Erster Akt


[89] Zimmer im Pallast zu Delhi.

Mangu und Sino.


MANGU.

Hast du gethan wie ich geboten habe?

Ist alles vorbereitet zu dem Fest?

SINO.

Es ist geschehn; es grüßt der neue Morgen

Den glänzendsten, den freudevollsten Tag.

Das reiche Meer gab seine reichen Schätze,

Sie schimmern, schön geordnet, im Pallast;

Und der Demant, der in des Berges Tiefen

Der Klüfte Kind, das braune Haar der Nacht

Mit Lichtes Funken schmückt, er ist entrissen

Der dunkeln Erde, und umreiht die Brust,

Das seidne Haar der schönen Sultaninnen;

Und alles was die blüthenreiche Zeit

An alle Zonen spendet ist vereint.

In unsern Gärten, in der Büsche Nacht

Haucht ihr Gewürz die zarte Ambrastaude,

Und Balsam mischt sich mit der Rose Duft

Und wechselt ihren Odem mit der Luft.[89]

MANGU.

Und ist von Tönen auch die Luft durchzogen?

Und kühlen Bäche auch den heißen Tag?

SINO.

Der Mittag kühlet seine heißen Wangen

In dunkler Grotten frischem Felsenquell,

Und junge Vögel singen durch die Lüfte

Und wiegen sich auf zarter Blumen Zweig, –

So wohl bereitet sind wir zu dem Feste,

Das oft beginnen sollte, nie begann.

Schon dreimal war der Morgen angebrochen,

An dem Nerissa unserm Herrn vermählt

Und Sultaninn sich zugesellen sollte

Den schönen Frauen, die der Herr der Welt

Die Glücklichen! beglückt mit seiner Liebe;

Und immer, wenn der schöne Tag nun da,

Der sie ihm geben sollte die er liebet

Sprach finster er: »Heut darf es nicht geschehn,

Es geb ein andrer Tag mir die Geliebte,

Ungünstge Zeichen drohen meinem Glück.«

Nun sag mir, Mangu, was soll das bedeuten?

Er liebt sie, und es kommt ihm stets zu früh

Ein jeder Tag der sie ihm geben sollte;

Fürwahr ein solches Thun begreif ich nicht.

MANGU.

Sprich nicht davon. Er liebt was er nicht sollte,

Dem Jünger Muhameds geziemt es nicht[90]

Die Blutsverwandte, seine eigne Schwester

Sich zu vermählen, wider Pflicht und Recht,

Und daß er zögert ist des Busens Stimme

Die tadelnd ihn vor dem Verbrechen warnt.

Doch still davon, wir sollen nur gehorchen,

Und unsre Meinung kommt hier viel zu spät.


Derwisch kommt.


DERWISCH.

Ists wahr, Vezir, was ich vernommen habe?

Vermählt der Sultan seiner Schwester sich?

MANGU.

Wo weilst du Freund? in welches Berges Klüsten,

In welcher fernen Abgeschiedenheit?

Daß du erst heute dies Gerücht vernommen.

Es wird Nerissa in das Haus geführt,

In dem die königlichen Freuen wohnen,

Des Sultans Schwester wird des Sultans Weib.

DERWISCH.

O Schande! du entwöhnest dich der Röthe,

Da du dich frech hinauf zum Throne drängst,

Und deine Stirne deckest mit der Krone.

Nein, solche That ist wider Gott und Recht

Und unerhört in Ismaels Geschlecht.

SINO.

So darf das Seltne nimmer dann geschehen?

Und ist nur recht, was immerdar geschah?

Die Zeiten wechseln doch; in steten Kreißen[91]

Treibt wiederhohlend sich der Menschen Thun.

Was du Verbrechen schiltst, sieh! das erlaubet

Dem Hindu Brama's heiliges Gesetz.

DERWISCH.

Wohl weiß ich, daß dem irren Volk der Hindu

Des Korans reine Lehre nicht gefällt.

Du selbst, denn es verräth dich deine Rede

Hängst an der Väter alter Thorheit noch;

Drum freuts dich, daß der Herrscher der Mongolen,

Gebohren zu beschützen das Gesetz

Es nun vertauschet gegen eure Sitte,

Und eure Sünde so zum Recht erhebt.

SINO.

Hör Priester! Lang eh der Mongolen Name

Der Welt genannt; als sie ein Hirtenvolk

Durch Asiens Steppen ohne Heimath irrten

War dieses Land ein ruhmbegränzter Staat;

Und große Fürsten haben es beherrschet,

Und viele edle Thaten sind geschehn,

Eh' man an euch und eure Weisheit dachte,

Eh' euer Muhamed den Koran schrieb.

MANGU.

Der Sultan hat die Priesterschaft befraget:

Ob es ihm wohl gezieme, sich zum Weib

Zu nehmen seine angeborne Schwester?

Und sie erwiederten: ihm sey vergönnt

Was ihm das eigne Herz erlauben möge.

Und diese Antwort nahm man für ein Ja.[92]

DERWISCH.

So mag es heißen, wenn Begierde deutet

Und Schmeichelei sich ihrem Ausspruch fügt.

Doch meine Stimme soll der Sultan hören,

Die Wahrheit dringe an des Herrschers Ohr.

SINO.

O blinder Thor! Das Schicksal hat entschieden,

Und werfen willst du dich in seinen Weg?

Beim Himmel! Allah hat es zugelassen,

Allein sein Priester widersetzt sich noch.

Ganz anders ist bei uns der Priester Handeln:

Sie leben in der Abgeschiedenheit.

Entfernt vom irdischen Geräusch und Treiben

Stört nichts die heilige Betrachtung da,

Hartherz'gen Eifer kennt nicht ihre Seele,

Sie mischen sich nicht in der Menschen Thun,

Der Friede Gottes ist in ihrem Busen

Und ihnen spricht die heilige Natur

Durch ihre Kinder, die noch nicht entweihet

Durch frecher Willkür irres Streben sind.

Der heiligen Thiere Sprache, und der Pflanzen

Noch unentwickelt zart und still Gemüth

Zu deuten und ihr Leben zu verstehen,

Das ist für sie ein würdiger Beruf.

MANGU.

Mein Sino! Du verlierst in müß'ge Fablen

Und deines Landes Kinderträume dich.[93]

DERWISCH.

Schon viele Jahre herrschen die Mongolen

In Hindostan, und waren stets bemüht

Zu Männern dieses weiche Volk zu bilden,

Allein unmünd'ge Kinder bleiben sie.


Der Sultan kommt. Alle werfen sich nieder.


SULTAN.

Steh auf Vezier, was hast du mir zu sagen?

MANGU.

Herr, es ist der Verräther nun bestraft,

Bahadars Haupt fiel unter Henkers Händen,

Doch seine Kinder sind dem Tod entflohn.

SULTAN.

Fürwahr er hat den besten Tausch getroffen,

Denn Freiheit endigt ihm die lange Haft.

MANGU.

Soll man den Sohn auch noch verfolgen lassen?

Zwar ist er fast sechs Monde schon entflohn.

SULTAN.

Trägt er in sich des Vaters feste Seele

Und seinen Haß für der Mongolen Reich,

So wär uns nützlich wohl des Jünglings Sterben.

Doch laß ihn, denn wir hätten viel zu thun,

Wenn wir nach den Insekten jagen wollten,

Die nur uns ritzen, doch verwunden nicht. –

Nun Sino! Derwisch! wolltet ihr was sagen?[94]

SINO.

Mein König! Soll beginnen jetzt das Fest?

SULTAN.

Nein! Nein! Noch nicht, mir pocht das Herz im Busen

Und Unglücks-Ahndungen umgeben mich. – –

Nun Derwisch, willst du was von mir, so rede.

DERWISCH.

Mein König! Sorge treibet mich zu dir;

Die Sorge für das Wohl von deiner Seele

Die du gefährdet hast durch diese Wahl

Der Schwester, die dir der Gebrauch verbietet;

Verführung droht uns von der Hindu Volk,

Es hasset unsers Lebens ernste Strenge

Und sucht uns von der Tugend Sieges-Bahn

Zu seiner trägen Ueppigkeit zu locken.

Drum thut uns Strenge noth und fester Sinn.

Ein großes Beispiel muß der Herrscher geben

Wie man das heilige Gebot verehrt.

MANGU.

Es hat die Sonne Hindostan besieget,

Verzehret hat sie seiner Röhren Mark:

Drum, sank es hin der Entnervung Arme;

Drum unterlag es der Mongolen Schwerd.

Ein gleiches Schicksal droht dem stolzen Sieger.

Ein wiegt Begierde ihn in ihrem Arm,

Und Weichlichkeit lullt ihn in tiefen Schlummer,

Die alte Ueberwinderinn der Welt. Der[95]

Völker Augen sind auf dich gerichtet.

Die Hindu wünschen ihren Sitten Sieg,

Sie weinen daß der Herrscher sich bequemen

Dem Joche werde, das sie selber drückt,

Und die Mongolen hoffen, daß der Enkel

Von Timurlenk, der Sohn der Herrn der Welt

Den Thron Muhameds nimmer schänden werde

Durch ein Verbrechen, Fremden abgelernt.

SULTAN.

Genug davon. Ich habe euch vernommen

Entfernet euch. Sino! Bleibe du bei mir.


Mangu und Derwisch ab.


Warum o Schicksal, muß ich diese lieben?

Die Einzige die du mir hast versagt.

Die Erde schmückt verschwenderisch sich mit Blumen,

Und beut mir reichlich ihre Schätze dar,

Umsonst verarmt das Glück, mich zu beglücken

Da ich an Einem Wunsch verzagen muß.

Viel schöne Frauen sind in meinem Hause,

Doch keine rührt, und keine freut mein Herz.

Denn alles Schöne was mein Auge schauet

Erweckt die Sehnsucht nur nach ihrem Reiz;

Und ist sie nah, und könnt ich sie umfassen,

So hält ein tiefer Schauer mich zurück,

Ein leises Beben läuft mir durch die Glieder,

Als stünd ein Todes-Engel neben ihr;

Die Arme sinken, meine Lippen zittern

Und tief verworren ist mein innrer Sinn.[96]

SINO.

Dich schrecket der Gebrauch, der Menge Tadel,

Das Vorurtheil der Schüler Muhameds.

SULTAN.

Ich hatte sie fünf Jahre nicht gesehen

Und wie erstaunt ich, als nach dieser Zeit

Der Aga sie in meine Arme führte,

Verändert war sie, doch ein lieber Zug

Erinnerte mich an der Kindheit Tage

An der Verwandschaft inniges Verstehn.

Ich gab mich hin dem seligen Gefühle,

Doch sie bewahrte sich mit banger Scheu.

Mein Lieben wollte ihre Furcht besiegen,

Doch meine Liebe überwand mich selbst.

Was soll ich nun? Ich kann ihr nicht entsagen,

Und sie besitzen? Ach! ich wag es nicht.

Mein Busen gleicht dem ungestümen Meere,

Ob Reue mich, ob Sehnsucht mich verzehre,

Ob ich sie fliehe, oder mir vermähle,

Verderben bringt mir was ich auch erwähle.


Garten des Pallastes.

Nerissa und Elpa.


NERISSA.

Sieh! Elpa, Dämmerung sinkt schon hernieder,

Ja sie umfängt den heißen, müden Tag,

Jetzt wird mir wohl erst, ähnlich jenen Blumen[97]

Die trauren bei des langen Mittags Gluth,

Und sinkt die Nacht, sich inniglich erfreuen,

Und ihr liebkosen mit dem süßen Duft.

So ist es mir; ich traure, steht die Sonne

Am Mittag hoch mit ihrem Strahlenaug.

ELPA.

So darfst du dich, o Holde! nie erfreuen?

Denn deines Glückes Sonne steht ja hoch.

NERISSA.

O Elpa! Säh'st du meiner Seele Beben,

Wie der Betrug mich schmerzlich niederdrückt.

Dürft ich zu meines Königs Füßen sinken,

Ihm sagen: Daß ich nicht Nerissa sey,

Nicht seine Schwester, daß ich eine Fremde

An der entflohnen Schwester Stelle sey.

Warum ließ ich zur Lüge mich bereden?

Ach! diese Rolle wird mir allzuschwer. –

ELPA.

Wohlan! Bekenn ihm, daß des Sultans Tochter,

Daß seine Schwester schimpflich sey entflohn

Und einem Sklaven, daß sie so verrathen

Und so geschändet habe ihr Geschlecht

Und ihre Abkunft; daß wir es verborgen,

Daß wir an ihre Stelle dich gesetzt,

Weil du ihr ähnlich warst vor allen Frauen.

Bekenn es ihm, zwar kostets mir das Haupt,

Und auch dem Aga, weil wir für die Tochter[98]

Der Könige mit unserm Leben stehn.

Jedoch du willst's, so stürz uns in's Verderben:

Zwei Leben sind dir keine Lüge werth.

NERISSA.

Dein und des Aga Leben könnt' ich retten,

Und doch die Wahrheit unserm Herrn gestehn.

Das fürcht' ich nicht, ich fürchte seine Liebe

Die jauchzen würde über diesen Tausch;

Vermählen würd' er sich mir diese Stunde

Wüßt' er es nur, ich sey Nerissa nicht.

ELPA.

Wie? Hör ich recht? Du fürchtest seine Liebe

Und die Vermählung die der Sultan hofft?

So wenig wüßtest du des Glückes Gunst zu fassen,

Das dich dem Könige der Welt bestimmt?

NERISSA.

Ich weiß nicht wie, doch seh ich ihm in's Auge,

So überfällt mich eine tiefe Furcht,

Als wollte mich vor ihm die Seele warnen.

Und doch in seinem Antlitz liegt es nicht

Was mich erschreckt; sein Lächeln ist so milde,

Ja seiner Liebe Worte sind mir süß;

Und doch, ich kann und werd ihn nimmer lieben

Weil meine Seele mich ihn fliehen heißt.

ELPA.

Es hat der Pfau wohl hundert Strahlen-Augen

Womit er des Gefieders Schönheit schaut,[99]

Und du Nerissa solltest keines haben

Zu sehen deines Glückes Herrlichkeit?

Ich glaub es nicht; du nährst wohl andre Wünsche,

Wie könntest du sonst eitlem Zagen traun?

NERISSA.

Du irrest, doch mit stillem trüben Sehnen

Denk ich der frohen, freien Jugend-Zeit,

Als ich mit meinem guten Vater wallte

Durch Hindostan, vermummt und unbekannt.

Bald folgten wir des Ganges Silberfluthen

Von Tibets Bergen bis herab zum Meer,

Dann traten wir in Asiens prächtge Städte,

Die vor uns lagen in des Abends Glanz.

Die Flüchtlinge durchwandelten die Gassen,

Musik und Tanz und Lust war überall;

So bunt und froh beweglich war mein Leben,

Ein rascher Strohm, der sich aus Wolken gießt

Und jetzt! gedenk ich jener schönen Stunden

Schwebt die Erinnrung aus der freien Welt

Herüber mir in diese enge Mauern

So nenn ich jammervoll mein prächtig Loos.

Ich sehne mich zurück zu Nacht und zu Gefahren

Zu jener heimathlosen Pilgerschaft.

In diesen Mauern trauren alle Blumen,

Die zarten Halmen flüstern es sich zu

Wie eingeschlossen Sehnsucht sie verzehre;

Ja selbst die starke Palme senkt ihr Haupt,

Und welk und matt ist um mich alles Leben,[100]

Und ungern spendet hier sich die Natur

Wenn keiner ihrer heilgen Stimme lauschet,

Weil ihren Dienst ein rauh Geschlecht verschmäht.


Sultan und Sino kommen.


SULTAN.

Nerissa du! Wie ist dir? Holde! Liebe!

Du senkst den Blick? Du trauerst, süßes Weib?

Die Frauen Indiens sind welke Blumen

Selbst in des Lebens erstem Jugend-Glanz;

Nerissa nur glich stets der frischen Rose

Erquicket von des Himmels ewgem Thau.

Nur heute will ihr schönes Aug erlöschen

In neidschen Wolken, die sie trüb umziehn.

NERISSA.

Sind Indiens Frauen welke Blumen immer

So laß mich weinen um ihr traurig Loos.

SULTAN.

Nein; meine Liebe sey der Frühlings-Odem

Der Freude dir und frisches Leben haucht –

Was sprach ich da? Ertrankt ist meine Liebe,

Und kränker ist sie als dein trüber Blick.

Bald zieht ein Sehnen mich zu deinen Armen,

Dann reißt ein alter Fluch von dir mich weg.

Ich fliehe; neu entzündet sich die Flamme,

Ein kalter Schauer löscht sie wieder aus.

Bald möcht ich schweigen, bald möcht ich dir klagen,

In Freude jauchzen, dann in Schmerz verzagen.[101]

NERISSA.

Warum muß ich, ich diese Schmerzen geben?

O fliehe mich! und such' ein ander Glück.

SULTAN.

Entfliehen! Ha! Entflieh dem Hauch der Lüfte,

Sie folgen dir vom Indus bis zum Pol.

Versuch es, wandere hinab zum Weste,

Ob du der Sonne Strahlen meiden magst.

Umsonst; sie hebt sich neu stets aus dem Schatten.

Wo du auch wallst, es geht der Ost dir nach.

So meine Liebe, gleich den Himmels-Lüften

Und gleich der Sonne folgt mir überall.

NERISSA.

Weh mir und dir! Ich fürchte deine Liebe,

Und schrecklich ist dein Haß wie deine Gunst.

Was soll ich thun? Auf welche Rettung sinnen?

Ist keine Hülfe, ist kein Rath mehr da?


Mangu kommt.


MANGU.

Ein Fremder wünscht dein Angesicht zu schauen

Mein König. Soll ich sagen, daß er darf?

SULTAN.

Ihm ist vergönnt, sogleich zu uns zu kommen,

Ruf ihn hierher, er rede jetzt vor mir.


Sino tritt in den Hinter-Grund und winkt, Udohla erscheint und wirft sich vor dem Sultan nieder.
[102]

MANGU.

Sprich Fremdling! Denn der Sultan will dich hören,

Steh auf und rede, sage wer du seyst.

UDOHLA aufstehend zum Sultan.

Ich heiße Achmed, bin dein Knecht, gebohren

Zu Hyderabad, Selims Schwester-Sohn.

SULTAN.

Mein Freund! Du bist des Nabobs Anverwandter?

Des Würd'gen, Mächtigen; ich grüße dich.

UDOHLA.

Der Nabob hieß mich dir dies Schreiben bringen

Und Gruß und Unterwerfung seinem Herrn.


Er reicht ihm ein Papier.


SULTAN.

Du hast's gethan.


Nachdem er gelesen.


Du bist ein guter Bote.

Erbitte einen Lohn; es werde dir

Was dir zu bitten, mir zu geben ziemet.

Drum wähle frei sogleich was dir gefällt.

UDOHLA.

Als ich von Hyderabad hergezogen

Fiel im Gebirg ich in der Räuber Hand.

Verlohren wär ich sicherlich gewesen,

Allein es rettete ein Jüngling mich,

Und als ich bat ihn einen Lohn zu wählen,

Sprach er: »Erscheinst du vor dem Herrn der Welt[103]

So wirf dich flehend hin zu seinen Füßen,

Das meines Vaters Leben er verschont

Bahadars, der im Aufruhr ist gefangen«.

So sprach der Jüngling.


Kniend.


Herr! erhör ihn.

Ich habe keine Bitte als die seine

Verschmähe sie, o großer König! nicht.

SULTAN.

Du bittest spät; schon ist sein Haupt gefallen.

NERISSA.

Wie wird mir! Elpa! führe mich von hier.


Ab mit Elpa.


SULTAN.

Komm Mangu! Laß uns zur Prinzessin eilen,

Und Sino du! erklär ihm was geschah.


Ab mit Mangu.

Lange Pause, Udohla bleibt eine Weile auf den Knien liegen, steht dann langsam auf.


UDOHLA.

So ist es schon das theure Haupt gefallen,

Beschlossen unsers Hauses Untergang!

Was kann ich nun? Da alles mir verloren,

So bin ich überhoben jeder Furcht.

Du hasts vernommen, geh! mich zu verrathen.

Ich bin Bahadar, eures Feindes Sohn.

SINO.

O Jüngling! ich beweine deinen Jammer,

Denn ich bin Sino, Hindu selbst wie du.[104]

UDOHLA.

Du Sino? Nun so bin ich nicht verlassen

Von allen Göttern, da ich dich hier fand.

Ich kenne dich, und hab dich nie gesehen,

Denn meines Oheims Hoffnung warst du stets.

SINO.

O Usbeck! Lebt er noch! Der Theure! Gute!

Verschonte ihn nur seines Hauses Fall.

UDOHLA.

Er war mein zweiter Vater; denn den meinen

Hab ich so lang ich denke nicht gesehn.

Der Oheim nahm mich zu sich nach Bengalen,

Als sich Bahadar dem empörten Volk

Leicht überredet gab zum Oberhaupte.

So wuchs ich ferne von dem Vater auf.

Doch als die einzge Tochter er verlohren,

Brief er mich zu theilen sein Geschick.

Ich kam; allein der Vater war gefangen,

Ich ward gefangen, und entfernt von ihm. –

Wie unerträglich lange, trübe Stunden

Verschmachtet' ich im Kerker so allein,

So ohne Hoffnung, und dem Tod entgegen

Sah ich mit trübem, tiefgesunknem Muth.

Da öffneten sich meines Kerkers Thüren

Und ich entfloh zum Gastfreund meines Ohms

Zum Nabob, der mich freundlich aufgenommen

Wie einen Sohn, und ungern mich entfließ.[105]

Doch trieb der innre Geist mich zu versuchen

Ob wohl zu retten noch der Vater sey;

Ob flehend vor dem Herrscher der Mongolen;

Wo nicht, durch einen scharfen kecken Stahl.

So kam ich, und noch leb ich zu entscheiden,

Wen dieser Dolch durchbohre von uns beiden;

Ob er des Sultans Purpur erst durchdringe

Ob ich nur mich zum Todtenopfer bringe.

SINO.

Du bist kein Hindu. Nein, dir kocht im Busen

Der Scythen wildes, ungezähmtes Blut.

Was that der Sultan? Er hat recht gehandelt.

Ein jeder weiß, dem Aufruhr droht der Tod.

UDOHLA.

Nun wohl! Es sey, der Sultan möge leben

Ihn darf das Licht der Sonne noch erfreun;

Doch mir geziemet besser, nun zu sterben.

Des Vaters Geist winkt mich zu sich hinab,

Den Niegekannten will er einmal schauen,

Ihn einmal drücken an das Vaterherz.

O süße Freude drunten bei den Todten!

Komm, steig herauf! Verdunkle mir das Licht

Des lieben Tages, den ich kaum gesehen,

Von dem ich jetzo trauernd scheiden muß.


Er zieht den Dolch; Sino hält ihn ab.


SINO.

Halt ein und lebe! Was willst du dem Vater?

Die Todten warten jenseits nicht auf uns.[106]

Sie wandlen fort durch viele, viele Hüllen

Bis zu dem großen Auferstehungstag.

Du weißt's ja selbst; drum lebe noch dem Tage

So lang der Götter Wille dir vergönnt.

UDOHLA.

Soll ich mich selbst zu überleben leben?

Was bleibt mir noch zu wünschen, noch zu thun?

SINO.

Hast du der Freunde nicht und Blutsverwandte

Die schmachten in des dunklen Kerkers Nacht?

Wohlan! Versuch es diese zu befreien.

Der Sultan hat ein leicht beweglich Herz,

Sein Herrschertrotz zerschmolz in Liebes-Wonnen,

Er hat fürwahr ein menschliches Gefühl. –

UDOHLA.

Den Rand des Lebens hab ich schon erreichet,

Jetzt öffnet sich für mich der Zukunft Thor.

Mein Aug das schon der Gräber Nacht umgeben

Verschließt sich noch dem ungewohnten Licht.

SINO.

Komm! Laß mich Pfade für dich suchen, finden.

Gewiß ich leite dich auf ebnern Weg.

Quelle:
Karoline von Günderrode: Gesammelte Werke. Band 1–3, Band 2, Berlin-Wilmersdorf 1920–1922, S. 89-107.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Die beiden »Freiherren von Gemperlein« machen reichlich komplizierte Pläne, in den Stand der Ehe zu treten und verlieben sich schließlich beide in dieselbe Frau, die zu allem Überfluss auch noch verheiratet ist. Die 1875 erschienene Künstlernovelle »Ein Spätgeborener« ist der erste Prosatext mit dem die Autorin jedenfalls eine gewisse Öffentlichkeit erreicht.

78 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon