4. Schlußchor

[385] Nun bringt mit Schall das volle Faß

Hervor aus Kellerstiefen

Und laßt ins grüne Römerglas

Sein flüssig Feuer triefen!

Wir haben Tag' und Monde lang

In dürrer Pein gelegen;

Willkommen denn im Überschwang,

Willkommen, goldner Segen!

Wein! Wein! Wein!

Du Tröster ohnegleichen,

Du tust dich kund an Herz und Mund

Mit Wundern und mit Zeichen.


Die Fledermaus, die unsern Sinn

Geschreckt mit bösen Träumen,

Die schwarze Sorge fährt dahin,

Sobald die Becher schäumen.

Der Baum des Lebens blüht und laubt

Von frischem Saft durchdrungen,

Und wer noch jüngst sich stumm geglaubt,

Der jauchzt in hellen Zungen.

Wein! Wein! Wein!

Du Tröster ohnegleichen,

Du tust dich kund an Herz und Mund

Mit Wundern und mit Zeichen.[385]


Wir führten heut mit Jubellaut

Ein treues Paar zusammen;

Wie Maienrosen glüht die Braut,

Des Jünglings Blick wie Flammen.

Doch selbst Frau Minne tritt zurück

Vor deinem Freudenschwalle;

Für Zwei nur ist der Liebe Glück,

Das Trinken ist für alle.

Wein! Wein! Wein!

Du Tröster ohnegleichen,

Du tust dich kund an Herz und Mund

Mit Wundern und mit Zeichen!

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 385-386.
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