Dritter Auftritt

[422] Die Vorigen. Lottchen.


DAMIS zu Lottchen. Kommen Sie, meine Freundin, und fangen Sie an mich zu hassen. Ich soll meine Juliane hintergangen haben.

LOTTCHEN. Haben Sie sich beide schon ein wenig gezankt? Vermutlich über die ersten Küsse.

DAMIS zu Julchen. Verklagen Sie mich doch bei Ihrer Jungfer Schwester. Sagen Sie mir doch mein Verbrechen.

JULCHEN. Vielleicht fände ich da die wenigste Hülfe.

LOTTCHEN. Ach, Julchen, wenn die selige Frau Muhme es hätte wissen sollen, daß du dich an dem Tage deiner Verlobung mit deinem Bräutigam zanken würdest: sie hätte dir nicht einen Ziegel von ihrem Rittergute vermacht. Ich habe die gute Hoffnung, daß der Krieg nicht lange dauern wird. Dein Herz ist von Natur friedfertig, wenngleich die Liebe etwas zänkisch ist.

JULCHEN. O scherze nicht.

LOTTCHEN zu Damis. Sehn Sie nur Ihre liebe Braut recht an. Haben Sie sie durch eine kleine Liebkosung erbittert gemacht: so wollte ich Ihnen den Rat geben, sie durch zwo neue zu besänftigen. Julchen, rede wenigstens mit mir, wenn es Herr Damis nicht verdient. Oder wenn er dich ja beleidiget hat: so laß dir den Kuß wiedergeben: so seid ihr geschiedene Leute. Was habt ihr denn miteinander?

JULCHEN. Was wir miteinander haben? Das werde ich in deiner Gegenwart nicht sagen können. Ich glaube zwar gar nicht, daß du ihm Gelegenheit gegeben hast. Und was kann er dafür, daß du liebenswürdiger bist als ich? Auch sein Vergehn ist noch ein Verdienst. Er würde dich nicht lieben, wenn er nicht die größten Vorzüge zu lieben gewohnt wäre. Ich entschuldige ihn selbst.

LOTTCHEN. Du gutes Kind! Also bin ich deine Nebenbuhlerin! Du dauerst mich in Wahrheit. Ich will dir das ganze Geheimnis eröffnen. Kommen nicht die Beschuldigungen wider deinen[422] Liebhaber von Herrn Siegmunden her? Ich kann mir's leicht einbilden. Er hat sich in dich verliebt stellen sollen, um dich zu überführen, daß du vielleicht schon liebtest. Er wird also die List gebraucht und dich beredt haben, daß Herr Damis mich liebte. Vergib ihm diesen Scherz. Er hat seine Rolle gar zu gut gespielt.

JULCHEN. Er tat sehr ernstlich, und ...

DAMIS zu Julchen. Sehn Sie, was ich für ein betrügerisches Herz habe?

JULCHEN. Aber ...

DAMIS. Sie können noch ein Mißtrauen in mich setzen? Wie wenig müssen Sie mich kennen!

JULCHEN. Ich? mein Herr ...

DAMIS. Ist das der Lohn für meine Liebe?

JULCHEN. Der Lohn? Hassen Sie mich denn? Würde ich eifersüchtig geworden sein, wenn ich nicht ... Also haben Sie mich nicht hintergangen? Ja, mein ganzes Herz hat für Sie gesprochen.

LOTTCHEN. Du hast dich fangen lassen, meine gute Schwester. Und ich merke, daß es dir schon wehtut, daß du deinen Geliebten wegen deiner Hitze noch nicht um Vergebung gebeten hast. Ich will es an deiner Stelle tun. Zum Damis. Mein Herr, sein Sie so gütig, und vergeben Sie es Julchen, daß Sie zärtlicher von ihr geliebt werden, als Sie gedacht haben.

JULCHEN. Nein, wenn ich mich geirrt habe: so bitte ich Ihnen meinen Fehler freiwillig ab.

DAMIS. Aber lieben Sie mich denn auch?

JULCHEN. Ja. Nunmehr weiß ich's gewiß, daß ich Sie liebe. Und nunmehr bin ich bereit, dieses Bekenntnis vor meinem Vater und Ihrem Herrn Vormunde zu wiederholen, wenn Ihre Wünsche dadurch befriediget werden.

DAMIS. Meine Juliane! Ich bin zu glücklich.

JULCHEN. Wenn ich Ihr Herz noch nicht hätte: so würde ich nunmehr selbst darum bitten, so hoch schätze ich's.

DAMIS. Vortreffliche Juliane! Ich bin ... Doch es ist mir kein Gedanke anständig genug für Sie. Dieses ist es alles, was ich Ihnen in der Entzückung antworten kann.

LOTTCHEN. Meine liebe Schwester Sie umarmt Julchen. deine Liebe sei ewig glücklich! Sei mir ein Beispiel der Zärtlichkeit und der Zufriedenheit. Zum Damis. Und Sie, mein lieber Herr Bruder, sollen so glücklich sein, als ich meine Schwester zu sehn wünsche. Bleiben Sie ein Freund meines Freundes, und befördern Sie[423] unsere Ruhe durch Ihre Aufrichtigkeit. Kommen Sie, wir wollen zu unserm ehrlichen Vater gehn. Wie froh wird der fromme Alte nicht sein, wenn er Julchens Entschluß hört! Doch ich sehe den Herrn Vormund kommen. Gehn Sie, ich will das Vergnügen haben, diesem rechtschaffenen Mann, der mir heute die freudige Post gebracht hat, auch die erste Nachricht von der Gewißheit Ihrer beiderseitigen Liebe zu geben. Julchen und Damis gehn ab.


Quelle:
Christian Fürchtegott Gellert: Werke, Band 1, Frankfurt a.M. 1979, S. 422-424.
Lizenz:
Kategorien: