2.

[131] Nun geht's auf dampfbeschwingtem Schiffe

Zu Tal vom Fels der Lorelei:

Besonnte Weiler, schwarze Riffe,

Zerfallne Warten fliehn vorbei.


Es grüßen Kirchen, grüßen Schlösser,

Bezaubernd wechseln Berg und Tal,

Des Stromes dunkelgrün Gewässer

Wird flutend Gold im Abendstrahl.


Aus allen Gärten Blütendüfte,

Von allen Türmen Glockenspiel,

In Rosenglut getaucht die Lüfte –

O schöne Fahrt zum schönsten Ziel!


Am Bord die Musikantenbande

Hebt an ein Lied von Rhein und Wein,

Das Echo ruft vom Klippenstrande,

Und Schaum und Räder brausen drein.


O Klang und Sang aus heller Kehle,

O Frühling, wie berauscht ihr mich!

Ein Jauchzen geht durch meine Seele:

Du schönes Weib, ich grüße dich!

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 131.
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