Sechzehnter Auftritt

[413] Cleon. Siegmund.


CLEON. Ich weiß nicht, wem ich glauben soll, ob dem Magister oder Lottchen? Diese spricht, Julchen liebt den Herrn Damis, und jener spricht: nein. Er hat ja Verstand. Sollte er denn die Sache nicht einsehen? Sagen Sie mir doch Ihre aufrichtige Meinung, Herr Siegmund.

SIEGMUND. Ich komme fast selbst auf die Gedanken, daß Julchen den Herrn Damis nicht wohl leiden kann.

CLEON. Aber was soll denn daraus werden? Wenn sie schon etwas von der Erbschaft wüßte: so dächt ich, das Rittergut machte sie stolz. Herr Damis ist so redlich gewesen und hat sie zur Frau verlangt, da sie arm war. Nun soll sie ihn, da sie reich ist, zur Dankbarkeit heiraten. Sie wird sich wohl noch geben.

SIEGMUND. Aber Sie wissen wohl, daß der Zwang in der Ehe üble Früchte bringt.

CLEON. Es wird schon gehen. Ich verlasse mich auf die Fügung. Und ich wollte wohl wünschen, Herr Siegmund, wenn Sie anders noch willens sind, meine Tochter Lottchen zu ehelichen, daß ich heute ein doppeltes Verlöbnis ausrichten könnte.

SIEGMUND. Ja, wenn nur meine Umstände ... Ich habe einige hundert Taler Schulden ...

CLEON. Gut. Julchen soll Ihre Schulden von ihrer Erbschaft bezahlen[413] und Ihnen auch noch tausend Taler zum Anfange in der Ehe geben.

SIEGMUND. Das ist sehr schön; aber ...

CLEON. Sie kriegen an Lottchen gewiß eine verständige Frau. Das Mädchen hat fast gar keinen Fehler, und ihr Gesichte ist auch nicht schlecht. Ich darf's ihr nur nicht sagen, aber sie sieht eine Sache manchmal besser ein als ich. Wenn doch die Abschrift von dem Testamente bald käme! Also, wollen Sie Lottchen haben?

SIEGMUND. Ja, ich wünsche mir Lottchen. Ich gehorche Ihnen als meinem Vater. Aber darf ich Ihnen sagen, daß es scheint, daß mir Julchen gewogener ist als dem Herrn Damis; und daß Lottchen hingegen mit diesem sehr zufrieden zu sein scheinet. Darf ich Ihnen wohl sagen, daß mir Julchen nur itzt noch befohlen hat, bei Ihnen um sie anzuhalten und ...

CLEON. Was höre ich? Nun errate ich, warum das Mädchen sich so geweigert hat. Lieber Herr Siegmund, ich beschwöre Sie, sagen Sie mir, was bei der Sache anzufangen ist. Ich vergehe, ich ... Ja doch. Julchen kann Ihnen wogen sein, aber Lottchen ist Ihnen noch gewogener.

SIEGMUND. Sie haben vollkommen recht, lieber Papa.

CLEON. Also will Lottchen zwei Männer und Herr Damis zwo Weiber haben? Das ist ja unsinnig.

SIEGMUND. Es ist eine verwirrte Sache, bei der ich eine sehr ungewisse Person spiele. Das beste wird sein, daß Sie alles so geheimhalten, als es möglich ist, und die Verlobung mit dem Herrn Damis etwan noch acht Tage anstehen lassen. Vielleicht besinnt sich Julchen anders.

CLEON. Lieber Gott, zu wem wollte ich davon reden als zu Ihnen? Ich müßte mich ja schämen.

SIEGMUND. Wenn Lottchen den Herrn Damis freiwillig wählen sollte: so bin ich viel zu redlich, als daß ich ihr einen Mann mit so großem Vermögen entziehen will.

CLEON. Sie sind die Großmut selbst. Ich kann alles zufrieden sein. Ich wollte Ihnen Julchens Vermögen ebensowohl gönnen als dem Herrn Damis. Freilich wäre die Einteilung nicht uneben. Lottchen wäre durch Herrn Damis' Vermögen und Ihnen durch Julchens Erbschaft geholfen. Ich weiß nicht, was ich anfangen soll.

SIEGMUND. Also wollten Sie mir, wenn es so weit kommen sollte, Julchen versprechen?[414]

CLEON. Aber Lottchen hat Sie so lieb, lieber als mich. Und ich dächte, es wäre unbillig, daß Sie sie vergäßen. Ich kann mir nicht einbilden, daß meine Tochter so unbeständig sein sollte. Ich habe sie selber vielmal für Sie beten hören, daß es Ihnen der Himmel möchte wohlgehen und Sie ihr zum Vergnügen leben lassen, wenn es sein Wille wäre. Sollte sie denn so leichtsinnig sein? Nein. Sie irren sich wohl.

SIEGMUND. Eben deswegen wollen wir die Sache noch geheimhalten. Ich liebe Lottchen wie meine Seele, und ich werde sie auf alle Art zu erhalten suchen.

CLEON. Wir wollen heute zusehn. Wir wollen genau auf alles achtgeben. Ich denke gewiß, es soll bei der ersten Einrichtung bleiben. Ich will Ihnen Lottchen mit einer guten Art herschicken. Sagen Sie ihr nur recht viel Zärtliches vor. Sie hört es gern. Julchen will ich selber noch einmal ausforschen; aber ganz schlau. Ich habe mich lange aufgehalten und den Herrn Simon alleine gelassen. Wenn es nur der rechtschaffene Mann nicht übelnimmt.


Quelle:
Christian Fürchtegott Gellert: Werke, Band 1, Frankfurt a.M. 1979, S. 413-415.
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