

Den ich bezeichnen werde, wegzuführen.

TOTILA.

Wie Du gebietest, Herr! so soll's geschehn.


Ab.


KÖNIG.

Nun wohl, das Netz ist klüglich ausgestellet,

Wenn ihn ein Gott nicht rettet, fällt er heut.


Nikator kommt.


NIKATOR.

Mein königlicher Herr, ich eile zu vernehmen –

KÖNIG.

Nikator! wahrlich ich bin tief beschämt,

Denn wie soll ich die Treue Dir belohnen,

Die reicher als mein eigner Reichthum ist?

NIKATOR.

Mein König, mich befremdet Deine Rede,

Denn Dir ist wohl bekannt, daß ich gethan

Was gut mir schien, nicht was Dir oft so däuchte,

Und daß ich eigner Einsicht stets gefolgt.[207]

KÖNIG.

Ich bin zufrieden, bist Du's mit Dir selber;

Denn mehr, als selbst Dir gnügen, kannst Du nicht.

NIKATOR.

Ich that, mein König! was mir nöthig däuchte,

Und hielt mit meinem eignen Herzen Rath.

KÖNIG.

Es neidet mich die Welt um Deine Treue,

D'rum klagt sie Dich des Hochverrathes an;

Doch werd' ich nie von Dir das Schlimme glauben,

Da Du Dir eben bess'res Zeugniß gabst.

Sieh! solche Briefe mußt' ich von Dir lesen;

Doch sie sind falsch, ich schwör's bei jedem Gott'.


Giebt ihm Papiere.


NIKATOR.

Der Brief ist wahr, ich selbst hab' ihn geschrieben.

KÖNIG.

O schändlicher, abscheulicher Verrath!

NIKATOR.

Ich habe recht gethan mit diesem Briefe.

KÖNIG.

Verrath und Tücke also nennst Du recht?

NIKATOR.

Was steht denn Ungeheuers in dem Briefe?

Verrath' ich Dich an irgend einen Feind?[208]

Nichts that ich Dir, was meine Ehre schändet,

Ich stehe Rede Dir für jedes Wort.

KÖNIG.

Und um Adonien wagst Du zu werben,

Und kennest meinen festen Willen doch?

NIKATOR.

Nach diesem Schritte hat nur sie zu fragen,

Und Rechenschaft gebührt nur ihr allein.

KÖNIG.

Du wirst Dich nicht vor ihr rechtfert'gen können,

Denn sie ist mein, Du aber gehst zum Tod';

Zum Throne sie, und Du zum Blutgerüste,

In dieser Stunde noch wird es geschehn.

NIKATOR.

Und unbewiesen schickst Du mich zum Tode?

Und fürchtest Deines Heeres Murren nicht?

KÖNIG.

Das Heer vernimmt die That, wann sie geschehen;

Und in's Gescheh'ne füget sich der Mensch.

NIKATOR.

Adonia! ich sollte Dich verlieren?

Und keine Rettung wäre mehr für Dich?

KÖNIG.

Es öffnen schon sich Deines Kerkers Thüren,

Und schweigend warten Deine Schergen dort;[209]

Du steigst hinab, es schließen sich die Pforten,

Und öffnen nur sich Deinem Leichenzug.

D'rum sei gefaßt, vergiß der eiteln Sorgen;

Und denke, was Dir selbst noch nützen mag.

Kann einen Deiner Wünsche ich erfüllen?

So sag' es jetzt, denn bald ist es zu spät.

Bedenke, wie Du leichter sterben mögest,

Denn nach mir sprichst Du keinen Menschen mehr.

NIKATOR.

Ich wünsche nichts, ich habe keine Bitte,

Doch einer Frage Antwort gieb mir noch:

Willst Du mich nur mit falschem Schrecken täuschen?

Und sinnst Du doch im Herzen andre That?

KÖNIG.

Sie geht zum Thron', und Du zum Blutgerüste,

Ich schwöre Dir, es wird also geschehn.

NIKATOR.

Wohlan! so geh' voraus denn zu den Schatten.


Er sticht den König nieder.


KÖNIG.

Totila! Wache! kommt! ich bin ermordet!


Er stirbt.

Totila stürzt mit der Wache herein.


TOTILA.

Was ist geschehn? mein Feldherr! Du der Mörder?


Die Soldaten umringen den Nikator.
[210]

NIKATOR.

Totila, Du mein edler Kriegsgefährte!

Und ihr, Soldaten! fodert ihr mein Haupt

Für diese That? Ich bin bereit zu sterben,

Denn was ich wollte, hab' ich nun erreicht.

TOTILA.

Weißt Du zu Deiner Rettung nichts zu sagen?

NIKATOR.

Ich wollte nicht durch Mord dem Tod' entgehn,

Ein größ'res Unheil mußt' ich von mir wenden,

Das dieser Todte frevelnd auf mich lud.

TOTILA.

Er lebe! bis wir ihn vernommen haben.

DIE SOLDATEN.

Er lebe! wenn er sich rechtfert'gen kann.


Der Vorhang fällt.


Quelle:
Karoline von Günderrode: Gesammelte Werke. Band 1–3, Band 2, Berlin-Wilmersdorf 1920–1922, S. 203-211.
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