4. Lied des Mädchens

[115] O Mond, mein leuchtendheller Mond im klaren Lichtgewande,

Der du dort oben ziehst im Blau, und der du niederschauest,[115]

O sahst du meine Liebe nicht, den vielgeliebten Jüngling?

In welchem Schlosse sitzt er nun, in welchem Schlosse trinkt er?

Wes Hände schenken ihm den Wein? - und ach, die meinen rasten.

Wes Augen schaun ihn an mit Lust? - und meine sind voll Tränen.

An wessen Tische ruht er aus? - und meiner steht verlassen.

Wes Lippe küßt und kost mit ihm? - und meine brennt in Sehnsucht!

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1918, S. 115-116.
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