19.

[154] Die Nacht war träumerisch, wir zogen

Hinab des Parnes dunkle Schlucht,

Da grüßt' uns plötzlich weit im Bogen

Eleusis' mondbeglänzte Bucht.


Wir sahn Kithärons Gipfel winken,

Und unsrer Rosse Huf betrat,

Die Bergwand rechts, das Meer zur Linken,

Des heil'gen Wegs uralten Pfad.


Hier floß, die Feier zu bereiten,

Das Haupt bekränzt mit Asphodil,

Dereinst der Festzug der Geweihten

Bei Fackelglanz und Flötenspiel.


Fromm zu Demeters Heiligtume

Den Strand hin wallten sie die Bahn,

Des Rebenbluts, der Weizenkrume

Tiefdeutig Sinnbild zu empfahn.


»In Flammen wird das Korn zum Brote,

Die Traube gärt zermalmt zum Wein,

Des Lebens Blüte reift im Tode.«

So klang das Chorlied durch die Reihn.


So klang's, und tausend Herzen schwollen,

Vom Graus der Schattenwelt befreit,

Getröstet von dem rätselvollen

Gedanken der Unsterblichkeit. – –


Da plötzlich hielten unsre Pferde,

Eleusis war erreicht; es bot

Der Gastfreund uns den Platz am Herde

Und bracht' uns dienend – Wein und Brot.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 154.
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