1.

[175] Im Winde kommt ein scharfer Ton,

Die wilden Schwäne wandern schon,

Die schöne Zeit geht scheiden;

Du hast mich sommerlang geküßt,

Nun steht nach anderm dein Gelüst,

Wie sollt' ich's dir verleiden!


Am Berge liegt ein weißer Streif,

So fiel auf deine Lieb' ein Reif,

Heißt: Überdruß und Reue;

In Windeswirbeln fliegt der Staub,

Es bricht der Ast, es stiebt das Laub,

Warum nicht deine Treue?


Fahr hin, ich weiß nun, wie du liebst;

Ein Herz, das du nur halb vergibst,

Das gönn' ich jedem andern.

Fahr hin! Dein Weinen dünkt mich Hohn.

Die wilden Schwäne wandern schon,

Und ich, auch ich will wandern.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 175.
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