2.

[319] (Nach Hafis.)


Längst genug im weiten Raume

Schweift' ich um mit dürrem Gaume,

Rastlos nach dem Glücke sucht' ich,

Doch ergriff ich's nicht am Saume.

Darum halt' ich ruhig lächelnd

Meine Sehnsucht jetzt im Zaume,

Und gelagert, wo der Eppich

Rankt empor am Rosenbaume,

Sing' ich holder Torheit Weise

Bei des Weines Perlenschaume:

Sucht und forscht nicht, ihr entkleidet

Nur die Frucht vom duft'gen Flaume;

Unerbeten von den Göttern

Kommt das Höchste wie im Traume.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1918, S. 319.
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