18.

[348] Spät auf hoher Schloßverande

Saßen wir und sahn hinaus;

Traumhaft überm finstern Lande

Rollt' ein leises Donnern aus.


Aus den Wäldern stieg, den feuchten,

Kühler Duft, und fern herauf

Schlug die Nacht im Wetterleuchten

Dann und wann die Wimpern auf.


Märchendunkel war die Stunde,

Und ihr fremder Zauber rief

Auf die Lippen, was im Grunde

Deiner Brust versiegelt schlief;


Und erleichternd mir vom Herzen,

Wie ein Blutstrom, quoll es sacht,

Was mich, ach, so reich an Schmerzen

Und zugleich so selig macht.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 348.
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