Achter Auftritt

[459] Herr Simon. Herr Ferdinand.


SIMON. Das Kompliment von einer Schwiegermutter war eben auch nicht zu zärtlich. Sind Sie denn mit den Heiratspunkten zustande gekommen?

FERDINAND. Fragen Sie mich ja nicht! Ich weiß nicht, was ich aus der Frau machen soll. Und ich wollte, daß Ihr ehemaliger Herr Vormund selbst mit Ihnen hergereiset wäre und mich mit dieser[459] Verrichtung verschonet hätte. Er hat die Heirat angefangen; so hätte er sie auch zustande bringen mögen. Sie will von den zehntausend Talern gar nichts hören.

SIMON. Das sind schlechte Aspekten. Ich wollte das Geld gern vergessen. Allein ich habe meine Braut itzt eine halbe Stunde allein gesprochen. Sie ist schön, recht schön; aber ...

FERDINAND. Nun, was fehlt Ihnen; was wollen Sie mit dem Aber sagen?

SIMON. Meine Braut ist recht sehr schön, Herr Ferdinand; aber ...

FERDINAND. Aber sie will Sie nicht haben?

SIMON. Ach nein! Ich habe sie wohl zehnmal gefragt, und allemal hat sie Ja geantwortet, weiter aber auch kein Wort. Das gute Kind besitzt viel Schönheit, viel Reichtum, doch wollte der Himmel, daß sie auch das dritte besäße.

FERDINAND. Hat sie etwa keinen Verstand?

SIMON. Viel nicht, soviel ich mutmaße.

FERDINAND. Dies mag ein Familienfehler sein. Die Frau Mama, meine liebe Frau Muhme, darf sich über den Überfluß der Vernunft auch nicht beklagen. Allein, Sie haben ja Ihre Braut vor einem halben Jahre gesehen, und ich weiß, daß sie Ihnen damals gefallen hat.

SIMON. Von Person hat sie mir gefallen und gefällt mir noch. Ich werde aber nicht gedacht haben, daß eine so schöne Person nicht reden kann. Damals hielt ich ihr Stillschweigen für eine große Sittsamkeit oder Schamhaftigkeit. Nunmehr sehe ich wohl, daß es ihr an Erziehung und an Lebensart fehlt.

FERDINAND. Also wollen Sie wieder zurücktreten?

SIMON. Ich möchte sie haben und möchte sie auch nicht haben. Wenn sie nur klug und artig wäre: so wollte ich sie allen in der Welt vorziehen, wenn sie auch nicht das geringste Vermögen hätte.

FERDINAND. Unsere Sachen gehen recht gut. Haben Sie nicht noch ein Frauenzimmer im Vorschlage, bei der wir im Rückwege unser Wort auch anbringen können? Ich möchte gern noch einmal die Person eines Freiwerbers spielen; denn ich schließe aus dem guten Erfolge unserer Verrichtung und aus meinem innerlichen Berufe, daß ich zum Brautwerben geboren bin.

SIMON. Lieber Herr Ferdinand, werden Sie nicht unwillig! Es ist bei der Sache niemand unglücklicher und strafbarer als ich. Ich habe das gute Kind gewählt, weil sie mir gefallen hat, und sie hat mir[460] gefallen, weil ich nicht Gelegenheit gehabt habe, sie zu kennen. Ich will nicht sagen, wieviel mein ehemaliger Vormund Teil an dieser Heirat hat. Er hat alle seine Beredsamkeit angewandt; und ich glaube, daß er's gut gemeint hat. Denn ein Mädchen, das schön ist und dreißigtausend Taler zu hoffen hat, ist freilich bei einem, der das Geld wie er liebte, ein Glück, das man nicht aus den Händen lassen kann, wenn man nicht wahnwitzig heißen will.

FERDINAND. Sagen Sie mir kurz und gut, was Sie tun wollen? Denn wir haben keine Zeit zu verlieren.

SIMON. Ich weiß es nicht. Raten Sie mir, Herr Ferdinand, was ich anfangen soll.

FERDINAND. Sie nehmen ja die Frau nicht für mich, sondern für sich. Ihr Herz und Ihr Verstand müssen in der Liebe Ihre besten Ratgeber sein. Gedenken Sie mit Ihrer Braut eine zufriedene Ehe zu führen: so lassen Sie itzt die Mitgabe fahren und geben Sie Ihr Wort von sich. Die Seele der Ehe ist die Gleichheit der Gemüter. Glauben Sie nun, daß Ihre Christiane Ihnen an der Gemütsart nicht gleicht: so machen Sie sich ja nicht zum Märtyrer von ein Paar schönen Augen.

SIMON. Ich sagte ihr die zärtlichsten Sachen von der Welt vor, und sie blieb bei allen gleichgültig. Wenn sie mich nur mit einer empfindlichen Miene belohnt hätte. Ja und nein, waren ihre Antworten. Und das Ja sprach sie mit ebendem Tone aus, wie das Nein. Sie muß gar keine Empfindung von der Liebe haben. Sie hat in der ganzen halben Stunde ihr Gesicht nicht einmal verändert, und wenn sie die Augen nicht offen gehabt hätte: so hätte man schwören sollen, sie schliefe und redete zuweilen ein Wörtchen im Traume. Ich glaube, daß es ein gutes, unschuldiges Mädchen ist. Aber die Unschuld ohne Verstand ist ein sehr mittelmäßiger Schatz.


Quelle:
Christian Fürchtegott Gellert: Werke, Band 1, Frankfurt a.M. 1979, S. 459-461.
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