An eben dem vorigen Feste

[296] Evangel. Matth. XIX. v. 27. etc.


Text


Sieh Herr, fing Petrus einmahl an,

Wir haben nichts auf Erden,

Verlaßen alles, folgen dir,

Was wird uns davor werden?

Wist, sprach der Herr, ich sag es euch,

Des Menschen Sohn wird kommen

In seiner Kraft und Majestät,

Zu richten Bös' und Frommen.


Da sollt ihr warlich, sag ich euch,

Ihr, die ihr mir nebst allen

Im Stande geistlicher Geburth

Gefolgt und wohlgefallen,

Da sollt ihr, sag ich euch, mit mir

Den Urthelstab zerbrechen

Und den Geschlechtern Israels

Das Recht auf Stühlen sprechen.


Ein jeder aber, der mich liebt,

Muß auch mein Wort erfüllen.

Verläst er endlich noch dazu

Um meines Nahmens willen

Haus, Äcker, Vater, Mutter, Weib,

Kind, Schwestern, Freund und Brüder,

So wird ihm alles dermahleinst

Wohl hundertfältig wieder.


Lehre


Erlöser, der du auch vor mich

In Knechtsgestalt gekommen

Und mich durch Waßer und durch Geist

Zum Jünger angenommen,[297]

Hilf, daß ich diese Lieb und Treu

Mit Gegenlieb erkenne

Und weder in Gefahr noch Lust

Mich etwan von dir trenne.


Dein Warlich überzeuget mich,

Du werdest bald erscheinen,

Zum Schröcken vor die böse Schaar,

Zum Troste vor die Deinen.

Ach, las mich deine Majestät

Alsdenn mehr ziehn als schlagen

Und vor dem Stuhle des Gerichts

Des Lammes Siegel tragen!


Las durch Verfolgung und Gefahr,

Zur Prüfung vor den Glauben,

Mir, wenn es dir gefällig ist,

Freund, Haus und alles rauben.

Um dich gedenck ich alles gern

Und freudig zu vergeßen;

Dein Reich hat mehr in jener Welt

Als jemand hier beseßen.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 2, Leipzig 1931, S. 296-298.
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