8. Scene.


[108] Loni. Baumiller.


LONI steht unschlüssig in der Mitte des Zimmers. Ja, ja! Mit einem schweren Seufzer. So geht's schon manchmal auf der Welt. – Jetzt werd' i halt wieder an mein' Arbeit' gehn. Wendet sich zum Gehen.

BAUMILLER ruft ihr nach. Loni!

LONI. Was is, Herr Fritz?[108]

BAUMILLER. Könnt' man jetzt mit dir net auch amal a g'scheidt's Wört'l red'n –

LONI. Man müßt's halt probir'n!

BAUMILLER. Weg'n meiner und weg'n Pauli.

LONI. Jesses, wenn i nur den Namen nimmer hör'n müßt'; i kann ihn net aussteh'n.

BAUMILLER. I red' ja nur g'rad deßweg'n von ihm, daß du amal zur Ruh' kommst. Und das g'schieht net eher, vor der Pauli net geht.

LONI. Aber daß er net geht, habt's ja grad vom Vater g'hört.

BAUMILLER. Die Sach is halt net recht an'packt word'n. Du mußt die G'schicht' in d'Hand nehmen!

LONI. Das versteh' i net.

BAUMILLER. Wirst's gleich versteh'n. Komm', setz' di amal a bisl daher zu mir. Beide setzen sich. Sag', Loni, kannst du's begreif'n, daß a Mensch mit ganz'm Herz'n und ganzer Seel' was wünscht und hofft, so, daß er gar kein' andern Gedank'n mehr hat. Begreifft du das?[109]

LONI tief aufseufzend. O ja!

BAUMILLER. Sixt, Loni, so a G'fühl hab' i g'habt, wie i a junger Mensch war. Wie i ang'fangt hab' z' mal'n und wie i die Bilder g'seh'n hab' von unsere groß'n Künstler, da is in mir der Wunsch aufg'stieg'n, 'was gleiches z'schaff'n und auch Bilder z'mal'n, vor denen die ganze Welt staunen müßt'. Der Wunsch war a recht schöner und was an mei'm gut'n Will'n und an mei'm Fleiß g'leg'n is, das is auch redlich g'scheh'n. Aber weiter hab' i's halt doch net 'bracht, als daß meine Bild'ln gern 'kauft word'n sind und daß i mir a bisl 'was erworb'n hab'. Da find' i auf amal an Mensch'n, der die Gab', die mir g'fehlt hat, im reichst'n Maß besitzt und dem, um das z' werd'n, was mir beim best'n Will'n und allem Fleiß net g'lung'n is, gar nix fehlt, als die richtige Schul'!

LONI erregt und beklommen. Is das – der Pauli?

BAUMILLER. Ja, Deand'l, das is der Pauli. All'weil besser und besser hab' i ihn kennen lernen – und wie mein Glaub'n an sein Talent immer mehr und mehr bestärkt word'n is, da hat in mir unter all' der Asch'n die alte Glut wieder aufg'flammt. I seh' den Mensch'n im Geist schon wachs'n und werd'n, i seh' im Voraus schon die Kunstwerk', die unter seiner Hand entsteh'n soll'n und in Gedank'n[110] seh' ich die Leut' sich d'rum 'rum dräng'n und hör', wie sie einander erzähl'n: Der alte Maler is, der den Mensch'n für die Kunst g'wonnen hat – und von dem Dank', den die Welt ihm 'bracht hätt', wär' auch für mi a Theil abg'fall'n, wenn auch nur a ganz kleiner – und i wär' z'fried'n g'wes'n.

LONI ist aufgesprungen und streckt dem Maler in unverhaltener Rührung beide Hände entgegen. Was kann i thun, daß es so kommt, sagen Sie's mir und i thu's!

BAUMILLER. Du mußt mit'm Pauli red'n.

LONI. Na! Na! Verlang'n's was woll'n, aber das kann i net.

BAUMILLER. Und g'rad das is 's einzige, was noch helfen kann. Soviel Lieb' is bei ihm noch all'weil daheim, daß er dir's net abschlagt, wenn du zu ihm sagst: Pauli, i bitt' di, geh' fort, mi leid't's nimmer im Dorf', solang' du da bist! – Wenigstens mußt es versuch'n. Schau', du hast schon a Schuld abz'trag'n an dem Mensch'n und i mein' fast, es könnt' dir dein Herz a bisl leichter mach'n, wenn du dir sag'n kannst, du hast 'was zu sei'm Glück bei'trag'n.

LONI zögernd. Glaub'n's denn auch g'wiß, daß es sein Glück sein wird, wenn er geht?[111]

BAUMILLER. Das is mein' feste Ueberzeugung.

LONI. In Gott'snamen – i thu's – weil Ihnen a G'fall'n damit g'schieht – und weil – weil i so froh bin, wenn i den Mensch'n nimmer sieh.

BAUMILLER. So is recht. Jetzt kann i ruhig wieder auf meine Berg 'naufsteig'n. Weißt, es muß ja net gleich sein. Wenn i heut' Abends heim komm', können wir nochmal d'rüber red'n und nachher wird sich schon amal die rechte Zeit dazu find'n. Jetzt b'hüt' di Gott und i dank' dir halt im Voraus für dein' gut'n Will'n – B'hüt' Gott! Ab.

LONI. B'hüt' Gott! Nach kurzem Bedenken. Es muß ja net gleich sein, hat er g'sagt – Wohl muß es gleich sein, denn a alt's Sprichwort sagt: man muß 's Eisen schmied'n, so lang's heiß is. – Resl! – Die muß ihn mir gleich 'rüber hol'n.


Quelle:
Ludwig Ganghofer und Hans Neuert: Der Herrgottschnitzer von Ammergau. Augsburg 21880, S. 108-112.
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