Vierter Auftritt

[471] Herr Simon. Herr Ferdinand. Lorchen.


SIMON. Dergleichen Frau habe ich zeit meines Lebens nicht gesehen. Es ist alles aus, mein liebes Lorchen; und mit einem Worte: es wird nichts aus der ganzen Heirat.

LORCHEN. Sie scherzen. Christianchen wird gleich wiederkommen, wir wollen immer gehen.

FERDINAND. Nein, nein. Es hat seine Richtigkeit. Sie können uns sicher trauen. Die Heirat geht gewiß nicht vor sich.

LORCHEN. O sagen Sie mir doch um Gottes willen, was es gegeben hat!

SIMON. Das kann ich Ihnen leicht sagen. Sie, die liebe Frau schenkte mir eine Tasse Kaffee ein. Zehn Stückchen Zucker griff sie an, ehe sie das kleinste nach ihren Gedanken fand, und zehnmal fragte sie mich, ob ich auch gern süße tränke, und versicherte mich, daß der Zucker sehr schleimte.

LORCHEN. Darüber dürfen Sie sich nicht wundern. Bei ihr sind alle Dinge schädlich, die man nicht umsonst bekommt. Und Sie haben sich zu gratuliren, daß sie Ihretwegen hat Kaffee machen lassen. Denn diese Ehre widerfährt auch ihrem Beichtvater nicht. Der heutige Kaffee ist seit einem Jahre der andere, den ich in ihrer Stube gesehen habe. Allein wie ward es denn weiter?

SIMON. Ich nehme schon halb mit Lachen die Tasse in die Hand. Und eben da ich trinke, so erzählt sie die Historie von einem Anzeichen, das es gegeben hätte, da sie mit Christianchen in den Wochen gelegen hätte. Es war unmöglich, das Lachen zu lassen. Ich sehe Herr Ferdinanden an und werfe, weil ich vor Lachen husten muß, die obere Tasse auf die Erde.

LORCHEN. Und sie geht entzwei? Das will ich nicht hoffen. Die Frau Schwiegermutter wird Ihnen in Ihrem Leben nicht wieder gut.

FERDINAND. Ich wollte, daß mir meine Frau Muhme nicht so viel Ehre machte. Erzählen Sie die verdrießliche Sache so kurz, als es möglich ist, und machen Sie, daß wir aus einem Hause kommen, wo die Frau eine Närrin ist.

SIMON. Die Tasse geht entzwei, und, indem sie herunterfällt: so entfährt mir nur das Wort: der Teufel! das ich zu sagen pflege, wenn ich erschrecke. Kurz, sie machte über diesen Verlust unerträgliche Grimassen. Diese Aufführung gefällt mir gar nicht von Ihnen, fing sie an. Ich glaube, Sie lachen mich aus und ließen die Tasse mit Fleiß fallen. Ist meine Betstube gut genug, daß Sie[472] den Teufel darinnen fluchen? Bin ich und mein Kind des Teufels? Haben Sie denn gar keine Religion? Sie kriegen meine Tochter nicht. Ich will eine Tochter und fünftausend Taler nicht wegwerfen. Hören Sie nur! Sie kriegen sie nicht! der Teufel wohnt nicht in unserem Hause! – Solche Schmeicheleien machte sie mir.

LORCHEN. Was fangen Sie für Sachen an?

SIMON. Sie können leicht denken, daß mir alle Gelassenheit verging. Mit einem Worte: ich sagte ihr, daß ich für die Ehre, ihr Schwiegersohn zu werden, mich gehorsamst bedanken und mich ihr hiermit bestens empfehlen wollte.

LORCHEN. Ist denn die Sache gar nicht wieder gutzumachen?

FERDINAND. Nein, es ist unmöglich. Sie hat uns ordentliche Grobheiten gesagt; und sie verdient nicht, daß Herr Simon weiter an sie denkt.

LORCHEN. Mich dauert nur die arme Christiane. Was kann denn sie dafür? Es ist das redlichste Kind von der Welt.

SIMON. Mich dauert sie. Ich will ihr den besten Mann wünschen und ihr alle die Geschenke, die ich zum Mahlschatze mitgebracht habe, zurücklassen. Sie kommen auf tausend Taler. Die gute Christiane war vielleicht nicht für mich bestimmt.

LORCHEN. So wollen Sie das arme Kind verlassen? Tun Sie es doch nicht. Ich bitte Sie tausendmal.

SIMON. Liebstes Lorchen, bitten Sie nicht! Ich glaube nicht, daß mich Christianchen sehr liebt. Ja, ich glaube, daß es ihr leichter werden wird, mich zu verlassen, als wir denken. Ich habe mich schon zu einer ändern Wahl entschlossen, und wollte der Himmel ...

LORCHEN. Sie sind sehr veränderlich. Dieses hätte ich Ihnen nicht zugetraut.

SIMON. Kränken Sie mich nicht! Mein Herz ist redlich; allein ich sehe, Christianchen ist nicht für mich geboren. Meine Untreue wird ihr ebenso gleichgültig sein, als ihr meine Liebe gewesen ist. Sie bekömmt zehn Männer, wenn ihr auch noch zehen entgehen sollten. Sie ist ja schön und reich.

LORCHEN. So wollen Sie denn ohne sie wieder fortreisen?

FERDINAND. Ja, morgen, wenn Sie etwas nach Berlin zu »gedenken« haben. Nehmen Sie immer Abschied, Herr Simon!

SIMON. So leben Sie denn wohl, liebstes Lorchen! Herr Ferdinand, verlassen Sie mich einen Augenblick! Ich will nur ein paar Worte mit Lorchen allein reden.

LORCHEN. Nein, sagen Sie in seiner Gegenwart, was zu Ihren Diensten[473] ist. Wir brauchen nicht, ohne Zeugen miteinander zu reden.

SIMON. Herr Ferdinand, gehen Sie immer voran, ich will gleich nachkommen. Doch nein ... Doch nein, bleiben Sie hier und unterstützen Sie mein Wort! Zu Lorchen. Darf ich Ihnen etwas entdecken, was Sie vielleicht näher angeht, als Sie wünschen? Erlauben Sie mir, liebenswürdige Eleonore, daß ich ohne Zwang und Kunst reden darf! Ich liebe Sie; ich biete Ihnen mein Herz und meine Liebe an, und ich will mich glücklich schätzen, wenn Sie mich nicht ohne alle Hoffnung fortreisen lassen.

LORCHEN. Ich weiß nicht, was ich auf diesen Antrag sagen soll. Vielleicht sollte ich ihn, nach der Gewohnheit unsers Geschlechts, mit etlichen gleichgültigen Worten oder bloß nur mit einer Miene beantworten. Vielleicht sollte ich Sie mit einigen Komplimenten bestrafen, daß Sie mich nicht eher lieben, als bis Sie meine Freundin nicht bekommen können. Doch Sie mögen aus meiner Bestürzung schließen, ob mir Ihr Antrag gleichgültig gewesen sei. Fordern Sie kein deutlicher Geständnis. Ich schätze Sie hoch und kenne Ihre Verdienste. Doch wenn es auch noch mehr als Hochachtung wäre, was ich gegen Sie empfinde: so sage ich Ihnen, daß ich lieber alles verlieren, als meiner Christiane ein Glück entziehen will. Und wenn Sie glauben, daß ich Christianchen, die Freundschaft und die Tugend liebe: so wird eine genauere Antwort überflüssig sein.

SIMON. Allein, wenn nun Christianchen gestünde –

FERDINAND. Ja, wenn sie nun selbst zugestünde, daß sie den Herrn Simon nicht verlangte, wollten Sie ihn denn da auch nicht hoffen lassen?

LORCHEN. Christianchen müßte den Wert ihres Bräutigams nicht kennen, wenn sie dieses zu tun imstande wäre. Hier kommt sie.


Quelle:
Christian Fürchtegott Gellert: Werke, Band 1, Frankfurt a.M. 1979, S. 471-474.
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