Einundzwanzigster Auftritt

[418] Cleon. Julchen.


CLEON. Nun, meine Tochter, wie steht es mit deinem Herzen? Es muß dir doch lieb sein, daß du ein Rittergut hast.

JULCHEN. Ja, deswegen, damit ich's Ihnen und meiner Schwester anbieten kann.

CLEON. Du gutes Kind! Behalte, was dein ist. Willst du deiner Schwester etwas geben; wohl gut. Ich werde schon, solange ich lebe, Brot in meinem kleinen Hause haben. Aber, was spricht Herr Damis? Hat auch der eine Freude über deine Erbschaft?

JULCHEN. Meine Erbschaft scheint ihm sehr gleichgültig zu sein.

CLEON. Ja, ja, er hat freilich selber genug Vermögen. Aber du mußt auch bedenken, daß er dich gewählet hat, da du noch ein armes Mädchen warest. Ach, wenn du wissen solltest, wieviel Gutes mir der Herr Vormund itzt von ihm erzählet hat, du würdest ihn gewiß lieben! Ich habe immer gedacht, er wäre nicht gar zu gelehrt, weil er nicht so hoch redt wie mein Bruder, der Magister; allein, sein Vormund hat mich versichert, daß er ein recht scharfsinniger Mensch wäre und mehr gute Bücher gelesen hätte, als Stunden im Jahre wären. Wer hätte das denken sollen?

JULCHEN. Daß er gelehrt ist, habe ich lange gewußt; allein daß ich's nicht bin, weiß ich leider auch. Vielleicht sucht er die Gelehrsamkeit bei einem Frauenzimmer und nicht ein Rittergut.

CLEON. Du redst artig. Da werden die Töchter studieren können wie die Söhne. Du kannst ja auf der Laute spielen. Du kannst schön singen. Du kannst dein bißchen Französisch. Du schreibst einen feinen Brief und eine gute Hand. Du kannst gut tanzen, verstehst die Wirtschaft und siehst ganz fein aus, bist ehrlicher Geburt, gesittet und fromm, und nunmehr auch ziemlich reich. Was will denn ein Mann mehr haben? Herr Simon liebt dich gewiß. Mache, daß ich ihn bald Herr Sohn und dich Braut heißen kann.

JULCHEN. Braut? Das weiß ich nicht. Sollte er mich lieben? Papa, Sie haben mich wohl zu sehr gelobt. Meine Schwester kann ja ebensoviel und noch mehr als ich.[418]

CLEON. Es ist itzt die Rede nicht von deiner Schwester. Sie hat ihren Herrn Siegmund und verlangt kein großes Glück. Gib ihr etwas von deinem Vermögen: so wird sie vollkommen zufrieden sein. Und so will ich sie gleich heute verloben. Oder möchtest du Herrn Siegmunden lieber zum Manne haben?

JULCHEN. Ich, Papa? Herrn Siegmunden? Wie kommen Sie auf die Gedanken? Wenn ich lieben wollte: warum sollte ich nicht den Herrn Damis lieben? Hat er nicht vielleicht noch mehr Verdienste als jener? Und wenn auch dieser liebenswürdiger wäre, da er es doch nicht ist, wie könnte ich ohne Verbrechen an ihn denken, da ihn meine Schwester, und er sie so zärtlich liebt?

CLEON. So gefällst du mir. Ich bin ein rechter glücklicher Vater. Er klopft sie auf die Backen. Meine liebe schöne Tochter, bleibe bei den Gedanken. Du wirst wohl dabei fahren. Nicht wahr, du hast den Herrn Damis viel lieber als Herrn Siegmunden? Dieser scheint mir zuweilen ein bißchen leichtsinnig zu sein oder doch lose. Ich habe alleweil mit dem Herrn Simon von ihm gesprochen und allerhand ...

JULCHEN. Papa, wenn ich mich zur Liebe entschließe: so gebe ich Ihnen mein Wort, daß ich einen Mann wähle, wie Herr Damis ist. Wenn ich nur nicht meine Freiheit dabei verlöre! Wenn ich nur wüßte, ob ich ihn etwan schon gar liebte! Nein, Papa, ich liebe ihn noch nicht. Ich habe eine so reiche Erbschaft getan, und gleichwohl bin ich nicht zufriedner. Ob ich etwan gar krank werde?

CLEON. Ja, wohl kann man vor Liebe krank werden. Aber die Gegenliebe macht wieder gesund. Ich spräche ja, wenn ich wie du wäre, damit ich der Krankheit zuvorkäme.

JULCHEN. Ach! Papa.

CLEON. Ach! Du sollst nicht ach, du sollst ja sprechen. Du gefällst ihm ganz ausnehmend. Er wird dich wie sein Kind lieben.

JULCHEN. Aber werde ich ihm stets gefallen?

CLEON. Das kannst du denken. Woran stößt sich denn dein Herz noch? Befürchtest du denn gar, daß er dir künftig untreu werden möchte? Nimmermehr! Der Herr Vormund hat mir gesagt, daß dein Liebster sehr viel Religion hätte und oft zu sagen pflegte, daß er kein Mensch sein möchte, wenn er nicht zugleich ein Christ sein sollte. Er wird dich gewiß zeitlebens für gut halten. Er wird seine Schwüre nicht brechen.

JULCHEN. Ich höre keine Schwüre von ihm. Würde er seine Liebe nicht beteuern, wenn er mich ...?[419]

CLEON. Das ist schön, daß er nicht schwört. Um desto mehr kannst du auf sein Wort bauen. Das öffentliche Versprechen ist eben der Schwur in der Liebe. Und diesen Schwur will er heute tun, wenn du ihn zugleich tun willst.

JULCHEN. Papa, ich bin unentschlossen und ungeschickt, die Sache recht zu überlegen. Lassen Sie mir noch Zeit.

CLEON. Bis auf den Abend bei Tische sollst du Zeit haben. Alsdann sprich ja oder nein. Die Sache ist ernstlich gemeint. Ich habe dir mein Herz entdeckt. Du hast meine Einwilligung. Mache es, wie du willst. Komm, dein Liebster wird sich schon recht nach dir umgesehen haben. Die beiden schwarzen Pflästerchen passen recht hübsch zu deinem Gesichte. Bist du denn etwan ausgefahren?

JULCHEN. Ja, ich habe zu Mittage ein Glas Wein getrunken.

CLEON. Nun, nun, es wird schon wieder vergehen, ehe du mir einen Gevatterbrief schickst. Komm und führe mich bei der Hand. Ich möchte gern einmal von einer Braut geführt werden.



Ende des zweiten Aufzugs.


Quelle:
Christian Fürchtegott Gellert: Werke, Band 1, Frankfurt a.M. 1979, S. 418-420.
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