Dritter Auftritt

[484] Die Vorigen. Christianchen.


CHRISTIANCHEN. Ach, liebe Mama, zürnen Sie doch nicht mehr auf Herrn Simonen. Er hat Ihnen recht viel schöne Sachen hergeschickt, recht sehr schöne Sachen.

FRAU RICHARDIN. Ist sein Bedienter noch da?

CHRISTIANCHEN. Nein, er sagte, er könnte nicht warten. Ich habe mich in Ihrem Namen bei Herr Simonen bedanken lassen.

FRAU RICHARDIN. Nun, das ist ja recht gut, daß du den Bedienten nicht aufgehalten hast, er möchte sonst bei seinem Herrn Ungelegenheit davon gehabt haben. Er ist doch auch gewiß wieder fort?

CHRISTIANCHEN. Ja, er ist fort. Herr Simon ließ zugleich Abschied von Ihnen nehmen, wenn er Sie etwa nicht wiedersehen sollte.

FRAU RICHARDIN. Der artige Mensch! Warum will er denn ohne Abschied fortgehen? Ich muß ja wegen deiner Heirat mit ihm sprechen. Schicke doch zu ihm, und laß ihn herbitten!

CHRISTIANCHEN. Mama, Herr Simon will mich nicht haben.

FRAU RICHARDIN. Ach! Warum wird er dich denn nicht haben wollen? Du bist ein einfältiges Kind, du verstehst es nicht. Warum hätte er denn ein so kostbares Präsent hergeschickt, wenn er dich nicht zur Frau verlangte? Nicht wahr, mein liebes Lorchen, Sie sind auch meiner Meinung?

LORCHEN. Ja, in diesem Stücke bin ich völlig Ihrer Meinung.

CHRISTIANCHEN. Aber, Mama, Sie haben mir ja verboten, Herr Simonen zu lieben. Sie widersprechen sich ja selber.[484]

FRAU RICHARDIN. Nein, ich widerspreche mir nicht. Vorhin habe ich dir verboten, ihn zu lieben, und nunmehr gebiete ich dir, ihn zu nehmen. Es ist ein ganz hübscher Mensch, bei dem du keine Not haben wirst, wenn du sie dir nicht selber machst. Christiane, sieh hinaus, ob der Bediente etwan noch da ist. Ich muß doch die vielen Sachen ansehen, die ich zum Geschenke bekommen habe. Herr Simon muß gewiß ein recht gutes Herz haben, das seinen Fehler bald bereut. Je nun! Wir sind Menschen! Ich spreche immer, wir haben alle unsere Fehler, nur einer vor dem ändern. Wir müssen Geduld miteinander haben. Der Satan ist ein Tausendkünstler. Wie bald kann er uns nicht verfuhren, drum bete fein fleißig, meine liebe Christiane. Hörst dus? Bete und singe!

CHRISTIANCHEN. Es liegen bei dem Porzellan auch etliche geistliche Bücher, ich denke, das eine hieß Scrivers Seelenschatz. Herr Simon läßt bitten, Sie sollen es nicht übelnehmen, daß sie nicht eingebunden wären, er hätte sie nicht gebunden bekommen können.

FRAU RICHARDIN. Warum gibt er denn das Geld für Bücher aus? Ich habe Bücher genug, und ich bleibe bei den Büchern, an die ich mich von Jugend auf gewöhnt habe. Scrivers Seelenschatz! Es mag ein ganz hübsches Buch sein. Doch wozu brauche ich's? Wieviel muß es denn kosten? Vielleicht nimmt es mein Herr Gevatter, der Buchhändler, für ein billiges von mir an. Nunmehr wird der Bediente wohl fort sein. Ich will die Sachen ansehen. Christiane, bleibe du hier bei Lorchen, wenn etwa Herr Simon noch einmal herschicken sollte.


Quelle:
Christian Fürchtegott Gellert: Werke, Band 1, Frankfurt a.M. 1979, S. 484-485.
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