2.

[34] Und als ich aufstand früh am Tag

Und meinte, daß es noch Winter sei,

Da jauchzte schon mit lustigem Schlag

Die Lerch' an meinem Fenster frei:

Tirili, tirili! Vom blöden Traum,

Langschläfer, bist du endlich erwacht?

Du schliefst und merktest das Süße kaum,

Denn sacht, denn sacht

Ist kommen der Frühling über Nacht.


Und als ich schaute zum Himmelsraum,

Da war er so blau, da war er so weit;

Und als ich blickt' auf Strauch und Baum,

Da trugen sie all' ein grünes Kleid.

Und als ich sah in die eigene Brust,[34]

Da saß die Liebe darin und sang,

Was selber so süß ich nimmer gewußt;

Das klang, das klang

Und soll nun klingen mein Leben lang.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1918, S. 34-35.
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