Dritter Aufzug.

[35] Recitativ.


LOPES.

Mit schwarzem Fittig deckt die Nacht

Die Leiden einer großen Seele,

Und unstät in dem Kampfe der Gefühle,

Am Strand des Meeres irrt d' Accunha.

Vermagst Du's nicht, zu lindern seine Schmerzen,

So theile sie, mitfühlend;

Denn es ist schwer, für das Gebot der Ehre

Des Lebens Glück und Liebe hinzugeben!

TRISTAN.

Durch Fluthen, Flammen

Zu ihr zu streben,

Durch's Graun der Nächte

Zu ihr mich zu schwingen,

Das ist die Sehnsucht meiner Seele,

Doch mich umfangen

Die Banden der Ehre,

Nicht Trost, nicht Rettung kann ich bringen.

LOPES.

Oft wenn am dunkelsten die Wolken nachten,

Erglänzt ein Strahl aus Himmelshöhen.[35]

TRISTAN.

Sie fand ich, um von ihr zu scheiden!

Der Liebe Gruß verhallt in Todesklagen!

Was für ein Fest seh' ich bereitet!

Still aus dem Schatten steigt ein Holzstoß –

Jetzt werden Lichter, Flammen wach –

Sie fassen, wüthen,

Und aus der Ferne naht die Braut des Feuers.

Schaaren des Volkes

Stürzen voran,

Mehren sich, wälzen sich

Um den Holzstoß her,

Ein unendlich Meer.

Stimmen ertönen,

Gesänge rauschen,

Waffen glänzen im Feuerstrahl;

Und aus den Armen

Heulenden Volkes,

Von wehenden Schleiern

Gehoben, getragen,

Stürzet die Wittib ins Grab der Flammen!

LOPES.

O daß ein Engel niederstiege,

Dieß tiefgebeugte Heldenherz zu trösten!

NADORI.

Entflohen aus des Tempels Hallen,

In Deine Nacht bring' ich Dir Licht.

TRISTAN.

Was sagst Du?[36]

NADORI.

Die Waffenruhe, die Dir heilig,

Wird von Dandau selbst gebrochen.

Denn Auftrag gab er zwei Lipayen,

Zu Euren Schiffen sich zu schleichen,

Sie schnell in Brand zu stecken. –

Wenn Ihr die Männer findet –

TRISTAN.

Dann fallen meine Bande,

Und wieder lebt mein Schwert in meinen Händen.

Doch ach! indem wir kämpfen,

In Flammen stirbt Jessonda.

NADORI.

Das fürchte nicht! nach alter Sitte

Erst um das Morgeuroth beginnt das Opfer,

Und früher will ich Dich und Deine Krieger

Auf einem unterird'schen Wege

Zur Stadt geleiten.

TRISTAN.

O wie vermag ich Dir's zu danken?

NADORI.

Euch führend, handl' ich für mich selbst,

Errettung suchend aus Barbaren Händen.

TRISTAN.

Auf zu den Waffen!

Nun schlägt die Stunde,

Wo jene Götzenbilder stürzen,[37]

Und glanzvoll über ihre Trümmer

Der Glaube siegend wandelt.

Ihr wachet still an unsern Schiffen,

Ihr zieht zur Stadt,

Mit falschem Angriff sie zu schrecken.

Ihr folget mir und diesem Jüngling.

TRISTAN. NADORI. LOPES.

Auf, und laßt die Fahnen fliegen!

Schwerter, öffnet uns die Bahn!

Gott mit uns! zu Kampf und Siegen!

Feinde bebt, die Rächer nah'n!

CHORGESANG DER BRAMINEN UND BAJADEREN.

Wollet, Götter, uns erhören!

Eures Zornes Macht

Durch Gebete zu beschwören,

Wandeln wir durch Sturm und Nacht.

CHOR DER BAJADEREN.

Aufgewacht, aufgewacht,

Schläfer des Thales!

In der Gewitternacht

Huld'get der Göttermacht!

Schauet der Blitze Pracht,

Hört wie der Donner kracht!

Aufgewacht, aufgewacht,

Schläfer des Thales!

In der Gewitternacht

Huld'get der Göttermacht![38]

CHOR DER BRAMINEN.

Gott Ixora! Laß dein Auge,

Das im Sonnenfeuer flammt,

Sinnbethörend,

Markverzehrend

Auf der Feinde Schaaren ruh'n!

An den Bächen ihres Lebens

Laß es leuchten, laß es brennen,

Daß sie schnell versiegen!

Schlangenumwundener,

Mächtiger Gott!

Laß aus der Nächte Schoos

Schrecken und Plage los,

Säe sie aus

Ueber die Fremdlinge,

Daß sie bei Sturmesweh'n

Tief zu des Meeres Grund

Untergeh'n, untergeh'n!

GANZER CHOR.

Laß sie bei Sturmesweh'n

Untergeh'n, untergeh'n!

DANDAU.

Wie pocht mein Herz mit wilden Schlägen

Dem künftigen Geschick entgegen!

In der Hand

Den Feuerbrand

Zu den Schiffen schleichet jetzt

Muth'ger Krieger Paar.[39]

Götter, sprecht,

Wird das Werk gelingen,

Ruhm und Heil uns bringen,

Werden wir gerächt?

CHOR.

Weh! Weh! Weh!

DIE BAJADEREN.

Das Stürzen des Bildes,

Des Donners Klang,

Was künden sie?

BRAMINEN.

Untergang, Untergang!

BAJADEREN.

Den Feinden?

BRAMINEN.

Den Freunden!

BAJADEREN.

Der Stadt?

BRAMINEN.

Und dem Land!

DANDAU.

Stillet, Götter, euer Wüthen,

Seht sie knie'n, vernehmt mein Fleh'n!

Das Furchtbare zu verhüten,

Soll, was ihr begehrt, gescheh'n.[40]

CHOR.

Was ihr Zürnende begehret,

Sei gewähret, sei gewähret!

DANDAU.

Hat es euch mit Grimm erfüllet,

Daß den Schwur die Wittwe brach,

Send' ich sie, von Glut umhüllet,

Dem verstorb'nen Gatten nach.

Daß nicht Volk und Land verderben,

Soll sogleich Jessonda sterben.

CHOR.

Die im Arm des Feindes lag,

Die den Schwur der Treue brach,

Sterben soll sie, sie soll sterben.

Recitativ.


JESSONDA.

Laßt ab von mir! Im Wiederschein der Flammen,

Auf meinem Haupte glühn die Edelsteine! –

ERSTE UND ZWEITE BAJADERE.

Sieh, wie schon der Morgen graut,

Laß Dich schmücken, Feuersbraut.

JESSONDA.

Wohl sah ich eine andre Krone –

Gewebt aus blühenden Rosen,

Schwamm sie vor mir auf goldnen Wolken,[41]

Da steigen Ungewitter

Empor mit mörderischem Wüthen,

Der Kranz verschwindet und zu meinen Füßen

Eröffnet sich ein Grab,

In ihm beisammen

Schauer des Todes

Und Feuerflammen!

BEIDE BAJADEREN.

Lebenstrieb, gieb dich zur Ruh,

Weltlich Auge schließ dich zu.

ERSTE BAJADERE.

Laß sie von unserm Anblick sich erholen!

Wir weichen jetzt zurück, still wachend,

Daß sie uns nicht entrinne.

JESSONDA.

Ich hatt' entsagt der Erde Freuden

Und vor mir lag das Leben

Wie eine Wüste.

Verwelkt die Blumen,

Der Quell versieget.

Da glänzt am Himmel

Ein Strahl der Morgenröthe,

Auf Lichtesschwingen

Naht Glück und Hoffnung, naht die Liebe wieder.

Von Blumengewinden

Gekrönet, umwallt,

Erscheinet des Freundes

Geliebte Gestalt.[42]

In seinen Armen,

Weit über Länder und Meere

Schwebt' ich empor zum Himmel,

Weh! da erfaßt mich eine Riesenfaust

Und reißt mich nieder

Aus lichten Höh'n zu schauervollen Tiefen!

Arie.


Ihr hohen Götter, schauet nieder,

Erbarmt euch fühlend meiner Noth!

Gebt mir den Bielgeliebten wieder,

Errettet mich vom Flammentod!

Mit muthigem Verlangen,

O Lieb', ruf ich nach dir!

Mit sehnsuchtsvollem Bangen

Harr' ich der Rettung hier!

Laß, Brama, Regen gießen

Aus Wolken mild herab;

Laß Ströme löschend fließen

Bei meinem Flammengrab!

Altäre will ich gründen,

Mit Blumen sie umzieh'n,

Und Opfer will ich zünden,

Wo Myrth' und Lotus blüh'n!

Finale.


AMAZILI.

Mein Schritt beflügelt von Entzücken –

Die Rettung nahet.[43]

JESSONDA.

Uns Rettung!

AMAZILI.

Vernimm die kriegerischen Töne –

Die Stadt gestürmt von Portugiesen –

Hin zu den Thoren stürzen die Lipayen.

JESSONDA.

Ist's möglich, darf ich noch auf Rettung bauen,

O meine Seele schwebet ihm entgegen,

Der kühn einherzieht in des Krieges Donnern.

Was auch den Kampf entzündet

Zur Zeit der Waffenruhe;

Ich bau' auf ihn, den Heißgeliebten,

Er folgte stets dem Ruf der Ehre.

JESSONDA UND AMAZILI.

Blut'ger Kampf durch Fluren schwanket,

Wer, o wer wird Sieger seyn?

Stürzet Mauern, Thore wanket,

Laßt die kühnen Retter ein!

Speere sausen, Schwerter klingen,

Furcht und Hoffnung füllt die Brust.

Brama, Brama, gieb Gelingen,

Gieb des Sieges schöne Lust!

DANDAU.

Indeß vom Wall herab die Krieger streiten,

Will ich zum Opfertod Dich führen.

Die Götter zu versöhnen,

Beflügle Deinen Schritt.[44]

CHOR.

Die Götter zu versöhnen,

Beflügle Deinen Schritt.

JESSONDA.

Vernahmt Ihr nicht Trompetenton?

Die Retter, Rächer nahen schon.

DANDAU.

Mit Fluch und Tod

Wird Brama seine Feinde schlagen,

Und ihre Asche mögen Stürme

Nach Süd und Ost zerstreuend führen.

Du aber hör' auf meine Worte!

Entehrung, Fluch Dich sonst bedroht.

CHOR.

Entehrung, Fluch, Dich sonst bedroht.

EIN INDISCHER OFFIZIER.

Verrath! der Feind ist auch in unserm Rücken!

DANDAU.

Nicht möglich! kämpfet, Krieger, kämpfet muthig.

OFFIZIER.

Er stieg empor aus unterird'schen Gängen.

CHOR.

Wohin entflieh'n? Ihr Götter habt Erbarmen!

Rettet uns aus Kriegesnoth!

Rettet uns vom Flammentod,

Der uns furchtbar rings bedroht.[45]

JESSONDA UND AMAZILI.

Näher seine Fahnen weh'n.

Götter, einmal noch ihn seh'n

Und dann liebend untergeh'n.

DANDAU.

Besieget?

Unsern Fall sollst Du nicht schauen,

Stirb denn von meinen Händen!

TRISTAN.

Zurück von ihr!

JESSONDA.

d'Accunha!

AMAZILI.

Dank, ihr Götter!

CHOR DER PORTUGIESEN.

Sieg! Sieg! Die Feinde sind geschlagen.

DANDAU, BRAMINEN UND BAJADEREN.

Giebt es größre Götter noch

Als Brama?

JESSONDA.

Ich bin aus den Armen

Des Todes befreit,

Dir sei nun, Geliebter,

Mein Leben geweiht.[46]

AMAZILI.

Du hast sie aus Armen

Des Todes befreit,

Und glückliche Liebe

Sich dankbar Dir weiht.

NADORI.

Ich hab' sie aus Armen

Des Todes befreit,

Und glückliche Liebe

Sich dankbar mir weiht.

TRISTAN.

Du bist aus den Armen

Des Todes befreit,

Es sei nun dem Glücke

Dein Leben geweiht!

Recitativ.


TRISTAN.

Seht hier den Mann, der uns geführet,

Den jetzt der Sieg mit Kränzen schmückt.

Er trug für unsre Leiden

Ein fühlend Herz,

Und theile jetzt das Glück der Liebe.

Du lächelst sanft,

Dein Lohn blüht hier.

JESSONDA.

Sieh meine Thränen, die Dir danken![47]

TRISTAN.

Kommt mit in unser Vaterland,

Daß uns ein heilig Band umschlinge.

Bekämpft, gestürzt das Götzenthum,

Dem Gott der Christen Preis und Ruhm!

NADORI. LOPES UND CHOR DER PORTUGIESEN.

Bekämpft, gestürzt das Götzenthum,

Dem Gott der Christen Preis und Ruhm!

JESSONDA UND AMAZILI.

Hell wie die Morgenröthe glüht,

Im Herzen Lust und Liebe blüht.

CHOR.

Bekämpft, gestürzt das Götzenthum,

Dem Gott der Christen Preis und Ruhm![48]

Quelle:
Louis Spohr: Jessonda. [Dresden] [o. J.], S. 35-49.
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