9. Scene.


[62] Vorige. Pauli.


PAULI eilt, den Bergstock in der einen und einen Edelweißstrauß in der andern Hand aus dem Hintergrunde hervor. Was is denn da! Da hat's 'was 'geb'n! 's wird doch der Loni nix g'scheh'n sein! Er erblickt den bewußtlos daliegenden Lehnl. Jesus Maria, da liegt a Mensch! Er wirft Bergstock und Strauß bei Seite und kniet zu Lehnl nieder; der Mond bricht hervor und beleuchtet die Scene. Der Lehnl! Ja was is denn da g'scheh'n![62] Mein Gott, Lehnl, komm' zu dir! Er hebt Lehnl empor und sieht das Blut über dessen Stirne rinnen. Rasch taucht er sein Tuch in den Brunnen und verbindet ihm den Kopf.

LEHNL kommt zu sich. Was is denn? Wo bin i denn?

PAULI. Auf der Weglalm – und i bin bei dir – der Pauli!

LEHNL. Der Pauli! Und du kommst heut' Nacht nochmal da 'rauf; da hat unser Herrgott a Wunder g'wirkt!

PAULI. Das Wunder bringt d' Lieb' allein auch zuweg'. Aber red', was is mit dir, du bist ja voller Blut.

LEHNL. Macht nix, macht nix, wenn's auch der letzte Tropf'n is. I sag' dem Himmel Vergelt's Gott, daß i am Platz' g'wes'n bin – dem Deand'l war's schlecht vermeint.

PAULI. Wieso? Was is denn?

LEHNL. Der Muckl war da, i hab' ihn recht wohl 'kennt. Und was er woll'n hat, wirst dir denk'n können. Aber was i heut' von ihr abg'wend't hab', das kann ihr morg'n zustoß'n! Wer weiß, ob i die Nacht noch überleb' – die Angst drückt mir fast Herz ab – Pauli, i mein', i kenn' di als den, der an der Loni hängt mit Leib und Seel' Pauli, wer weiß, was mit mir vorgeht – dann steht[63] das arme Deand'l allein auf der Welt. Bei allem, was dir heilig sein kann, bitt' i di, sei du a Schutz und a Hilf' für mein arm's Kind.

PAULI sieht ihn starr an. Dein Kind!

LEHNL. Jesus Maria, mein' Angst und mein' Sorg' hat verrat'n, was i di ganz' Zeit verheimlicht hab' – ja, Pauli – die Loni is mein Kind. Trag's ihr net nach, daß sie mich zum Vater hat – versprich mir's.

PAULI. Alles, alles, was du willst. Sei nur jetzt stad, 's Red'n könnt' dir leicht schad'n. Setz' di daher auf's Bank'l, i weck' derweil d' Loni.

LEHNL. Na, na, thu's net; sie könnt' erschreck'n, wenn's mi so sieht.

PAULI. Wie du meinst, daß besser is. Probir'n wir's, vielleicht kommen wir 'nunter.

LEHNL. 's Beste is, du laßt mi da sitz'n – wenn i fortging', i könnt', ja net sein vor Angst.

PAULI energisch. Na, Lehnl, das geht net. Jetzt folgst mir und gehst mit mir 'nunter in d' Holzerhütt'n. Dort breit' i di recht gut 'nein und wenn du di erholt hast, so geh' i wieder 'rauf und setz' mi daher, bis Tag wird.[64]

LEHNL. Thu's Pauli, unser Herrgott wird dir's vergelt'n.

PAULI hebt Bergstock und Strauß von der Erde auf. Die Musik setzt wieder ein und begleitet die Scene bis zum Schlusse. Bist auch blutig word'n, Sträuß'l, und hab' mi so 'plagt um di! I nimm di halt wieder mit und wenn je in mir der Mißmut aufsteig'n sollt' geg'n 's Madl, dann soll'n mi die Blüm'ln mahnen an die jetzige Stund'. Komm' Lehnl, häng' di ein in mi! Er hilft Lehnl auf, schlingt seinen Arm um ihn und geleitet ihr so gegen den Hintergrund.


Vorhang fällt.


Quelle:
Ludwig Ganghofer und Hans Neuert: Der Herrgottschnitzer von Ammergau. Augsburg 21880, S. 62-65.
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