23.

[350] Rauher Tag will rauhe Weise;

Nun am Herd der Waffenschmied

Schwerter fegt, wer lauscht im Kreise

Noch auf dein gedämpftes Lied?[350]


Laß dir's willig, Herz, gefallen,

Geht die Zeit doch kühnen Gang;

Dies Getös auch wird verhallen,

Wenn dein Volk sein Ziel errang.


Wenn die Burg einst seiner Ehren

Ausgebaut ins Blaue strebt,

Nach Gesängen wird's begehren,

Drauf ein Hauch des Friedens schwebt.


Schönheit wieder vom Poeten

Fordert dann ein froh Geschlecht;

Frühling, Lieb' und Andacht treten

In ihr uralt heilig Recht.


Und im Klange deiner Lieder,

Ob dich längst die Erde kühlt,

Durch die Brust der Jugend wieder

Wandelt, was du einst gefühlt.


1867.


Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 350-351.
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