X. Jor ein Kind

[56] DAS KIND.

Wie solt ich mich anders erzaigen

Nach miner art thůn ich mich naigen

Vatter vnd můter schlach ich nach

Zů aller boßhait ist mir gach

DER EINSIDEL.

O liebes kind das solt nit thon

Solt ee vatter vnd můter lon

So würstu dem Thobia glich

Dem Isaac auch solt mercken meich

Dem Joseph vnd ouch Samuel

Joas deßselben glich Daniel.

DAS KIND.

Das mag worlichen nit gesin

Ich volg vatter vnd můter mein

So bald als ich gieng auß der wiegen

Lartens mich schweren, schlecken, liegen

Dar nach fieng ich all boßheit an

Hatten sie als für wol gethan

Hand mir darzů anzaigung gäben

Vor mir gefürt ain üppigs läben

Mit füllen prassen tag vnd nacht

Deß ich genomen hab gůt acht

Vor mir tribens all üppigkait

Mit worten, wercken, vnküscheit

Detten vor mir nit schämen sich

Das selb gelernet hab ouch ich

Bätten man mich det wenig leren

Gott vnd sein helgen auch nit eren

Deß ich hie also üppig stand

Vatter vnd můter zů eir schandt

DER EINSIDEL.

Do sind ir elteren schuldig an

Die ire kind on stroff lond gan[56]

Vnd wisens weder zucht noch eer

Wa ir volgten Thobias leer

Dörfft üwere kind solichs nit klagen

Von gott ain gůte leer sond haben

Den kinden von Israel er gebot

Das sie ir kinder frů vnd spot

Larten die grossen ding gar schon

Die er yn allzyt hat gethon

Dar durch er allzyt wurd geert

Vnd auch der glaub i yn gemert

Iacob sin sun strafft ouch deß glich

Mathatiam söllt nämen für üch

Do Dauid wolt sein geist vffgeben

Ein gůte leer die dett er geben

Sinem sun Salomon

So lon ir üwre kind jetz gon

On all vnderwysung vnd auch stroff

Recht wie für den hirten gond die schoff

Das ir vffs lest mit iomer klagen

Adonias wär nit zů tod erschlagen

Wa Agith yn gestraffet hät

Salumit hät iren sun behbt

Vmb das sie yn nit strafft nim war

Verstainget yn der iuden schar

Vmb das er lestert got merck eben

Nempt acht wie jetz die kind thůnd läben

Wa man sie all jetz straffen sot

Die tag vnd nacht lesteren got

So behielt kain vatter me sin kind

O gott wie sind wir jetz so blind

Vnd sehen doch wie grosse clag

Von kinden kumpt jetz nacht vnd tag

Das es worlich zerbarmen ist

Ein gewonheit ist jetzund zer frist

Das man die kinder zücht vff kriegen

So bald als sie gond vß der wiegen

Müssen sie degen an yn han

Vnd vff das bübist inher gan[57]

Das vor zyten was ain grosse schand

Deß laufft vol bůben jetz das land

Darumb eüch got wirt gen den lon

Als er dem Hely hat gethon

Der was gerecht vnd läbt on sünd

Darumb das er nit strafft sein kind

Deß strafft yn gott das er mit clag

Starb vnd sein sun vff ainen tag

Die wils das kind wigts als gering

Was mag da thůn der iüngling

DER EINSIDEL.

Dů bist ain schöner iüngliug stoltz

Vff gschossen wie ain feiges holtz

Vnd bist yn dyner bösten iugendt

Die do nüt leren solt da tugendt


Quelle:
Pamphilus Gengenbach. Hannover 1856, S. 56-58.
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