12.

[46] Das ist der Liebe eigen,

Mit Worten muß sie schweigen;

Sie spricht mit süßen Zeichen

Von Dingen ohne Gleichen.


Es sagt die Hand am Herzen:

Hier innen trag' ich Schmerzen

Und möchte doch dies Leiden

Um alle Welt nicht meiden.


Im Auge spricht die Träne:

Wie ich nach dir mich sehne!

Mein Wollen, Denken, Sinnen,

Es will in deins verrinnen.


Es spricht der Lippe Zücken:

O laß dich an mich drücken,

Auf daß im Feuerhauche

Sich Seel' in Seele tauche!


So webt in stummen Zeichen

Sich Botschaft sonder Gleichen;

Von Herz zu Herzen geht sie,

Doch nur, wer liebt, versteht sie.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 46.
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