An die Frau von Breszlerin, geb. von Wirth

[94] Vergieb nur, Gnädigste, die Grobheit armer Noth!

Da mir das Eußerste von Schwäch und Mangel droht

Und unbekandtes Volck hier weder schüzt noch heilet

Noch anderswo ein Freund der Sehnsucht Rath ertheilet,

So flieh ich noch zu dir mit Ehrfurcht und Vertraun.

Ich kan mein Leipzig nicht halb lahm und dürftig schaun

Und warth allhier auf Trost und lieg in fremden Händen;

Die Misgunst wird mich zwar nach Wuntsch und Lügen schänden.

So geht's, wer einmahl liegt, den drückt wohl jede Luft.

Jedoch wenn hier mein Reim um etwas Gnade ruft,

So sündigt er wohl nicht; wenn ich auch nichts verdiene,

Verdient mein Unglück doch, daß beßre Hofnung grüne.

Versichre nur vor mich den gnädigsten Gemahl,

Mein Wuntsch sey fort und für, nach überstandner Qual

Ihm, wie ich schuldig bin, vor so viel Gnad und Güte

Nur einen Dienst zu thun. Ein großmuthsvoll Gemüthe

Entschuldigt dann und wann, wenn Jugend was versieht,

Die Jugend, die sich noch erst um Erfahrung müht.

Ach, würd ich jezt gestüzt! Ich könt in andern Ländern

Vielleicht in kurzer Zeit so Feind als Glücksstern ändern.

Ich kan nichts mehr als flehn, du aber gnädig seyn.

Die Marterwoch ist da, nur leider trift es ein;

Ach, wenn sich doch nur bald ein Tag der Ostern fände,

An dem zum wenigsten die Hofnung auferstände!

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 3, Leipzig 1934, S. 94-95.
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