Erster Auftritt.

[32] Der Hausvater sitzt an einem Tisch, neben ihm rechts Sophie, links Karl, neben Sophie Ferdinand; neben Karl der Hr. Graf von Monheim. Am Eck sitzt auch das Kind in etwas steifer Gebärde. Sie frühstücken.


HAUSVATER. Trefflich habe ich heute wieder einmal geschlafen, und mir ist so innig wohl, mich nach so langer Zeit wieder im Schoße meiner Familie zu sehen. O! meine Kinder, es giebt viele Leiden in dieser Welt; aber wo ist das Elend, das aufwiegen[32] könnte das Vergnügen eines Hausvaters im Zirkel seiner Kinder?

GRAF MONHEIM. Ich wünsche nur, Herr Schwiegervater, daß Sie alles in Ihrem Hause in Ordnung gefunden.

HAUSVATER. Ich habe meine Kinder gefunden und muß gestehn, daß ich auf sonst nichts gedacht habe: wie oft wünschte ich mir mit meiner Frau, Gott habe sie selig! einst so im Kreise unsrer Kinder und Kindeskinder ein glückliches Alter zu genießen: es hat nicht sein sollen. Sie, Herr Schwiegersohn, haben sie, glaube ich, nicht mehr gekannt?

GRAF MONHEIM. Nein, ich kam nach ihrem Tod erst her.

HAUSVATER. Es war ein treffliches Weib, so, Zu Karln. wie ich dir einst einmal eine wünsche. Statt Flitterwesen des Geistes und Weibergelehrsamkeit ein guter, echter, gesunder Menschenverstand. Feine Gefühle, aber ungekünstelte, so, wie sie die Natur dem Weibe gemeiniglich zu geben pflegt. Immer sauber und zierlich gekleidet, selbst in dem Innersten ihres Hauswesens, doch ohne Pracht und Verschwendung. Allezeit ausgeräumt, lustig; ich hatte keinen Verdruß, der nicht in ihrer Gegenwart verschwand. Keine Modedame, die so ihren ganzen Tag am Spieltisch und im Gesellschaftssaale verlor, sondern, was eigentlich des Weibes Bestimmung ist, eine gute, fleißige Haushälterin: und, war sie in Gesellschaft, diejenige, die alle aufmunterte.

SOPHIE. O! daß sie noch lebte, daß sie mich lehren könnte – –

HAUSVATER. Wünschte es auch; doch laß uns durch den Wunsch eines größern Glücks das gegenwärtige nicht vergessen. Zu Ferdinand. Du, als künftiger teutscher Herr, darfst von den Hausfreuden nichts wissen.

FERDINAND. Ja, lieber Vater, wenigstens bin ich bei meiner künftigen Frau, dem schwarzen Kreuz, sicher, daß sie nicht den Humor ändert, und daß sie mich nicht betrügt.

HAUSVATER. Ob deine Frau, wie du es nennst, auch sicher sein wird, daß du sie nicht betrügst, das weiß ich nicht.

FERDINAND. Wir wollen schon einig mit einander werden.

HAUSVATER. Aber Karl, warum so ernsthaft? machen diese Reden den Stammherrn tiefsinnig.

KARL. Ich dachte eben, daß, bis man zu solchen Hausfreuden gelangt, der Weg so beschwerlich sei, und von den meisten verfehlt werde.[33]

HAUSVATER. Weil ihn die meisten verfehlen wollen; weil die meisten blinde Liebe, oder thörichten Eigennutz, nicht Vernunft als Wegweiser mitnehmen. Wenn man, wie du wirst können, frei wählen darf; einen Freund hat, der uns seine Erfahrungen mitteilt, den du an deinem Vater finden sollst, und mit ihm zu Rate gehst, dann darf man hoffen – – –

EIN BEDIENTER. Der Baron von Dromer läßt den gnädigen Herrn fragen, ob er unterthänig aufwarten dürfe, und um wieviel Uhr.

HAUSVATER. Wer ist der Baron von Dromer?

MONHEIM. Ein gemeinschaftlicher Freund vom Hause und fast in allen Häusern wohl gelitten.

SOPHIE. Kennen Sie ihn nicht? er sagt, Sie in Wien gesehen zu haben.

HAUSVATER. Kann wohl sein, ich erinnere mich aber nicht: doch als Freund vom Hause wird er mir angenehm sein. Zum Bedienten. Es wird mir eine Ehre sein, den Baron zu sehen, und Leuten meinesgleichen sei ich nicht gewohnt, eine Stunde zu bestimmen.

FERDINAND. Einen Komplimentenmacher der ersten Klasse werden Sie an ihm finden.

HAUSVATER. Das ist eine beschwerliche Gewohnheit, die viele Leute angenommen haben, und ich habe nicht selten bemerkt, daß solcher Leute Wesen mehr in Worten als Handlungen besteht.

MONHEIM. Doch dünkt mich, man versäume die Höflichkeit zu viel, und wir verlieren zuletzt gar den Ton der großen Welt.

KARL. Ja, es ist ein Unterschied zwischen Höflichkeit und ewiges Komplimentenmachen.

HAUSVATER. Gewiß: denn man kann ein biederer, gerader Mann sein; als solcher natürlich nur mit wenigen vertraut umgehen, aber es gegen niemand an Höflichkeit fehlen lassen.

SOPHIE. Das ginge noch an, wäre er nur nicht jedermanns Freund – –

HAUSVATER. Wirklich eine gefährliche Menschenart; denn natürlich unbestimmt, oder vielmehr ohne Charakter, richten sie oft mehr Böses an als die ärgste Bösewichte.

MONHEIM. Sie verzeihen, Herr Schwiegervater, Indem er aufsteht. ich muß ausgehen.

HAUSVATER. Auf baldiges Wiedersehen, Herr Sohn.


Monheim ab.[34]


FERDINAND. Wahrhaftig, ich glaube, es ist Zeit, ich muß zum Oberst; bald hätte ich's vergessen.

HAUSVATER. Hoffentlich wirst du keines Vergnügens wegen deinen Dienst vergessen können.

KARL. Du bekommst, glaube ich, heute die Wache?

FERDINAND. Ja, es ist heute an mir; aber ich thue sie nicht.

KARL. Warum.

FERDINAND. Ich will dir's schon ein andermal sagen. Ich empfehle mich. Geht ab.

HAUSVATER. Ein wenig mehr gesetztes Wesen, und diese Lebhaftigkeit wird sich zu seinem Stande gut schicken. Zu Sophie. Aber warum sitzt denn dein Kind so still? darf sich denn das nicht rühren? spring herum, mein Kind; ich kann es nicht leiden, wenn ein Knabe von sechs Jahren schon den Philosophen spielen soll.

SOPHIE. Steh auf, der Großpapa erlaubt es. Das Kind steht auf. Geh hin, küß die Hand. Das Kind geht hin, um die Hand zu küssen: der Hausvater küßt es von Herzen. Jetzt zeig einmal dem Großpapa, wie geschickt du bist.

DAS KIND. Soll ich aus der Mythologie, oder aus der Historie hersagen.

HAUSVATER. Bist du so gelehrt?

SOPHIE. Aus beiden: Wer war der Kriegsgott?

DAS KIND. Mars.

SOPHIE. Wer war der Gott der Liebe?

DAS KIND. Venus und ihr Sohn Kupido.

KARL. Ei! weißt du denn das auch?

DAS KIND. O ja, und da schießt der Kupido mit Pfeilen; aber sie thun nicht weh.

HAUSVATER. Wirklich?

KARL. Oft doch.

SOPHIE. Wer war denn Alexander?

DAS KIND. Ein großer König von Macedonien, er hat den Darius überwunden und auf seinen Doktor viel Zutrauen gehabt.

SOPHIE küßt das Kind. Brav, Fritz.

HAUSVATER. Was bist du für ein Landsmann? Das Kind schweigt. Ich meine, ob du ein Franzose, ein Deutscher, oder ein Römer bist. Die Mutter will einhelfen, ein Deu – – Deu –.

DAS KIND. Davon hab' ich nichts gehört.[35]

HAUVATER. Weißt du das nicht? und wußtest, wo Alexander – – –

DAS KIND. Aus Macedonien – –

HAUSVATER. Gut; aber du bist ein Deutscher.

DAS KIND. Ein Deutscher?

HAUSVATER. Ja, Kind, und sei stolz darauf. Nun sage mir aber einmal; giebt es mehrere Götter?

DAS KIND. Drei.

SOPHIE. Nicht doch, Fritz, ei –

HAUSVATER. Seht ihr mit eurer Erziehung; ihr füllt den Kopf mit fremden Sachen an und laßt sie Worte ohne Sinn lernen. So ist's mit eurer Modeerziehung. Nimm mir's nicht übel, aber Sophie, das gefällt mir nicht, darüber müssen wir noch näher sprechen.

SOPHIE. Wie gern, liebster Vater! Ihr Rat wird mir ein Gesetz sein. Ich will jetzt das Kind hinaufführen zum Lernen.

HAUSVATER. Gut, ich komme bald nach.


Sophie ab.


Quelle:
Das Drama der klassischen Periode. Herausgegeben von Dr. Adolf Hauffen, Band 2, Stuttgart [o.J.], S. 32-36.
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