FÜNFTES BILD

[27] Szene bei Timons hütte. Manuel.


MANUEL

Trost soll ich spenden

Und bin doch selber der verzweiflung nah ..

(zur hütte)

Timon Timon. Er ist nicht da

Vielleicht hat angst ihm sinnloses befohlen

Und ich bin hier und rühre keine hand ·

Des vaters armen seh ich sie entrissen

Sie die nichts ahnt · sich keiner schuld bewusst ist

Wird fortgeschleppt – o wie sie klagt · ich seh sie –

In das verlies · das schöne haupt geneigt

Umgeben rings von heuchelnden gesichtern

Die ränkevolle worte auf sie atmen.

Nur der gedanke dass ich bald erscheine

Behütet sie vor der verzweiflung.


Menes tritt auf


MENES

Hier endlich find ich dich.[28]


MANUEL

O Menes du musst hilfe wissen.


MENES

Was ist geschehn? ich suche dich schon lang.


MANUEL

Ruchlose späher haben uns belauscht

Sie haben die geliebte mir entrissen

Mein vater gab befehl in einem kloster

Gefangen sie zu setzen · und kein rat ..


MENES

O prinz wie sehr erregt dich

Die sorge einer reizevollen liebe

Im augenblicke da du sinnen sollst

Auf die erfüllung dessen was du schwurest.


MANUEL

Du weisst nicht was ich dieser liebe danke

Wie sie zuerst zum handeln mich erweckte

Und kräfte mir verlieh in allen stürmen

Ja anteil hat an meinem besten leben ..

Wenn ihr durch meine schuld ein leid geschieht[29]

Was alle guten geister hindern mögen

So ist es auch mit meiner tat vorbei.


MENES

Was aber soll geschehn? was kannst du hoffen?


MANUEL

Ich muss aus ihrem kerker sie befrein

Ich muss sie ihrem vater wieder geben

Ich muss sie unter sicherm schutze wissen

Und wenn das schicksal trennung uns befiehlt

Muss ich noch einmal mit ihr rede tauschen ·

Wenn ich sie sehe werd ich sie bewahren.


MENES

So geh zum vater .. für die eine gnade –


MANUEL

O schweig von ihm · ich tat was du geheissen.


MENES

Und konntest du nicht heimlich botschaft senden?


MANUEL

Mit dichten wachen liess man sie umgeben[30]

Und botschaft ach sie könnte vielmehr dienen ...


MENES

So bleibt nur eines: die gewalt.

In wenig tagen wird es mir gelingen

In stadt und land die freunde zu versammeln

Sie alle kennen Menes namen noch

Ich blieb mit allen stets in engem bund

In hellen haufen werden wir erscheinen

Und mit den waffen die Gefangne holen ..


MANUEL

Du redest von unmöglichem.


MENES

Die stadtbevölkerung wird zu dir stossen

Wenn selber an der spitze du dich zeigst.

Zudem ist jezt der grösste teil des heers

Weit auf dem marsche nach der Persergrenze ..

Du brauchst nicht vom verzichte mehr zu reden

Nicht angstvoll mehr zu harren braucht das volk

Auf des erretters nahn.


MANUEL

Das kann nie sein ..[31]

Wol mag mir alles wie du sagst gelingen

Ich töte zwinge und ich herrsche dann –

Wo aber Menes bleibt das friedensreich

Das dauernd nur den frieden sichern kann ...


MENES

Du dachtest wol in deinen frühen träumen

An solch ein reich · du warst rechtmässiger herr

In dessen händen jedes ding sich fügt ..

Nun packt die wirklichkeit mit rauhem finger.

Sieh ihr ins auge ..


MANUEL

Träume – wirklichkeit ..

Wenn mir die innre stimme trog · nichts bleibt ·

So bricht der ganze stolze bau zusammen ..


MENES

Im ersten augenblick nur ist es furchtbar

Wenn man sich trennen muss von einem glauben

Den man als kostbarsten besitz gehegt.

Doch kommt gelegenheit wo sein befolgen

Uns unheil bringt und keinen nutzen stiftet

So bleibt dem klugen keine wahl.[32]

Ich gehe .. kämpf! dein kampf wird bald zu end sein!

ab


MANUEL

Der vater stösst mich weg – der freund verlässt mich

Dass ich mir treu bin soll nur torheit sein ..

Ich stehe wie auf einem felsenriff

Von allen seiten brüllen wild die wogen

Sie schlagen über mich verschlingen mich!

Wohin verlor ich mich?..

Nein dass ich treu bin kann nicht torheit sein

Und unheil kann nicht aus der weigrung kommen

So wenig wie aus weizensamen giftkraut.

Die guten geister werden sie beschützen

Und böser menschen pläne nichtig machen

Das schicksal muss den knoten glimpflich lösen

Es muss ein wunder wirken ..

Die liebe haucht mir neue stärke ein

Im augenblick wo mich zerschmettern will

Der druck des alls dem ich entgegenwirkte.

Quelle:
George, Stefan: Schlussband, Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 18, Berlin 1934, S. 27-33.
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