13.

[345] Vieles lernt der Dichter tragen,

Doch am schwersten das Entsagen,[345]

Wenn in Wolken unerreicht

Ihm sein Ideal entweicht.


Wenn er spürt: es ward dir eben

Nur dein Maß der Kraft gegeben,

Statt des Zaubers der Gestalt

Nur ein Ton, wie bald verhallt!


Dennoch gib dich, Herz, zufrieden,

Daß dir dieser Ton beschieden,

Dankbar unter Leid und Lust

Reif' ihn aus in treuer Brust.


Macht' er doch zur Zeit des Lenzen

Einst der Liebsten Auge glänzen,

Heut im herbstlich kühlen Hauch,

Was dich labt, erwarb er auch.


Ist's kein Ruhm auf weiter Erde,

Ist's ein Blumenkranz am Herde;

Ist's kein jauchzend Volk, Poet,

Ist's ein Freund, der dich versteht.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 345-346.
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