DIE SÄNGER GUIDO UND ARNAUT

[114] Als er sich selber nannte dessen söhne

Ich und manch bessrer wurde der gebrauchte

Die süssen und gefälligen liebes-töne:


Da ging ich sinnend · hörte nicht noch hauchte

Und sah nur ihn mit unverwandten brauen.

Nicht konnt ich nahen da ihn brand umrauchte.


Als ich gesättigt war ihn zu beschauen ·

Versprach ich was er wünsche ihm zu reichen

Mit der versichrung der wir ganz vertrauen.


Und er: Du lässest in mir solche zeichen

Da ich dich höre – von so reinem feuer

Dass sie kein tod verdunkeln kann und streichen.


Doch bist mit deinem schwur du ein getreuer

So sag was ist dein grund mir zu beweisen

Mit deinem blick und wort dass ich dir teuer?[114]


Und ich zu ihm dann: Deine süssen weisen

Die für des Neuen Tones ganze dauer

Die menschen noch in deinen schriften preisen.


O bruder · sprach er · den ich dir genauer

Bezeichne (und sein finger gab die lage)

War seiner sprache trefflichster bebauer.


In liebeslied und ritterlicher sage

Besiegt er alle. Lass die toren schwören

Dass ihn der Limosiner überrage!


Die wahrheit nicht · geschrei nur kann sie stören.

Sie festen ihre meinung und sie sollten

Zuvor auf kunst und überlegung hören.


So hat Guitton den früheren gegolten.

Er hatte alle mund an mund zu lobern

Bis spätre wahre richter ihn gescholten ...


Doch konntest du das vorrecht dir erobern

In jene ordenskirche einzutreten

Wo die gemeinde Christum hat zum Obern:[115]


So magst du mir ein vaterunser beten ·

Des weitren braucht es nicht für unsre runde

Wo keine sünde mehr bedroht die Steten. –


Vielleicht um dann dem zweiten von dem bunde

Den raum zu lassen · schwand er durch die helle

Wie fische durch das wasser fliehn zum grunde.


Damit sich der gezeigte mir geselle

Begann ich: Lass mich deinen namen tragen

In meinem sinn an liebevoller stelle!


Und er begann freigebig dann zu sagen:

Zoozeer verheugt my 't hoflyke in Uw vraag

Dat weigrend ik noch wil noch kan U plagen ·


Ik ben Arnaut die ween en zingend klaag.

Ik die aldoor verleden waan betracht

En vreugdvol hoop dat straks myn morgen daag'


Doch U bezweer ik door die zelve macht

Die tot den hoogsten trede U stygen doet:

Gedenk te rechter uur my en myn klacht! –[116]


Dann barg er sich in reinigender glut.


Fegefeuer · XXVI. Gesang · 97–148.

Quelle:
George, Stefan: Dante. Die göttliche Komödie. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 10/11, Berlin 1932, S. 114-117.
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Dante. Die göttliche Komödie
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